Streit um Preis für Ken Jebsen: Die Linke im Kampf gegen die Querfront
Die Linke solidarisiert sich mit ihrem Berliner Kultursenator Klaus Lederer. Aber er hat auch erbitterte Gegner.
Die geplante Verleihung eines alternativen "Karlspreises" an den im Verschwörungstheoretiker-Milieu beheimateten Ex-RBB-Moderator Ken Jebsen wird zu einer immer größeren Belastungsprobe für die Linkspartei. Der Parteivorstand solidarisierte sich mit dem Berliner Kultursenator Klaus Lederer, der gegen die Preisverleihung im Berliner Babylon-Kino protestiert hatte. Die Veranstalter der Preisverleihung dagegen rufen für den 14. Dezember vor der Preisverleihung zu einer Kundgebung vor der Parteizentrale der Linken auf, auch Linken-Politiker wie der frühere Vize-Fraktionschef Wolfgang Gehrcke sollen dort laut Ankündigung sprechen.
In einem am Sonntag gefassten Beschluss unter der Überschrift "Klare Kante gegen Querfront" distanzierte sich der Parteivorstand "unmissverständlich von Aktivitäten von Rechtspopulisten, Nationalisten, Verschwörungstheoretikern und Antisemiten, die rechtspopulistische Welterklärungsmuster und ,Querfront'-Strategien salonfähig machen wollen". Die Linke werde mit diesen Kräften "ganz grundsätzlich nicht zusammenarbeiten", heißt es in dem von Vize-Parteichefin Caren Lay initiierten Beschluss, der nach Angaben aus der Partei allerdings nicht einmütig gefasst wurde: Es hat demnach 18 Ja-Stimmen, sieben Nein-Stimmen und fünf Enthaltungen gegeben.
Der innerparteiliche Konflikt in der Linken war weiter eskaliert, nachdem die Veranstalter der Preisverleihung für "engagierte Literatur und Publizistik" an Jebsen am Freitag angekündigt hatten, beim Protest vor der Linken-Parteizentrale solle auch der niedersächsische Bundestagsabgeordnete Diether Dehm, ein Vertrauter von Fraktionschefin Sahra Wagenknecht teilnehmen. Organisiert wird die Preisverleihung von dem Online-Portal "Neue Rheinische Zeitung".
"Einfach nur widerwärtig"
Der Landesgeschäftsführer der Berliner Linken, Sebastian Koch, warf Dehm eine "widerliche Kampagne" gegen Lederer vor: "Mit links sein und unserer Partei hat das nichts mehr zu tun." Die thüringische Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss nannte den geplanten Protest vor der Linken-Parteizentrale "einfach nur widerwärtig". Die sachsen-anhaltische Landtagsabgeordnete Henriette Quade twitterte: "Klaus Lederer macht, was alle linken Politiker*innen tun sollten: Haltung zeigen und linke Politik machen. Wär schön wenn das die Bundesprominenz meiner Partei auch täte. Wär ihr Job und grad dringend nötig."
Die thüringische Bundestagsabgeordnete Martina Renner sagte dem Tagesspiegel mit Blick auf den für den 14. Dezember geplanten Protest vor der Linken-Parteizentrale: "Sollte diese Aktion tatsächlich stattfinden, wäre das ein Schlag ins Gesicht aller in dieser Partei und Fraktion, die sich entschieden gegen Antisemitismus, egal in welcher Spielart und unter welchem Deckmantel engagieren. Ein Schlag ins Gesicht des beliebtesten Linken-Politikers in Berlin. Ich würde mir wünschen, dass wie Petra Pau als Mitglied des Fraktionsvorstandes der gesamte Vorstand und auch die Fraktionsspitze klar Stellung bezieht." Eine Reaktion der Fraktionsführung blieb indes bis zum Montag aus.
Lederer hatte den Unmut auch eigener Genossen auf sich gezogen, indem er sich offen gegen die Preisverleihung an Jebsen im Babylon-Kino gestellt hatte. Auf Facebook schrieb er, "ein Kulturort in Berlin" dürfe "diesem Jahrmarkt der Verschwörungsgläubigen und Aluhüte" keine Bühne bieten. Der Kultursenator bescheinigte Jebsen einen "offen abgründigen Israelhass" und die "Verbreitung typisch antisemitischer Denkmuster". Seinen Staatssekretär ließ er im staatlich geförderten Kino anrufen, das daraufhin den Raum kündigte.
Dehm und Gehrcke warfen Lederer Zensur vor
Dehm und Gehrcke wiederum veröffentlichten anschließend einen Aufruf, in dem sie auch mit Blick auf Lederer mehr gemeinsame Aktionen "gegen den zerstörerischen Ungeist von Stigmatisierungen und Zensur" verlangten, ausdrücklich auch innerhalb der Partei. Lederer warf seinen Parteifreunden Dehm und Gehrcke vor, einen Shitstorm gegen ihn angezettelt zu haben. Die beiden Genossen hätten "viel Kraft darin investiert, damit Leute mich per Mail und Posts als Noske, Arschloch, Faschisten, Zensor und Grundgesetzbrecher denunzieren", twitterte er am Wochenende.
Wie die Preisverleihung an Jebsen am 14. Dezember nun im Detail abläuft, ist offen. Dehm schrieb am Samstag auf Facebook mit Blick auf die Protestkundgebung vor der Linken-Parteizentrale, es sei "ziemlich unwahrscheinlich, dass ich da sein kann". Er werde "nicht gegen die Partei reden oder agieren". Dehm fügte jedoch hinzu: "Allerdings würde ich mir als Künstler von meiner Partei auch nie ein Lied untersagen lassen." Gegen Lederer holte er zu einer weiteren Attacke aus und warf ihm vor, er habe "flapsig und selbstherrlich Leute in die Nähe von Nazis" gerückt. Am Montag nahm die "Neue Rheinische Zeitung" Dehms Namen vom Ankündigungsflyer.
Klage gegen Babylon-Kino?
Unklar ist, ob die Preisverleihung an Jebsen nicht doch im Babylon-Kino stattfinden wird. Aus der Linkspartei verlautete, die "Neue Rheinische Zeitung" habe das Filmtheater auf Einhaltung des geschlossenen Vertrags für die Raummiete verklagt. Andreas Neumann, Mitherausgeber des Online-Portals, sagte dem Tagesspiegel am Montag, eine Absage wäre "vertragswidrig", mehr wolle er dazu nicht sagen. "Querfront" und "Verschwörungstheoretiker" nannte er "Kampfbegriffe, mit denen notwendige Bündnisse kaputtgemacht werden sollen".