Berliner Polizeischüler: "Gravierende Verstöße im Einzelfall"
Ein neuer Untersuchungsbericht der Berliner Polizei sieht Mängel bei Polizeischülern Eine Unterwanderung der Polizei durch kriminelle Clans aber gebe es nicht.
Ausbilder an der ins Gerede gekommenen Berliner Polizeiakademie bemängeln an Polizeischülern, dass Sozialtugenden wie Pünktlichkeit, Höflichkeit oder die Bereitschaft zur Anstrengung „nicht mehr in sehr hohem Maße“ vorhanden seien. Massive Störungen gibt es nach Einschätzung von Lehrkräften nicht, aber „gravierende Verstöße im Einzelfall“, heißt es in einem Untersuchungsbericht der Polizeiführung. Die Analyse, die der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag vorlag, hatte Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) angefordert.
"Polizeischüler aus Zuwandererfamilien sind nicht die Ursache für problematisches Verhalten"
Anonym geäußerte Vorwürfe zu den Zuständen an der Ausbildungsstätte für den mittleren Dienst hatten tagelang für Wirbel gesorgt. Die Rede war von Disziplinlosigkeit, Lernverweigerung und Aggression in einer Klasse mit vielen Schülern aus Einwandererfamilien. Die ebenfalls behauptete Unterwanderung der Akademie durch kriminelle Clans hatten sowohl Geisel als auch Polizeipräsident Klaus Kandt kategorisch ausgeschlossen. Jetzt heißt es in dem Bericht, der hohe Anteil von Polizeischülern aus Zuwandererfamilien sei nicht Ursache für problematisches Verhalten.
Polizeischüler fühlen sich "ausländerfeindlich behandelt"
Ausführlich wird auf den Erfahrungsbericht eines Ausbilders eingegangen. Dieser hatte das Verhalten von Polizeischülern mit Migrationshintergrund als „frech wie Sau“ beschrieben und ihnen unterstellt, sie seien der Polizei eigentlich feindlich gesinnt. Der stellvertretende Klassenlehrer, intern zu den Vorwürfen befragt, erklärte, er habe solches Verhalten in der Klasse nicht festgestellt. Auch die Schüler selbst wiesen die Darstellungen von sich. Sie hätten in der besagten Unterrichtsstunde allenfalls Konzentrationsprobleme gehabt, weil es nicht genügend Pausen gegeben habe. Der Ausbilder habe seinerseits wenig Interesse am Unterricht gezeigt und „oft zu seinem Handy gegriffen“. Einige Schüler fühlten sich von ihm „ausländerfeindlich behandelt und ausgegrenzt.“
Die Zahl der Disziplinarverfahren wegen Fehlverhaltens von Polizeianwärtern sei in den vergangenen Jahren – proportional zu den steigenden Schülerzahlen – nicht angestiegen. Der Anteil der Verfahren gegen Anwärter mit Migrationshintergrund sei nicht höher als der gegen Polizeischüler deutscher Herkunft. Generell werden die meisten Disziplinarverfahren gegen Anwärter geführt, 2016 und 2017 richteten sich sogar alle 65 Verfahren gegen Azubis oder Studenten der verschiedenen Polizeilaufbahnen.
Die in den Medien berichteten Fälle führten meist nicht zu Disziplinarverfahren oder Entlassungen. Dass ein Polizeianwärter bei einer Razzia in einer Bar angetroffen wurde, in der auch ein polizeibekannter „Anhänger einer rockerähnlichen Gruppierung“ verkehre, begründe nicht seine Entlassung, heißt es. Dass er den Kollegen seinen Polizeiausweis zeigte, was nicht zulässig ist, überschreite nicht die „Schwelle eines Dienstvergehens“.
Massenschlägerei unter Polizeischülern? Erfunden
Ein weiterer Anwärter hatte bei einem Pornofilm mitgewirkt, zeigte aber „Einsichtsfähigkeit in sein Fehlverhalten“. Gerüchte, es sei im Januar 2017 zu einer Massenschlägerei in der Kantine der Polizeiakademie gekommen, zwischen türkischen und arabischen Schülern, hätten wochenlang „in Polizeikreisen kursiert“, sich aber „im Wesentlichen“ als erfunden erwiesen. Der FDP-Politiker Marcel Luthe sagte dem Tagesspiegel, es sei „nicht überraschend", dass die Polizei viele Vorwürfe nicht erhärten konnte. „Was soll die Polizeiführung auch anderes schreiben, wenn die Vorwürfe sich gegen die Personalpolitik der Führung richten?“ Luthe fordert die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Polizeiakademie.
„Strukturelles Machotum an der Polizeiakademie“
Eine wichtige Erkenntnis des Berichts ist für ihn das „strukturelle Machotum an der Polizeiakademie“ durch die Einstellungspolitik der für Personal zuständigen Vizepräsidentin Margarete Koppers. „Während bei Nichtmigranten etwa jeder dritte Neuzugang weiblich ist, war es bei den Eingestellten mit Migrationshintergrund gerade mal jeder elfte. Daraus erklären sich teilweise die Berichte über sexuelle Diskriminierung durch Mitauszubildende.“(mit dpa)