Serie | Krisentagebuch: Renate Schmidt-Reichstein hört auf das Glockenläuten
Wie erleben Potsdamerinnen und Potsdamer die Coronakrise? Das erzählen sie im Krisentagebuch der PNN. Heute berichtet Renate Schmidt-Reichstein, Großmutter und Ehrenamtlerin, die in Potsdam-West lebt.
Potsdam - Wie erleben Potsdamerinnen und Potsdamer die Coronakrise? Was bewegt sie – und was macht ihnen Freude? Wir führen ein Krisentagebuch und fragen nach, wie es den Menschen in unserer Stadt geht.
Wie sieht Ihr neuer Alltag aus?
Ich lebe mit meinem Mann in Potsdam-West, ich bin im Ruhestand. Aus gesundheitlichen Gründen und aus Lebensfreude bewege ich mich viel an der frischen Luft, oft gemeinsam mit meinem Mann oder mit einer Nachbarin. Das Singen im Chor fehlt mir sehr, zum Glück sind Klavier und Akkordeon geblieben.
Was fällt Ihnen in der momentanen Situation am schwersten?
Die Kontaktbeschränkungen einzuhalten. Ich bin ein geselliger Mensch. Jede Woche einmal war ich bei den Enkelkindern in Berlin und mindestens einmal pro Woche mit geflüchteten Kindern aus der Gemeinschaftsunterkunft Zeppelinstraße zusammen. Wir haben gespielt, Klänge ausprobiert und waren nach Möglichkeit oft in der Westkurve. Seit Wochen geht das nicht mehr, die Westkurve – sonst so ein wunderbarer Begegnungsort – ist verwaist. Traurig.
Was ärgert Sie am meisten?
Momentan wird der Wiedereröffnung von Friseuren und Gaststätten mehr Aufmerksamkeit geschenkt als der Frage, wann und wie Kitas wieder eröffnen. Per Telefon erleben wir, wie belastend das für junge Familien ist. Plötzlich sind die meisten Unterstützungsnetzwerke weggebrochen. Unsere Schwiegertochter wollte wieder in die Berufstätigkeit einsteigen. Aber es gibt weder Zusagen für die Betreuung der beiden Kinder noch Vorbereitungszeit für den Wiedereinstieg ins Lehramt, ganz zu schweigen von einer jetzt eigentlich nötigen Erholungszeit vor dem Schulstress. Die jungen Familien sehnen sich nach einer Perspektive.
Worüber haben Sie sich in den letzten Tagen gefreut?
Dass unser Ehrenamtsteam auch in Krisenzeiten miteinander verbunden bleibt und wir gemeinsam neue Wege suchen, die von Corona betroffenen Kinder zu unterstützen. Momentan versuchen wir, Kindern in Quarantäne per Telefon Hausaufgabenhilfe zu geben.
Ihr persönlicher Tipp im Umgang in der Krise?
Ein strukturierter Tagesablauf. Zum Beispiel mittags und abends auf das Glockenläuten zu hören, für mich ist das mit einem Vaterunser verbunden.
Alle Teile unserer Serie zum Nachlesen
Teil 1: Christian Neusser (42) über kleine Freuden im Corona-Alltag
Teil 2: Bei Eszter Kalmár (44) ist bisher alles entspannt
Teil 3: Jann Jakobs (66) über nervige Ignoranten und Panikmacher
Teil 4: Jihan Alam (44) nutzt die Zeit mit ihren Töchtern
Teil 5: Ute Parthum (54) freut sich über Kulturangebote im Internet
Teil 6: Wolfgang Bivour (70) ärgert sich über Hamsterkäufer
Teil 7: Uta Gerlant (54) freut sich über Menschen mit Improvisationstalent
Teil 8: Susanne Halke (41) tut der Dank der Kunden gut
Teil 9: Julien Norman Melke (26) meistert den harten Alltag
Teil 10: Jenny Gartemann (32) hat endlich Zeit zum Planen
Teil 11: Christine Anlauff (49) entdeckt Park Sanssouci neu
Teil 12: Ariane Füchtner (53) setzt auf Hüpfen und Yoga
Teil 13: Sven Stricker (49) bleibt ruhig und freundlich
Teil 14: Susanne Fienhold Sheen (53) wünscht sich mehr Contenance
Teil 15: Matthias Michel (49) behält seinen Galgenhumor
Teil 16: Lydia Poppe (59) geht gegen Ängste vor
Teil 17: Gisela Rüdiger (72) beschäftigt sich viel im Garten
Teil 18: Mathias Selbach (43) wünscht sich Licht am Ende des Tunnels
Teil 19: Björn O. Wiede (58) fehlen die Proben mit dem Nikolaichor
Teil 20: Marie-Luise Glahr (48) hat gut zu tun
Teil 21: Renate Schmidt-Reichstein hört auf das Glockenläuten
Teil 22: Marcus Golter (54) freut sich über Selfies und Spargel
Teil 23: Mytran Xhyra (44) hofft, dass weniger gemeckert wird
Teil 24: Else Vösgen (92) fehlen Umarmungen
Teil 25: Simon Plate (33) blickt zum Himmel
Teil 26: Anna Tauschke (38) geht raus in die Natur
Teil 27: Jenne Baule-Prinz (53) hat eine Liste zum Freuen
Teil 28: Christoph Freytag (37) ärgert sich über Panikmache
Teil 29: Jan Kretzschmar (49) versucht Ruhe zu bewahren
Teil 30: Carolin Huke (33) engagiert sich vielseitig
Teil 31: Nadja von Saldern (53) übt sich in Selbstliebe
Teil 32: Julia Förster (26) kommen die Belange der Kinder zu kurz
Teil 33: Fabian Vallone (24) ruft zu Unterstützung auf
Teil 34: Erich Benesch (57) radelt in Ruhe
Teil 35: Nina Gummich (28) hat ihre letzte Gage gespendet
Teil 36: Andrea Peters (56) freut sich, wenn es wieder losgehen kann
Teil 37: Matthias Müller (56) ist im Tiefschlaf
Teil 38: Anne Braun (34) gestaltet den Balkon opulent
Teil 39: Christine Handke (53) fehlt die Mimik
Teil 40: Claire Dörfer (43) wird nicht resignieren
Teil 41: Ludger Brands (63) steigt aufs Rennrad
Teil 42: Marianne Seibert (71) fehlt der Kontakt zu anderen Menschen
Teil 43: Thomas Drachenberg (57) bleibt gelassen
Teil 44: Jörg Schröder (60) freut sich über die kleinen Dinge des Lebens
Teil 45: Max Schäfer (17) empfiehlt, sich ein Projekt zu suchen
Teil 46: Annette Paul (49) will mehr lachen
Teil 47: Raimund Jennert (59) genießt die Pausen im Garten
Teil 48: Jaro Samuel Abraham (17) vermisst den politischen Protest
Teil 49: Antje Michel (46) simuliert ihren Arbeitsweg
Teil 50: Karin Junkel (69) bleibt gelassen
Teil 51: Werner Ruhnke (73) handelt tatkräftig
Teil 52: Herrmann A. Kremer (76) freut sich über die neue Atmosphäre
Teil 53: Daniel Vetter (39) genießt die kleinen Momente
Teil 54: Gunnar Belden (46) kann wieder mit den Kollegen Mittag essen
Teil 55: Matthias Noack (33) grüßt täglich das Murmeltier
Teil 56: Julia Ziemann (26) bringt die Tropenwelt ins Netz
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