Serie | Krisentagebuch: Matthias Müller (56) ist im Tiefschlaf
Wie erleben Potsdamerinnen und Potsdamer die Coronakrise? Das erzählen sie im Krisentagebuch der PNN. Heute berichtet Matthias Müller (56), Technikchef und Bühnen-/Kostümbildner am Hans Otto Theater, der in der Nauener Vorstadt wohnt.
Wie erleben Potsdamerinnen und Potsdamer die Coronakrise? Wie kommen sie im neuen Alltag zurecht? Was bewegt sie – und was macht ihnen Freude? Wir führen ein Krisentagebuch und fragen nach, wie es den Menschen in unserer Stadt geht.
Wie sieht Ihr neuer Alltag aus?
Im Theater herrscht im Moment eine ungewohnte Stille, die ich so noch nie erlebt habe – keine Vorstellungen, keine Zuschauer, keine Schauspieler und keine Proben. Der komplette Theaterbetrieb hat durch Corona eine Vollbremsung erlebt. In den letzten Wochen konnten wir in der Bühnentechnik und Beleuchtung zumindest Wartungsarbeiten durchführen, den Bühnenboden streichen und die Magazine aufräumen. Das sind Arbeiten, die wir normalerweise im laufenden Spielbetrieb nicht leisten können. Derzeit sind wir aber hauptsächlich damit beschäftigt, den kommenden neuen Theateralltag zu organisieren. Hygienevorschriften und Abstandsregeln müssen eingehalten werden, was uns vor große Herausforderungen stellt, gerade auf den Probebühnen, in den Umkleiden und Sanitärräumen.
Wie die Regieteams und Schauspieler und Schauspielerinnen mit diesen außergewöhnlichen Probebedingungen kreativ umgehen werden, wird sich dann zeigen. Gleichzeitig planen wir schon für die Wiedereröffnung des Theaters. Dafür müssen wir Corona-Sitzpläne erstellen und vor allem den Ein- und Auslass des Publikums neu strukturieren. Jeden Tag ergeben sich dabei neue große und kleine Probleme, die es für die nächsten Monate noch zu lösen gilt. Die Kollegen und Kolleginnen der Bühnentechnik, der Werkstätten und das Ensemble sind seit kurzem zu großen Teilen in Kurzarbeit. Das Theater befindet sich in einem Tiefschlaf, aus dem es hoffentlich bald wiedererwacht.
Was fällt Ihnen in der momentanen Situation am schwersten?
Aufgrund der Planungsunsicherheit, die die Theater gerade durchmachen, wird es immer schwerer, Tag für Tag neue Pläne und Szenarien für die kommende Spielzeit und den damit verbundenen Arbeitsalltag der Kolleginnen und Kollegen zu planen, zu erklären, sie zu vertrösten und all dies verständlich zu machen. Es hat sehr lange gedauert, bis eine Entscheidung gefallen ist, wie lange die Theater in Brandenburg nun geschlossen bleiben. Die spannendste Frage aber ist, wann dürfen sie wieder öffnen? Danach richtet sich die ganze Planung der kommenden Spielzeit. Ich denke allerdings, wir sind auf einem sehr guten Weg.
Was ärgert Sie am meisten?
Dass die Kultur und insbesondere die Theater bislang in der bundesweiten öffentlichen Diskussion um die Lockerungen in der Coronapandemie kaum eine Rolle gespielt haben. Die Wertschätzung der Menschen, die in den Potsdamer Kultureinrichtungen unter einem hohen persönlichen Einsatz für sehr wenig Geld arbeiten, lässt sehr zu wünschen übrig und spiegelt den doch geringen politischen Stellenwert wider.
Worüber haben Sie sich in den letzten Tagen gefreut?
Dass ich nach einer tagelangen Suche nach Roggenmehl endlich im Unverpackt-Laden „maßVoll“ am Luisenplatz doch noch fündig geworden bin und anschließend endlich mein erstes Brot backen konnte!
Ihr persönlicher Tipp zum Umgang mit der Krise?
Die einfachen Dinge wieder wertschätzen zu lernen und sich mal fragen: Was ist mir eigentlich wirklich wichtig im Leben?
Alle Teile unserer Serie zum Nachlesen
Teil 1: Christian Neusser (42) über kleine Freuden im Corona-Alltag
Teil 2: Bei Eszter Kalmár (44) ist bisher alles entspannt
Teil 3: Jann Jakobs (66) über nervige Ignoranten und Panikmacher
Teil 4: Jihan Alam (44) nutzt die Zeit mit ihren Töchtern
Teil 5: Ute Parthum (54) freut sich über Kulturangebote im Internet
Teil 6: Wolfgang Bivour (70) ärgert sich über Hamsterkäufer
Teil 7: Uta Gerlant (54) freut sich über Menschen mit Improvisationstalent
Teil 8: Susanne Halke (41) tut der Dank der Kunden gut
Teil 9: Julien Norman Melke (26) meistert den harten Alltag
Teil 10: Jenny Gartemann (32) hat endlich Zeit zum Planen
Teil 11: Christine Anlauff (49) entdeckt Park Sanssouci neu
Teil 12: Ariane Füchtner (53) setzt auf Hüpfen und Yoga
Teil 13: Sven Stricker (49) bleibt ruhig und freundlich
Teil 14: Susanne Fienhold Sheen (53) wünscht sich mehr Contenance
Teil 15: Matthias Michel (49) behält seinen Galgenhumor
Teil 16: Lydia Poppe (59) geht gegen Ängste vor
Teil 17: Gisela Rüdiger (72) beschäftigt sich viel im Garten
Teil 18: Mathias Selbach (43) wünscht sich Licht am Ende des Tunnels
Teil 19: Björn O. Wiede (58) fehlen die Proben mit dem Nikolaichor
Teil 20: Marie-Luise Glahr (48) hat gut zu tun
Teil 21: Renate Schmidt-Reichstein hört auf das Glockenläuten
Teil 22: Marcus Golter (54) freut sich über Selfies und Spargel
Teil 23: Mytran Xhyra (44) hofft, dass weniger gemeckert wird
Teil 24: Else Vösgen (92) fehlen Umarmungen
Teil 25: Simon Plate (33) blickt zum Himmel
Teil 26: Anna Tauschke (38) geht raus in die Natur
Teil 27: Jenne Baule-Prinz (53) hat eine Liste zum Freuen
Teil 28: Christoph Freytag (37) ärgert sich über Panikmache
Teil 29: Jan Kretzschmar (49) versucht Ruhe zu bewahren
Teil 30: Carolin Huke (33) engagiert sich vielseitig
Teil 31: Nadja von Saldern (53) übt sich in Selbstliebe
Teil 32: Julia Förster (26) kommen die Belange der Kinder zu kurz
Teil 33: Fabian Vallone (24) ruft zu Unterstützung auf
Teil 34: Erich Benesch (57) radelt in Ruhe
Teil 35: Nina Gummich (28) hat ihre letzte Gage gespendet
Teil 36: Andrea Peters (56) freut sich, wenn es wieder losgehen kann
Teil 37: Matthias Müller (56) ist im Tiefschlaf
Teil 38: Anne Braun (34) gestaltet den Balkon opulent
Teil 39: Christine Handke (53) fehlt die Mimik
Teil 40: Claire Dörfer (43) wird nicht resignieren
Teil 41: Ludger Brands (63) steigt aufs Rennrad
Teil 42: Marianne Seibert (71) fehlt der Kontakt zu anderen Menschen
Teil 43: Thomas Drachenberg (57) bleibt gelassen
Teil 44: Jörg Schröder (60) freut sich über die kleinen Dinge des Lebens
Teil 45: Max Schäfer (17) empfiehlt, sich ein Projekt zu suchen
Teil 46: Annette Paul (49) will mehr lachen
Teil 47: Raimund Jennert (59) genießt die Pausen im Garten
Teil 48: Jaro Samuel Abraham (17) vermisst den politischen Protest
Teil 49: Antje Michel (46) simuliert ihren Arbeitsweg
Teil 50: Karin Junkel (69) bleibt gelassen
Teil 51: Werner Ruhnke (73) handelt tatkräftig
Teil 52: Herrmann A. Kremer (76) freut sich über die neue Atmosphäre
Teil 53: Daniel Vetter (39) genießt die kleinen Momente
Teil 54: Gunnar Belden (46) kann wieder mit den Kollegen Mittag essen
Teil 55: Matthias Noack (33) grüßt täglich das Murmeltier
Teil 56: Julia Ziemann (26) bringt die Tropenwelt ins Netz
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