Serie | Krisentagebuch: Antje Michel (46) simuliert ihren Arbeitsweg
Wie erleben Potsdamerinnen und Potsdamer die Coronakrise? Das erzählen sie im Krisentagebuch der PNN. Heute berichtet Antje Michel (46), Professorin für Informationsdidaktik an der FH Potsdam, aus Babelsberg.
Potsdam - Wie erleben Potsdamerinnen und Potsdamer die Coronakrise? Wie kommen sie im neuen Alltag zurecht? Was bewegt sie – und was macht ihnen Freude? Wir führen ein Krisentagebuch und fragen nach, wie es den Menschen in unserer Stadt geht.
Wie sieht Ihr neuer Alltag aus?
Morgens, wie immer, PNN-Lektüre, dann Simulation meines Arbeitswegs mit einer Radtour von Haustür zur Homeoffice-Tür. Mein Arbeitsalltag ist geprägt durch Kommunikation – in Lehrveranstaltungen, Beratungen mit Studierenden, Workshops mit Kollegen und Projektpartnern. Ein großer Schwerpunkt meiner Arbeit liegt im Moment in der Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen für die digitale Lehre an unserer Hochschule. Alles findet nun vor allem durch Videokonferenzen, Chats, Emailverkehr oder Arbeit an digitalen Dokumenten statt. Abends koche ich mit meinem Mann, radele noch ein wenig und treffe mich häufig digital und manchmal nun auch persönlich mit lieben Freunden oder der Familie.
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Was fällt Ihnen am schwersten?
Der digitale Hochschulalltag bietet wenig Möglichkeiten für ungeplanten Austausch. Dieser ist aber der Nährboden für neue Ideen. Dieses Ping-pong-Spiel von Ideen mit meinen Kollegen und Studierenden auf den kurzen Wegen zwischen Büro und Mensa auf unserem schönen Campus fehlt mir wirklich. Und privat fehlt mir der kulturelle Impuls durch Theater- oder Kinobesuche und anschließende Diskussionen in einer Bar oder einem Restaurant.
Was ärgert Sie am meisten?
Ich ärgere mich aktuell eigentlich recht wenig, denn ich finde es insgesamt sehr beeindruckend, wie wir diese Ausnahmesituation individuell und gesellschaftlich bewältigen. Aber mich besorgt, dass ein zunehmend medial wahrnehmbarer Anteil der Bevölkerung seine Haltung zum Umgang mit der Pandemie mit individuellen Wünschen und nicht mit Fakten begründet. Häufig geht damit einher, dass als Richtschnur für die Beurteilung von Maßnahmen die eigene Person und ihr direktes Umfeld und nicht die Solidarität mit einem breiten gesellschaftlichen Umfeld genommen wird. Dies führt dazu, dass notwendige Regelungen als Gängelungen betrachtet werden und abgelehnt werden, weil man sie ablehnen will und nicht, weil sie nicht sinnvoll sind. Hier verschieben sich Realität und Wunschdenken.
Worüber haben Sie sich gefreut?
Über den Regen, der gerade jetzt so wichtig ist für unsere wunderschöne frühlingshafte Natur hier in Brandenburg.
Ihr Tipp zum Umgang mit der Krise?
Zum einen hilft es mir, die eigenen Freiräume, die der Pandemie-Alltag uns bietet, zu suchen und ganz bewusst zu gestalten. Dies kann etwas ganz kleines, wie etwa die halbe Stunde sein, die ich morgens länger Zeit habe, weil mein Arbeitsweg entfällt. Zum anderen hilft mir der Blick auf die Menschen um mich herum, um meine Situation einzuordnen. Ich bin nicht allein mit den Herausforderungen dieser Pandemie.
Alle Teile unserer Serie zum Nachlesen
Teil 1: Christian Neusser (42) über kleine Freuden im Corona-Alltag
Teil 2: Bei Eszter Kalmár (44) ist bisher alles entspannt
Teil 3: Jann Jakobs (66) über nervige Ignoranten und Panikmacher
Teil 4: Jihan Alam (44) nutzt die Zeit mit ihren Töchtern
Teil 5: Ute Parthum (54) freut sich über Kulturangebote im Internet
Teil 6: Wolfgang Bivour (70) ärgert sich über Hamsterkäufer
Teil 7: Uta Gerlant (54) freut sich über Menschen mit Improvisationstalent
Teil 8: Susanne Halke (41) tut der Dank der Kunden gut
Teil 9: Julien Norman Melke (26) meistert den harten Alltag
Teil 10: Jenny Gartemann (32) hat endlich Zeit zum Planen
Teil 11: Christine Anlauff (49) entdeckt Park Sanssouci neu
Teil 12: Ariane Füchtner (53) setzt auf Hüpfen und Yoga
Teil 13: Sven Stricker (49) bleibt ruhig und freundlich
Teil 14: Susanne Fienhold Sheen (53) wünscht sich mehr Contenance
Teil 15: Matthias Michel (49) behält seinen Galgenhumor
Teil 16: Lydia Poppe (59) geht gegen Ängste vor
Teil 17: Gisela Rüdiger (72) beschäftigt sich viel im Garten
Teil 18: Mathias Selbach (43) wünscht sich Licht am Ende des Tunnels
Teil 19: Björn O. Wiede (58) fehlen die Proben mit dem Nikolaichor
Teil 20: Marie-Luise Glahr (48) hat gut zu tun
Teil 21: Renate Schmidt-Reichstein hört auf das Glockenläuten
Teil 22: Marcus Golter (54) freut sich über Selfies und Spargel
Teil 23: Mytran Xhyra (44) hofft, dass weniger gemeckert wird
Teil 24: Else Vösgen (92) fehlen Umarmungen
Teil 25: Simon Plate (33) blickt zum Himmel
Teil 26: Anna Tauschke (38) geht raus in die Natur
Teil 27: Jenne Baule-Prinz (53) hat eine Liste zum Freuen
Teil 28: Christoph Freytag (37) ärgert sich über Panikmache
Teil 29: Jan Kretzschmar (49) versucht Ruhe zu bewahren
Teil 30: Carolin Huke (33) engagiert sich vielseitig
Teil 31: Nadja von Saldern (53) übt sich in Selbstliebe
Teil 32: Julia Förster (26) kommen die Belange der Kinder zu kurz
Teil 33: Fabian Vallone (24) ruft zu Unterstützung auf
Teil 34: Erich Benesch (57) radelt in Ruhe
Teil 35: Nina Gummich (28) hat ihre letzte Gage gespendet
Teil 36: Andrea Peters (56) freut sich, wenn es wieder losgehen kann
Teil 37: Matthias Müller (56) ist im Tiefschlaf
Teil 38: Anne Braun (34) gestaltet den Balkon opulent
Teil 39: Christine Handke (53) fehlt die Mimik
Teil 40: Claire Dörfer (43) wird nicht resignieren
Teil 41: Ludger Brands (63) steigt aufs Rennrad
Teil 42: Marianne Seibert (71) fehlt der Kontakt zu anderen Menschen
Teil 43: Thomas Drachenberg (57) bleibt gelassen
Teil 44: Jörg Schröder (60) freut sich über die kleinen Dinge des Lebens
Teil 45: Max Schäfer (17) empfiehlt, sich ein Projekt zu suchen
Teil 46: Annette Paul (49) will mehr lachen
Teil 47: Raimund Jennert (59) genießt die Pausen im Garten
Teil 48: Jaro Samuel Abraham (17) vermisst den politischen Protest
Teil 49: Antje Michel (46) simuliert ihren Arbeitsweg
Teil 50: Karin Junkel (69) bleibt gelassen
Teil 51: Werner Ruhnke (73) handelt tatkräftig
Teil 52: Herrmann A. Kremer (76) freut sich über die neue Atmosphäre
Teil 53: Daniel Vetter (39) genießt die kleinen Momente
Teil 54: Gunnar Belden (46) kann wieder mit den Kollegen Mittag essen
Teil 55: Matthias Noack (33) grüßt täglich das Murmeltier