Serie | Krisentagebuch: Ute Parthum (54) freut sich über Kultur im Netz
Wie erleben Potsdamerinnen und Potsdamer die Coronakrise? Das erzählen sie im Krisentagebuch der PNN. Heute berichtet Ute Parthum (54), Geschäftsführerin der Medienwerkstatt Potsdam aus der Teltower Vorstadt.
Wie erleben Potsdamerinnen und Potsdamer die Coronakrise? Wie kommen sie im neuen Alltag zurecht? Was bewegt sie – und was macht ihnen Freude? Wir führen ein Krisentagebuch und fragen nach, wie es den Menschen in unserer Stadt geht.
Wie sieht Ihr neuer Alltag aus?
Seit zwei Wochen teile ich mir meine Drei-Zimmer-Wohnung nicht mehr nur mit meiner Tochter, sondern auch mit ihrem Freund, beide sind Anfang 20. Unser Zusammenleben ist bis jetzt harmonisch, wir tauschen uns über das aktuelle Geschehen aus, spielen zusammen Karten. In einer Ecke meines Schlafzimmers habe ich mir einen kleinen Arbeitsplatz eingerichtet: Ich gebe zu, ein Fan von Homeoffice war ich noch nie. Dass die Situation relativ entspannt ist, kann auch daran liegen, dass ich die Wohnung unter der Woche verlasse, um ins Büro zu fahren. Auch können wir uns echt glücklich schätzen, einen Gemeinschaftsgarten hinterm Haus nutzen zu können. Alle Menschen, die jetzt ihre Kinder zu Hause betreuen, haben meinen allergrößten Respekt. Ich hoffe, dass sich Eltern, die auch mal an Grenzen kommen, rechtzeitig Hilfe holen. Als Leiterin der Medienwerkstatt habe ich alle meine Mitarbeitenden ins Homeoffice geschickt und halte einsam die Stellung im Büro. Jeden Montag machen wir eine Team-Videokonferenz. Einige unserer Vorhaben müssen auf die aktuelle Situation hin angepasst werden. Ich plane derzeit den 7. Potsdamer Eltern-Medien-Tag am 1. November und hoffe, dass er im Treffpunkt Freizeit stattfinden kann.
Was fällt Ihnen in der momentanen Situation am schwersten?
Mir persönlich fällt es derzeit schwer, mich von der Arbeit abzugrenzen, denn jetzt könnte ich im Prinzip rund um die Uhr arbeiten. Obwohl ich schon so Einiges an gesellschaftlichen Veränderungen miterlebt habe: die DDR- Zeit, das Aufkommen von HIV und Aids, den Fall der Mauer, die Wiedervereinigung, Globalisierung, Digitalisierung und Klimawandel, ist auch für mich die Corona-Situation komplett neu. Wir sind alle Lernende und auf gegenseitige Hilfe, Unterstützung und Zusammenhalt angewiesen.
Was ärgert Sie am meisten?
Ich versuche die Situation anzunehmen, das Mögliche zu gestalten und trotz Bedenken auch Chancen zu erkennen. Wenn ich mich ärgere, dann über Dinge, die wenig mit Corona zu tun haben, zum Beispiel, dass es in Potsdam viel zu wenig bezahlbaren Wohnraum gibt. Dass der Breitbandausbau mit schnellem Internet noch immer nicht überall in Brandenburg angekommen ist. Besonders ärgere ich mich über die seit Jahren nicht oder nur halbherzig geführte Debatte zum Datenschutz. Das fällt uns jetzt auf die Füße.
Worüber haben Sie sich in den letzten Tagen gefreut?
Sehr positiv war für mich die Nachricht, dass die Stadt den größten Teil der Angebote und Einrichtungen der Jugendarbeit und -hilfe weiterfinanziert bis auf Weiteres. Ich habe mich auch über die Aktivitäten des Bündnisses sicherer Häfen gefreut und hoffe, dass wir bald unbegleitete Minderjährige aus den Flüchtlingslagern in Griechenland bei uns aufnehmen können.
Ihr persönlicher Tipp zum Umgang mit der Krise?
Wir misten gemeinsam die Wohnung aus, gehen spazieren, kochen zusammen, pflegen Kontakte zu Nachbarn, Freunden und Familie. Ich nutze meine freie Zeit am Wochenende, um Kulturevents im Internet zu verfolgen. Und ich habe noch einen Tipp gegen Langeweile: Ein neues Radioformat mit und für Potsdamer Grundschulkinder. Es heißt „Homezone“ – alle Infos zum Mitmachen gibt's auf www.say-something.de.
Alle Teile unserer Serie zum Nachlesen
Teil 1: Christian Neusser (42) über kleine Freuden im Corona-Alltag
Teil 2: Bei Eszter Kalmár (44) ist bisher alles entspannt
Teil 3: Jann Jakobs (66) über nervige Ignoranten und Panikmacher
Teil 4: Jihan Alam (44) nutzt die Zeit mit ihren Töchtern
Teil 5: Ute Parthum (54) freut sich über Kulturangebote im Internet
Teil 6: Wolfgang Bivour (70) ärgert sich über Hamsterkäufer
Teil 7: Uta Gerlant (54) freut sich über Menschen mit Improvisationstalent
Teil 8: Susanne Halke (41) tut der Dank der Kunden gut
Teil 9: Julien Norman Melke (26) meistert den harten Alltag
Teil 10: Jenny Gartemann (32) hat endlich Zeit zum Planen
Teil 11: Christine Anlauff (49) entdeckt Park Sanssouci neu
Teil 12: Ariane Füchtner (53) setzt auf Hüpfen und Yoga
Teil 13: Sven Stricker (49) bleibt ruhig und freundlich
Teil 14: Susanne Fienhold Sheen (53) wünscht sich mehr Contenance
Teil 15: Matthias Michel (49) behält seinen Galgenhumor
Teil 16: Lydia Poppe (59) geht gegen Ängste vor
Teil 17: Gisela Rüdiger (72) beschäftigt sich viel im Garten
Teil 18: Mathias Selbach (43) wünscht sich Licht am Ende des Tunnels
Teil 19: Björn O. Wiede (58) fehlen die Proben mit dem Nikolaichor
Teil 20: Marie-Luise Glahr (48) hat gut zu tun
Teil 21: Renate Schmidt-Reichstein hört auf das Glockenläuten
Teil 22: Marcus Golter (54) freut sich über Selfies und Spargel
Teil 23: Mytran Xhyra (44) hofft, dass weniger gemeckert wird
Teil 24: Else Vösgen (92) fehlen Umarmungen
Teil 25: Simon Plate (33) blickt zum Himmel
Teil 26: Anna Tauschke (38) geht raus in die Natur
Teil 27: Jenne Baule-Prinz (53) hat eine Liste zum Freuen
Teil 28: Christoph Freytag (37) ärgert sich über Panikmache
Teil 29: Jan Kretzschmar (49) versucht Ruhe zu bewahren
Teil 30: Carolin Huke (33) engagiert sich vielseitig
Teil 31: Nadja von Saldern (53) übt sich in Selbstliebe
Teil 32: Julia Förster (26) kommen die Belange der Kinder zu kurz
Teil 33: Fabian Vallone (24) ruft zu Unterstützung auf
Teil 34: Erich Benesch (57) radelt in Ruhe
Teil 35: Nina Gummich (28) hat ihre letzte Gage gespendet
Teil 36: Andrea Peters (56) freut sich, wenn es wieder losgehen kann
Teil 37: Matthias Müller (56) ist im Tiefschlaf
Teil 38: Anne Braun (34) gestaltet den Balkon opulent
Teil 39: Christine Handke (53) fehlt die Mimik
Teil 40: Claire Dörfer (43) wird nicht resignieren
Teil 41: Ludger Brands (63) steigt aufs Rennrad
Teil 42: Marianne Seibert (71) fehlt der Kontakt zu anderen Menschen
Teil 43: Thomas Drachenberg (57) bleibt gelassen
Teil 44: Jörg Schröder (60) freut sich über die kleinen Dinge des Lebens
Teil 45: Max Schäfer (17) empfiehlt, sich ein Projekt zu suchen
Teil 46: Annette Paul (49) will mehr lachen
Teil 47: Raimund Jennert (59) genießt die Pausen im Garten
Teil 48: Jaro Samuel Abraham (17) vermisst den politischen Protest
Teil 49: Antje Michel (46) simuliert ihren Arbeitsweg
Teil 50: Karin Junkel (69) bleibt gelassen
Teil 51: Werner Ruhnke (73) handelt tatkräftig
Teil 52: Herrmann A. Kremer (76) freut sich über die neue Atmosphäre
Teil 53: Daniel Vetter (39) genießt die kleinen Momente
Teil 54: Gunnar Belden (46) kann wieder mit den Kollegen Mittag essen
Teil 55: Matthias Noack (33) grüßt täglich das Murmeltier