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Das Rote Rathaus - Zentrum Berliner Politik
© CaptureLight/iStockphoto

Ein Jahr Rot-Rot-Grün in Berlin: So hat sich der Senat bisher geschlagen

Nach einem Jahr "R2G" in Berlin ziehen wir eine Zwischenbilanz. Was haben die Senatorinnen und Senatoren bisher erreicht? Und wo hakt es noch?

Am 8. Dezember 2016 trat in Berlin die erste rot-rot-grüne Koalition ihr Amt an. Die Erwartungen waren groß, bei den Wählern wie bei den politischen Akteuren. Zum Jahrestag ziehen wir eine Zwischenbilanz und analysieren, wie sich die Senatorinnen und Senatoren bisher geschlagen haben, was "R2G" für die Stadt erreicht hat – und wo es noch hakt.

Der Berliner Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD).
Der Berliner Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD).
© Britta Pedersen/dpa

Michael Müller – Regierender Bürgermeister

Michael Müller (SPD) bleibt sich treu. Auch im ersten Jahr von Rot-Rot-Grün hat der Regierende Bürgermeister sein Amt so ausgeübt, wie man es vorher schon kannte. Mit großem Fleiß und gutem Willen, aber führungsschwach und ohne Glanz. Ein Verwalter der Regierungsmacht. Von ihm gehen kaum Impulse aus, sagen auch Senatskollegen.

Der rumpelige Start, der SPD, Linke und Grüne seit dem 8. Dezember 2016 viel Sympathie und Vertrauen gekostet hat, hängt auch mit Müllers Unvermögen zusammen, den Laden souverän zusammenzuhalten. Außerdem hängt dem Regierungschef, wie seinem Vorgänger und Parteifreund Klaus Wowereit, der Flughafen BER wie ein Klotz am Bein – auch wenn er den Vorsitz im Aufsichtsrat abgegeben hat.

Und der Volksentscheid zur Offenhaltung des City-Airports Tegel war auch deshalb erfolgreich, weil Müller und sein wenig kompetenter Beraterkreis im Roten Rathaus zu spät auf die brisante Bürgerbefragung reagierten.

Zugute halten kann man ihm den Abschluss eines soliden Hauptstadtfinanzierungsvertrags mit dem Bund, die Pflege der Städtepartnerschaften und sein persönliches Engagement für internationale Städte-Netzwerke, in denen Berlin eine aktive Rolle spielt.

In Meinungsumfragen ist Müller so unbeliebt wie kein Regierender Bürgermeister vor ihm. Auch die Werte für die SPD, deren Landeschef er ist, sind katastrophal schlecht. Der ungelöste Machtkampf mit dem SPD-Fraktionschef Raed Saleh trägt auch nicht dazu bei, Müllers Stellung im politischen Raum zu stabilisieren.

Wissenschaft und Forschung

Der Regierende mag viele Probleme haben – die Wissenschaft gehört nicht dazu. Sie ist eine Wohlfühlzone für Michael Müller, der in Personalunion Wissenschaftssenator ist. Müller übernahm ein gut bestelltes Feld, und er und sein umtriebiger Staatssekretär Steffen Krach können auf weitere Erfolge verweisen. Die Hochschulverträge, die 3,5 Prozent höhere Zuschüsse vorsehen, wurden binnen kurzer Zeit ausverhandelt.

Bei der Fortsetzung der Exzellenzinitiative ist Berlin auf gutem Weg: Im ersten Vorentscheid schnitt kein Standort so gut wie die Hauptstadt ab. Beim Thema Digitalisierung, das Müller besonders am Herzen liegt, gewann Berlin das vom Bund mit vielen Millionen geförderte Deutsche Internet-Institut. Aus den Hochschulen ist denn auch keine Kritik an Müller zu hören.

Ganz ohne Probleme geht es dennoch nicht: Die Gründung des Islam-Instituts an der HU bleibt wegen Querelen mit den muslimischen Verbänden eine schwebende Affäre. An der Charité geht unter Professoren die Angst um, dass nach all den Kürzungen der vergangenen Jahre die wissenschaftliche Substanz verloren geht.

Immerhin: Auch für die Charité gibt es mehr Geld. Die Stunde der Wahrheit schlägt für den Wissenschaftssenator ohnehin erst 2019. Dann werden endgültig die neuen Exzellenzunis gekürt. FU, HU und TU treten als Verbund an. Alles andere als ein Durchmarsch wäre ein großer Rückschlag für die Stadt.

Sandra Scheeres – Bildung, Jugend, Familie

Familiensenatorin Sandra Scheeres (SPD)
Familiensenatorin Sandra Scheeres (SPD)
© Sophia Kembowski/dpa

Der Schwung des Neuanfangs ist verflogen: Wer noch vor einem Jahr glaubte, dass Sandra Scheeres aus ihrer fünfjährigen Senatserfahrung würde Kapital schlagen können, wurde eines besseren belehrt. Selbst Regierungsanfänger wie Regine Günther haben ihr erstes Jahr erfolgreicher hinter sich gebracht als Scheeres ihr sechstes Jahr – und das, obwohl die Zusammenarbeit zwischen SPD-Fraktion und Bildungsverwaltung als „viel konstruktiver“ geschildert wird als in Scheeres’ erster Legislaturperiode.

Auch die Tatsache, dass sie das Wissenschaftsressort abgeben konnte, hat nicht dazu beigetragen, dass sich die Sozialdemokratin stärker im Bildungsbereich hervorgetan hätte. Im Gegenteil. „Alles Innovative kommt aus den Fraktionen oder von ihrem Staatssekretär Mark Rackles“, heißt es unisono.

Das gelte etwa für die Bekämpfung des Lehrermangels und auch für die Entscheidung, den türkischen Konsulatsunterricht nicht mehr stoisch hinzunehmen. Rackles war es denn auch, der dem Unterricht „deutliche religiöse und nationalistische Inhalte“ bescheinigte, nachdem Scheeres bei dem Thema monatelang abgetaucht war. Da hilft es auch nichts, dass die Senatorin im Jugendbereich einiges bewegt, wie Kita-Fachleute ihr – etwa hinsichtlich des erweiterten Betreuungsanspruchs - bescheinigen.

„Scheeres gilt als schwächstes Glied im Senat“, heißt es aus Koalitionskreisen. Ihre „wacklige“ Position habe sich noch dadurch verschlechtert, dass sie „unsouverän“ mit Kritik umgehe.

Matthias Kollatz-Ahnen – Finanzen

Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD)
Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD)
© Britta Pedersen/dpa

Er ist eine Schlüsselfigur im Berliner Senat. Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) managt den Landeshaushalt, die Finanzämter und den gigantischen Schuldenberg, er kontrolliert das öffentliche Vermögen und ist jetzt auch für das Landespersonal zuständig.

Der smarte Parteilinke gilt als Arbeitstier, Kollegen und Genossen wissen, dass man von ihm auch nachts um drei Uhr noch eine Mail erhalten kann. Kollatz-Ahnen bevorzugt klar strukturierte Konzepte, Politik aus dem Bauch heraus ist nicht sein Ding. Im Hintergrund werkelt für ihn eine personell gut ausgestattete Finanzverwaltung mit einem erfahrenen und kompetenten Führungsstab.

Und – der Senator hat das Glück des Tüchtigen: Dank des Wirtschaftsbooms sprudeln die Steuereinnahmen üppig und die niedrigen Zinsen dämpfen die Schuldenlast Berlins enorm. Seit der Wende 1990 waren die finanziellen Spielräume für die Landesregierung noch nie so groß.

Trotzdem muss Kollatz-Ahnen schwierige Aufgaben erst noch lösen: Die milliardenschwere Investitionsoffensive des Senats muss für die Bürger sichtbar umgesetzt werden. Die zweite Großbaustelle, für die Kollatz-Ahnen maßgeblich mit in der Verantwortung steht, ist die personelle Ausstattung der Verwaltung. Hohe Fluktuation und Krankenstände, Fachkräftemangel und eine immer noch schlechte Bezahlung erschweren die für Berlin lebenswichtige Wiederbelebung des öffentlichen Dienstes massiv.

Der Finanzsenator muss erst noch beweisen, wie stressfest und durchsetzungsfähig er ist.

Dilek Kolat – Gesundheit, Pflege, Gleichstellung

Die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD)
Die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD)
© Britta Pedersen/dpa

Im zweiten Anlauf klappt es manchmal besser. Die ehemalige Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD) stand fast schon auf dem Abstellgleis und musste, um in der Regierung zu bleiben, zwangsweise das Senatsressort wechseln. Seit einem Jahr kümmert sich die ehrgeizige und machtbewusste Politikerin um die Berliner Gesundheitspolitik, einschließlich Pflege und Gleichstellung.

Kolat legte einen Schnellstart hin, mit tatkräftiger Hilfe ihres Staatssekretärs Boris Velter (SPD), der ein exzellenter Gesundheitsexperte ist. Kolats Schwerpunkte, mit denen sie schon ein erkennbares Profil gewonnen hat: Die Stärkung der Alten- und Krankenpflege, die Reform der bezirklichen Gesundheitsämter, der Abbau des Sanierungsstaus in den kommunalen Krankenhäusern und die Besserstellung der Hebammen.

Dabei gelang es der gut vernetzten SPD-Politikerin, die eigene Partei und Fraktion ins Boot zu holen. Denn Gesundheit und Pflege kosten viel Geld und benötigen die rechtliche und politische Unterstützung von Bund und Ländern. Kolat wird zwar nachgesagt, mit der öffentlichen Verwaltung zu fremdeln und ihre Mitarbeiter zu nerven, aber Parteipolitik kann sie umso besser.

Die Sozialdemokratin weiß auch, wie man sich zur richtigen Zeit gut verkauft. So brachte sie vor ein paar Tagen noch schnell einen Plan zur „Eliminierung von Masern und Röteln“ durch den Senat. Das passte gut für die Ein-Jahres-Bilanz. Auf der Beliebtheitsskala des Instituts Forsa ist die Gesundheitssenatorin inzwischen auf den dritten Platz vorgerückt.

Klaus Lederer – Kultur und Europa

Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke).
Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke).
© Jörg Carstensen/dpa

Klaus Lederer schlägt sich ganz gut. Vor allem hat er keine Angst davor, sich zu schlagen, nach seinen Überzeugungen zu handeln. Zum Beispiel beim PopKultur-Festival im Sommer: Da gab es den Boykottaufruf wegen der Teilnahme einer israelischen Musikerin. Diesen Boykottaufruf fand er widerlich.

Oder bei der Schloss-und Kreuz-Debatte: „Ein Kreuz hat auf dem Schloss nichts zu suchen.“ Und zuletzt im Fall der Preisverleihung im Babylon-Kino an den zwielichtigen Neurechten Ken Jebsen: Die ließ er von Amts wegen untersagen.

Fragt man aber die Leute auf der Straße, nach Klaus Lederer, würden die meisten wohl sagen: Das ist doch der Frank-Castorf-Fan, der würde den neuen Volskbühnen-Intendanten Chris Dercon doch am liebsten wieder loswerden. Lederer hat aus seiner Abneigung gegen die Berufung tatsächlich keinen Hehl gemacht.

Wirklich geschickt aber war das nicht, und geschickt hat er sich auch nicht verhalten, als die Volksbühne besetzt wurde. Da hätte es sicher viel früher eine Räumung geben müssen. Lederer, das weiß man, hat mit Hochkultur nicht so viel am Revers, mit den sogenannten Leuchttürmen.

Er schätzt die Basis- und Kiezkultur, hat gerade die Kinder- und Jugendtheater mit mehr Geld ausgestattet, einen neuen Festival-Fonds mit immerhin 4,2 Millionen Euro eingerichtet. Und er will die Tariferhöhungen für die Angestellten kultureller Institutionen bezahlen. Das war lange keine Selbstverständlichkeit. Was Lederer bisher gemach hat, war Kärrner-Arbeit. Das ist unglamourös, damit kommt man nicht ins Fernsehen.

Elke Breitenbach – Integration, Arbeit, Soziales

Arbeitssenatorin Elke Breitenbach (Die Linke).
Arbeitssenatorin Elke Breitenbach (Die Linke).
© Kai-Uwe Heinrich

Ihr Ressort ist das Aushängeschild. Elke Breitenbach (Linke) hat mit der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales ein für die rot-rot-grüne Regierung zentrales Ressort übernommen. Und ein schwieriges. In der Hochphase der Flüchtlingskrise war Ex-Sozialsenator Mario Czaja (CDU) über die Überlastung des damals noch für die Registrierung der Flüchtlinge zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) fast gestürzt. Die Lage hat sich entspannt.

Die Umsteuerung begann also schon der Vorgänger-Senat, deshalb konnte Breitenbachs Verwaltung recht früh Erfolge verzeichnen: Der Freizug der Turnhallen beispielsweise wurde Ende März, und damit wie angekündigt im ersten Quartal, erreicht. Auch andere Notunterkünfte konnten freigemacht werden.

Eins der drängendsten Probleme ist die steigende Obdach- und Wohnungslosigkeit in Berlin. Beim Umgang mit Camps im Großen Tiergarten – dem Einrichten einer Taskforce und Polizeiverstärkung – waren einige Sozialarbeiter vom Senat enttäuscht. Die Linken betonen: Die Kältehilfe ist mit 1000 Plätzen in diesem Winter, derzeit sind es noch 989, so stark wie nie. Breitenbach führt ihr Wunschressort aus Überzeugung.

Für die Anhebung von Mietübernahmen für Hartz-IV-Empfänger hatte sie aus der Opposition bereits gestritten. In diesem Jahr hat sie es zum Januar 2018 hin umgesetzt. Am Erfolg Elke Breitenbachs wird sich die gesamte Linke messen lassen müssen. Auf der Beliebtheitsskala des Instituts Forsa steht sie auf dem sechsten Platz – und damit genau in der Mitte.

Katrin Lompscher – Stadtentwicklung, Wohnen

Katrin Lompscher (Die Linke), Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen
Katrin Lompscher (Die Linke), Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen
© Senatsverwaltung für Stadtentwicklung

Ein Jahr nach dem Linksruck bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sind in der Immobilienbranche auch mal Sätze wie dieser zu hören: „Die hat als Vollideologin angefangen, ist aber pragmatisch geworden.“ Das ist fast schon ein Kompliment, zumal die gelernte Stadtplanerin bisher vor allem auffiel durch Bremsversuche: den Mietenanstieg, Bauplanungen, sogar den Ausbau von Dachgeschossen.

Sozialistisch inspirierter Dirigismus sei das, schimpfen böse Zungen, zumal die Senatorin Siedlungsprojekte links liegen ließ, obwohl die wachsende Stadt so dringend neue Wohnungen braucht. Namhafte Planer beklagen, Lompscher habe keine Vision für die Stadt. Und die landeseigenen Wohnungsunternehmen mahnen an, sie möge das Klima für Neubau nicht vergiften. Damit zielen sie auf Lompschers Lieblingsprojekt, ein neues Format für Bürgerbeteiligung zu entwickeln, um Proteste bei Neubauvorhaben zu entschärfen.

Das kostet Zeit, die viele Berliner nicht haben. Beinahe täglich formieren sich neue Initiativen von Mietern, deren Haus verkauft wird, denen höhere Mieten und Verdrängung droht. Zumal Alternativen fehlen: Die Zahl der Sozialwohnungen sinkt rapide trotz neuer Förderung. Und es entstehen zu wenig neue Wohnungen, um die wachsende Zahl der Berliner zu versorgen.

Allmählich verlieren auch die Koalitionspartner die Geduld. Lompscher sei nicht konfliktfähig, ist zu hören, sie schotte sich ab, sogar gegen Initiativen und Aktivisten, die eine linke Wohnungspolitik voranbringen könnten. Das könnte ihr gefährlich werden.

Ramona Pop – Wirtschaft, Energie, Betriebe

Ramona Pop (B90/Die Grünen), Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe
Ramona Pop (B90/Die Grünen), Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe
© Thilo Rückeis

Mit Ramona Pop sind wieder mehr Ruhe und Frieden eingezogen ins alte „Olex-Haus“ an der Schöneberger Martin-Luther-Straße, dem Sitz ihrer Verwaltung, und in die Berliner Wirtschaft insgesamt. Anders als ihre Vorgängerinnen Sybille von Obernitz (parteilos, für CDU) und Cornelia Yzer (CDU) liefert sich die einstige Fraktionschefin der Grünen kaum Scharmützel mit den Spitzen diverser Kammern und Verbände. Das ist noch kein Wert an sich, denn Reibung erzeugt ja auch Wärme, es gab und gibt Gründe, einige Strukturen der Berliner Wirtschaft zu hinterfragen.

Auf der anderen Seite konnte Pop mit ihrem konsensorientierten Stil auch ein paar Dinge bewegen: Sie hat die Messe juristisch neu aufgestellt, um neue Kongressbauten zu finanzieren und das ICC zu retten. Pop treibt auch die Pläne für ein kommunales Stadtwerk voran, hat ein Tourismuskonzept vorgelegt, das die Besucherströme auch in die schönen Stadtteile außerhalb des S-Bahn-Rings lenken soll.

Auch der Steuerungskreis Industriepolitik, den die Vorgängerin Yzer für Zeitverschwendung hielt, wurde neu zum Leben erweckt. Dieses Forum ist einigen Großunternehmen (und der Industrie- und Handelskammer) sehr wichtig. Das hat Firmen wie Siemens und General Electric nicht davon abgehalten, Jobkiller-Pläne für Berlin vorzulegen und auch Air Berlin wird durch Pop nicht wieder lebendig. Aber Harmonie ist auch eine Strategie. Und die verfängt zumindest bei Michael Müller, der sich nicht mehr im Wochentakt auf Kosten seiner Wirtschaftssenatorin zu profilieren versucht.

Dirk Behrendt – Justiz, Verbraucherschutz

Justizsenator Dirk Behrendt (Bündnis 90/Die Grünen)
Justizsenator Dirk Behrendt (Bündnis 90/Die Grünen)
© Jörg Carstensen/dpa

Die Unisex-Toilette wird Justizsenator Dirk Behrendt wohl bis ans Ende seiner Tage verfolgen, war es doch eine seiner ersten Amtshandlungen, sich dafür stark zu machen. Wer darin falsche Prioritätensetzung sehen wollte, bekam schnell weitere Indizien – die Meldungen aus dem Hause Behrendt betrafen oft Hunde, Pferde oder Schweine, selten Haftanstalten, Staatsanwälte und Gerichte.

Tatsächlich fühlt sich die Justiz von Behrendt nicht als wichtig angesehen, und auch die Art, wie er versucht, Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers als neue Generalstaatsanwältin zu installieren, wird als ein Durchdrücken seiner Kandidatin gegen alle Widerstände gewertet.

Auf der Haben-Seite lässt sich dennoch einiges verbuchen. So hat Behrendt bei den Haushaltsverhandlungen eine Menge zusätzliche Stellen herausgeschlagen. Kehrseite: Erstens sind sie nicht leicht zu besetzen, und zweitens wissen die Gerichtspräsidenten nicht wohin mit den neuen Kollegen. Der Platzmangel ist eins der drängendsten Probleme; hier hat sich nichts bewegt. Auch die versprochenen neuen Sitzungssäle gibt es nicht.

Überproportional aufgestockt werden Stellen bei der Antidiskriminierung in ihren verschiedensten Varianten, es gibt sogar eine neue Beratungsstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt. Gestärkt wurde ebenfalls der Opferschutz. Nach langer Zeit hat die Staatsanwaltschaft wieder einen Chef, der nicht nur kommissarisch auf dem Posten ist – die Stelle des vor anderthalb Jahren nach Brandenburg gewechselten Andreas Behm wurde jetzt mit Jörg Raupach auch offiziell besetzt.

Regine Günther – Umwelt, Verkehr, Klimaschutz

Verkehrssenatorin von Berlin, Regine Günther (parteilos)
Verkehrssenatorin von Berlin, Regine Günther (parteilos)
© Paul Zinken/dpa

Öffentlich ist Regine Günther in erster Linie die Radverkehrssenatorin. Doch in ihrem ersten Amtsjahr hat die in der Landesverwaltung neue Klimaexpertin keinen Radschnellweg und keinen extrabreiten Schutzstreifen eröffnet. Auch das Mobilitätsgesetz, das den Vorrang der umweltfreundlichen Verkehrsarten regelt, hängt noch in den Abstimmungsmühlen – was die Initiatoren des Fahrrad-Volksentscheids verärgert, zumal die Meldungen über dramatische Unfälle nicht abreißen.

Dass auf der Straße bisher keine Fortschritte ankommen, liegt am Vorlauf, den Planungen nun mal haben. Und angeschoben wurde viel, von Schnellweg-Studien über neue Baustandards bis zur Besetzung zusätzlicher Stellen. Das Jahr 2018 wird das entscheidende sein, von dem an die Verwaltung liefern muss – und zwar großflächig. Geld steht bereit.

Parallel hat das nach grünen Wünschen neu gestrickte Ressort dicke Bretter angebohrt, etwa den extrem komplizierten Neubau der Rudolf-Wissell-Brücke und die Entlastung der Stadt vom Lieferverkehr. Aber auch hier stehen Resultate noch aus – ebenso wie bei der Bekämpfung von Luftverschmutzung und Lärm. Nach langem Vorlauf nun schneller vorangekommen sind die Planungen für neue Straßenbahnstrecken.

Ein Großprojekt für Jahrzehnte wird der Klimaschutz. Das verbindliche Konzept zur CO2-Neutralität geht wohl im Januar durchs Parlament. Parallel läuft eine Untersuchung, wie die Wärmeversorgung der Stadt klimafreundlich werden kann. Umsetzung? Folgt – und bietet viel Konfliktstoff.

Andreas Geisel – Inneres und Sport

Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD)
Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD)
© Michael Kappeler/dpa

Der Mann hat viel am Hacken. Andreas Geisel (SPD) führt das Innenressort, ihm unterstellt ist damit auch das immer wieder durch Pannen aufgefallene Landeskriminalamt (LKA). Auch aus der Polizeiakademie gab es ungute Nachrichten über Respektlosigkeit der Polizeischüler und mutmaßliche Verbindungen ins kriminelle Milieu.

Geisel, ehemals Bausenator, was er gerne geblieben wäre, musste in diesem Jahr einige „Fehler finden und benennen“, wie er bei verschiedenen Gelegenheiten sagte. Dabei ist er bei den Berlinern nicht unbeliebt, steht immerhin auf Platz fünf der Forsa-Skala.

Und ihm ist der Rückhalt des Regierenden Bürgermeisters stets sicher. Allerdings wird gerade nach dem Terroranschlag im vergangenen Dezember im Bereich Sicherheit viel von ihm erwartet. Die Polizei wurde jahrelang runtergespart, das ist jetzt anders. Mehr Stellen, Schutzwesten, Helme, Dienstwaffen sind fest eingeplant. Auch mobile Wachen und Videoüberwachung an kriminalitätsbelasteten Orten.

Umgesetzt ist davon noch nicht viel – es brauche Zeit, heißt es. Detaillierte Pläne hat Geisel vorgelegt, dafür gab es Lob von Seiten der Polizeigewerkschaften. Ein weiterer Berliner Problem-Dauerbrenner sind die Terminvergaben, etwa beim Bürgeramt. Das Ziel der 14-Tage-Frist kann derzeit nur eingehalten werden, wenn die Bürger flexibel beim Standort des Bürgeramts sind. Das sorgt für Frust.

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