Serie | Krisentagebuch: Ludger Brands (63) steigt aufs Rennrad
Wie erleben Potsdamerinnen und Potsdamer die Coronakrise? Das erzählen sie im Krisentagebuch der PNN. Heute berichtet Ludger Brands (63), Hochschullehrer für Entwurf und Konstruktion an der FH-Potsdam. Er wohnt in Neu Fahrland.
Wie erleben Potsdamerinnen und Potsdamer die Coronakrise? Wie kommen sie im neuen Alltag zurecht? Was bewegt sie – und was macht ihnen Freude? Wir führen ein Krisentagebuch und fragen nach, wie es den Menschen in unserer Stadt geht.
Wie sieht Ihr neuer Alltag aus?
Als Mitte März angekündigt wurde, dass die Präsenzlehre in den Brandenburgischen Hochschulen bis auf Weiteres nicht möglich sein würde, mussten wir im Studiengang Architektur und Städtebau sehr schnell auf digitale online-Lehrangebote umstellen, was erstaunlicherweise sehr gut funktioniert hat. Sehr schnell hat sich diese neue Arbeitsweise etabliert und der Digitalisierung einen enormen Schub verpasst. Um nicht ganz dem „Lagerkoller“ zu verfallen, also fünf Tage Lehre und Bürotätigkeit an einem Ort zu betreiben, setze ich mich gerne am Nachmittag zwei Stunden auf das Rennrad, denn das ganztägige Arbeiten vor dem Bildschirm ist schon eine gewisse Belastung.
Was fällt Ihnen in der momentanen Situation am schwersten?
Eine gewisse Monotonie der Tagesabläufe ohne die gewohnten Ortswechsel ist schon eine Herausforderung. Der nicht mögliche Besuch von Konzerten, Theater und Kino fehlt mir mittlerweile auch sehr. Ebenso die zurzeit nicht möglichen sozialen Kontakte zu Verwandten, Kollegen, und Freunden.
Was ärgert Sie am meisten?
Mangelnde Solidarität und grenzenloser Egoismus haben mich am Anfang schon massiv geärgert. Ich frage mich immer wieder, wie die Menschen in einer noch größeren Krise miteinander umgehen würden. Ich möchte es mir nicht wirklich vorstellen. Ebenso ärgerlich ist die Krisendauerbeschallung in den abendlichen Talkshows, wo es anscheinend keine anderen gesellschaftsrelevanten Themen mehr zu geben scheint. Das ist nicht hilfreich, einen gesunden Optimismus zu entwickeln. Das dritte Problem ist die hohe Anzahl völlig irrationaler Reaktionen von zunehmend in die Öffentlichkeit drängenden Demonstranten von links bis rechts auf die weitestgehend besonnenen Entscheidungen der Politik.
Worüber haben Sie sich in den letzten Tagen gefreut?
Die Öffnung der Gastronomie, wenn auch eingeschränkt, und die Rückkehr des öffentlichen städtischen Lebens ist ein guter Schritt in Richtung Lebensqualität und Lebensfreude. Die dortige Begegnung mit Freunden und Bekannten, wenn auch auf Distanz, sehe ich außerordentlich positiv.
Ihr persönlicher Tipp zum Umgang mit der Krise?
Ein ausgewogenes Verhältnis von Arbeit in der „Isolation“ und sportlicher Betätigung im Freien hilft bei der Gestaltung der Tagesabläufe. Aber vor allem sollte unsere Gesellschaft aus den in den letzten zwei Monaten gewonnenen neuen Erfahrungen lernen, also scharfe Analyse, Evaluation und daraus zu ziehende richtige sowie notwendige Konsequenzen mit Mut zur Veränderung.
Alle Teile unserer Serie zum Nachlesen
Teil 1: Christian Neusser (42) über kleine Freuden im Corona-Alltag
Teil 2: Bei Eszter Kalmár (44) ist bisher alles entspannt
Teil 3: Jann Jakobs (66) über nervige Ignoranten und Panikmacher
Teil 4: Jihan Alam (44) nutzt die Zeit mit ihren Töchtern
Teil 5: Ute Parthum (54) freut sich über Kulturangebote im Internet
Teil 6: Wolfgang Bivour (70) ärgert sich über Hamsterkäufer
Teil 7: Uta Gerlant (54) freut sich über Menschen mit Improvisationstalent
Teil 8: Susanne Halke (41) tut der Dank der Kunden gut
Teil 9: Julien Norman Melke (26) meistert den harten Alltag
Teil 10: Jenny Gartemann (32) hat endlich Zeit zum Planen
Teil 11: Christine Anlauff (49) entdeckt Park Sanssouci neu
Teil 12: Ariane Füchtner (53) setzt auf Hüpfen und Yoga
Teil 13: Sven Stricker (49) bleibt ruhig und freundlich
Teil 14: Susanne Fienhold Sheen (53) wünscht sich mehr Contenance
Teil 15: Matthias Michel (49) behält seinen Galgenhumor
Teil 16: Lydia Poppe (59) geht gegen Ängste vor
Teil 17: Gisela Rüdiger (72) beschäftigt sich viel im Garten
Teil 18: Mathias Selbach (43) wünscht sich Licht am Ende des Tunnels
Teil 19: Björn O. Wiede (58) fehlen die Proben mit dem Nikolaichor
Teil 20: Marie-Luise Glahr (48) hat gut zu tun
Teil 21: Renate Schmidt-Reichstein hört auf das Glockenläuten
Teil 22: Marcus Golter (54) freut sich über Selfies und Spargel
Teil 23: Mytran Xhyra (44) hofft, dass weniger gemeckert wird
Teil 24: Else Vösgen (92) fehlen Umarmungen
Teil 25: Simon Plate (33) blickt zum Himmel
Teil 26: Anna Tauschke (38) geht raus in die Natur
Teil 27: Jenne Baule-Prinz (53) hat eine Liste zum Freuen
Teil 28: Christoph Freytag (37) ärgert sich über Panikmache
Teil 29: Jan Kretzschmar (49) versucht Ruhe zu bewahren
Teil 30: Carolin Huke (33) engagiert sich vielseitig
Teil 31: Nadja von Saldern (53) übt sich in Selbstliebe
Teil 32: Julia Förster (26) kommen die Belange der Kinder zu kurz
Teil 33: Fabian Vallone (24) ruft zu Unterstützung auf
Teil 34: Erich Benesch (57) radelt in Ruhe
Teil 35: Nina Gummich (28) hat ihre letzte Gage gespendet
Teil 36: Andrea Peters (56) freut sich, wenn es wieder losgehen kann
Teil 37: Matthias Müller (56) ist im Tiefschlaf
Teil 38: Anne Braun (34) gestaltet den Balkon opulent
Teil 39: Christine Handke (53) fehlt die Mimik
Teil 40: Claire Dörfer (43) wird nicht resignieren
Teil 41: Ludger Brands (63) steigt aufs Rennrad
Teil 42: Marianne Seibert (71) fehlt der Kontakt zu anderen Menschen
Teil 43: Thomas Drachenberg (57) bleibt gelassen
Teil 44: Jörg Schröder (60) freut sich über die kleinen Dinge des Lebens
Teil 45: Max Schäfer (17) empfiehlt, sich ein Projekt zu suchen
Teil 46: Annette Paul (49) will mehr lachen
Teil 47: Raimund Jennert (59) genießt die Pausen im Garten
Teil 48: Jaro Samuel Abraham (17) vermisst den politischen Protest
Teil 49: Antje Michel (46) simuliert ihren Arbeitsweg
Teil 50: Karin Junkel (69) bleibt gelassen
Teil 51: Werner Ruhnke (73) handelt tatkräftig
Teil 52: Herrmann A. Kremer (76) freut sich über die neue Atmosphäre
Teil 53: Daniel Vetter (39) genießt die kleinen Momente
Teil 54: Gunnar Belden (46) kann wieder mit den Kollegen Mittag essen
Teil 55: Matthias Noack (33) grüßt täglich das Murmeltier
Teil 56: Julia Ziemann (26) bringt die Tropenwelt ins Netz
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