Serie | Krisentagebuch: Nina Gummich (28) hat ihre letzte Gage gespendet
Wie erleben Potsdamerinnen und Potsdamer die Coronakrise? Das erzählen sie im Krisentagebuch der PNN. Heute berichtet Schauspielerin Nina Gummich aus Potsdam-West.
Potsdam - Wie erleben Potsdamerinnen und Potsdamer die Coronakrise? Wie kommen sie im neuen Alltag zurecht? Was bewegt sie – und was macht ihnen Freude? Wir führen ein Krisentagebuch und fragen nach, wie es den Menschen in unserer Stadt geht.
Wie sieht Ihr neuer Alltag aus?
Ich stehe auf, wenn ich fertig bin mit Schlafen. Das ist für mich Luxus. Vor dem Lockdown hat mein Wecker um 5 Uhr geklingelt und dann ging es zum Drehort von Charité 3. Ich koche Mittagessen für eine Quarantäne-Familie, die im gleichen Haus wohnt. Die alleinerziehende Mutter muss mit ihren drei Jungs jeden Tag Unterricht machen und so kann ich ihr etwas abnehmen. Ich mache Sport, schaue Serien, die ich verpasst habe und bereite neue Filmprojekte vor. Und dann geh ich schlafen – wann ich will.
Was fällt Ihnen in der momentanen Situation am schwersten?
Mich an eine Maske zu gewöhnen. Mir ist es schon passiert, dass ich sie vergessen habe und in ein Geschäft nicht hineinkam. Am Anfang habe ich manchmal meinen Pullover hochgezogen oder einen Schal umgebunden, dafür wurde ich einige Male harsch zurechtgewiesen. Manche scheinen Freude dabei zu empfinden, endlich einmal schimpfen zu können. Ich finde es traurig, Gesichter nicht sehen zu können. Mir fällt es schwer, die Leute zu verstehen, wenn ich die Münder nicht sehe. Und darunter entspannt zu atmen ist auch nicht ganz einfach.
Was ärgert Sie am meisten?
Dass manche die aktuelle Situation bewusst oder unbewusst ausnutzen, um endlich einen Schuldigen für ihre bestehende Unzufriedenheit zu finden. Man kann sich natürlich in diese Krise hineinsteigern, bis es einen von den eigenen Unzulänglichkeiten oder Gefühlen ablenkt. Ich habe am Theater eine sehr hilfreiche Erfahrung gemacht: Gib mir einen Quadratmeter und bau einen Zaun darum – dann werde ich in diesem Quadratmeter meine Freiheit suchen. Aber natürlich gibt es auch Menschen, die die aktuelle Lage hart trifft. Die sollte man jetzt unterstützen. Ich habe meine letzte Gage der Tanzakademie von Marita Erxleben gespendet.
Worüber haben Sie sich in den letzten Tagen gefreut?
Ich habe endlich meine Wohnung, in die ich vor fünf Jahren eingezogen bin, renoviert, sodass ich mich immer wohler fühle. Ich kann raus in die Natur gehen und habe auch nicht den Sinn im Leben verloren, weil meine Arbeit pausiert. Ich höre jetzt oft den Satz: „Eigentlich habe ich diese Auszeit mal gebraucht.“ Dem kann ich mich anschließen.
Ihr persönlicher Tipp zum Umgang mit der Krise?
Zwischendurch immer mal wieder die Außenperspektive annehmen und einfach schauen, was die Welt so macht. Lasst uns offen bleiben und im Dialog, auf uns selbst und aufeinander achten.
Alle Teile unserer Serie zum Nachlesen
Teil 1: Christian Neusser (42) über kleine Freuden im Corona-Alltag
Teil 2: Bei Eszter Kalmár (44) ist bisher alles entspannt
Teil 3: Jann Jakobs (66) über nervige Ignoranten und Panikmacher
Teil 4: Jihan Alam (44) nutzt die Zeit mit ihren Töchtern
Teil 5: Ute Parthum (54) freut sich über Kulturangebote im Internet
Teil 6: Wolfgang Bivour (70) ärgert sich über Hamsterkäufer
Teil 7: Uta Gerlant (54) freut sich über Menschen mit Improvisationstalent
Teil 8: Susanne Halke (41) tut der Dank der Kunden gut
Teil 9: Julien Norman Melke (26) meistert den harten Alltag
Teil 10: Jenny Gartemann (32) hat endlich Zeit zum Planen
Teil 11: Christine Anlauff (49) entdeckt Park Sanssouci neu
Teil 12: Ariane Füchtner (53) setzt auf Hüpfen und Yoga
Teil 13: Sven Stricker (49) bleibt ruhig und freundlich
Teil 14: Susanne Fienhold Sheen (53) wünscht sich mehr Contenance
Teil 15: Matthias Michel (49) behält seinen Galgenhumor
Teil 16: Lydia Poppe (59) geht gegen Ängste vor
Teil 17: Gisela Rüdiger (72) beschäftigt sich viel im Garten
Teil 18: Mathias Selbach (43) wünscht sich Licht am Ende des Tunnels
Teil 19: Björn O. Wiede (58) fehlen die Proben mit dem Nikolaichor
Teil 20: Marie-Luise Glahr (48) hat gut zu tun
Teil 21: Renate Schmidt-Reichstein hört auf das Glockenläuten
Teil 22: Marcus Golter (54) freut sich über Selfies und Spargel
Teil 23: Mytran Xhyra (44) hofft, dass weniger gemeckert wird
Teil 24: Else Vösgen (92) fehlen Umarmungen
Teil 25: Simon Plate (33) blickt zum Himmel
Teil 26: Anna Tauschke (38) geht raus in die Natur
Teil 27: Jenne Baule-Prinz (53) hat eine Liste zum Freuen
Teil 28: Christoph Freytag (37) ärgert sich über Panikmache
Teil 29: Jan Kretzschmar (49) versucht Ruhe zu bewahren
Teil 30: Carolin Huke (33) engagiert sich vielseitig
Teil 31: Nadja von Saldern (53) übt sich in Selbstliebe
Teil 32: Julia Förster (26) kommen die Belange der Kinder zu kurz
Teil 33: Fabian Vallone (24) ruft zu Unterstützung auf
Teil 34: Erich Benesch (57) radelt in Ruhe
Teil 35: Nina Gummich (28) hat ihre letzte Gage gespendet
Teil 36: Andrea Peters (56) freut sich, wenn es wieder losgehen kann
Teil 37: Matthias Müller (56) ist im Tiefschlaf
Teil 38: Anne Braun (34) gestaltet den Balkon opulent
Teil 39: Christine Handke (53) fehlt die Mimik
Teil 40: Claire Dörfer (43) wird nicht resignieren
Teil 41: Ludger Brands (63) steigt aufs Rennrad
Teil 42: Marianne Seibert (71) fehlt der Kontakt zu anderen Menschen
Teil 43: Thomas Drachenberg (57) bleibt gelassen
Teil 44: Jörg Schröder (60) freut sich über die kleinen Dinge des Lebens
Teil 45: Max Schäfer (17) empfiehlt, sich ein Projekt zu suchen
Teil 46: Annette Paul (49) will mehr lachen
Teil 47: Raimund Jennert (59) genießt die Pausen im Garten
Teil 48: Jaro Samuel Abraham (17) vermisst den politischen Protest
Teil 49: Antje Michel (46) simuliert ihren Arbeitsweg
Teil 50: Karin Junkel (69) bleibt gelassen
Teil 51: Werner Ruhnke (73) handelt tatkräftig
Teil 52: Herrmann A. Kremer (76) freut sich über die neue Atmosphäre
Teil 53: Daniel Vetter (39) genießt die kleinen Momente
Teil 54: Gunnar Belden (46) kann wieder mit den Kollegen Mittag essen
Teil 55: Matthias Noack (33) grüßt täglich das Murmeltier
Teil 56: Julia Ziemann (26) bringt die Tropenwelt ins Netz
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