Fremdenverkehr in der Hauptstadt: Wirtschaftssenatorin legt neues Tourismuskonzept für Berlin vor
Stadtrand statt Brandenburger Tor, Qualitäts-Tourismus statt Sauftouren: Die Innenbezirke sollen entlastet werden – auch von nervigen Gefährten.
Die Bierbikes, rollende Zapfanlagen mit grölenden und betrunkenen Touristen an Bord, sollen jetzt auch aus dem Berliner Straßenbild verschwinden. Dem Vorbild anderer Großstädte im In- und Ausland folgend will Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) ein stadtweites Verbot der seltsamen Verkehrshindernisse durchsetzen. Sie werden von den Vermietern als „Kult-Fahrrad“ angepriesen, mit denen man zu jedem spaßigen Anlass „durch die Mitte Berlins“ touren könne.
Seit Jahren wird darüber diskutiert, aber bisher weitgehend folgenlos. „Ich will die Bierbikes abschaffen“, sagte Pop dem Tagesspiegel. Und zwar im Rahmen eines neuen Tourismuskonzepts für die deutsche Hauptstadt, das der Senat voraussichtlich auf einer Klausurtagung im Januar beschließen wird.
Im Vordergrund solle künftig die „Stadtverträglichkeit“ des Tourismus stehen, so die Grünen-Politikerin. Berlin brauche mehr „Qualitäts-Tourismus“, auch solle der weltweite Trend, dass Reisende das normale Alltagsleben und die Menschen am Besuchsort kennenlernen wollen, aufgegriffen werden. Um die Berliner, denen die vielen Gäste der Stadt manchmal auf die Nerven fallen, besser einzubeziehen, ist die Gründung eines Bürgerbeirats geplant – als Ergänzung zum „Runden Tisch Tourismus“, der schon 2003 gegründet wurde. „Eine Art Frühwarnsystem“, sagt Pop. Um mit den Betroffenen vor Ort Probleme zu klären, die durch die massive Präsenz von Touristen entstehen.
Die Wirtschaftssenatorin will auch eine räumliche Entzerrung der Touristenströme erreichen, indem die ebenfalls attraktiven Außenbezirke (beispielsweise Spandau oder Treptow-Köpenick) eigene Werbekampagnen entwickeln. Zu ihrem Konzept gehört auch eine Umrüstung von Sightseeing-Bussen auf Elektrobetrieb, außerdem sollen Reisebusse möglichst aus der Innenstadt ferngehalten werden. Der Ausbau der Radwege auch für die Gäste Berlins, mehr öffentliche Toiletten und die Ausweitung der Parkreinigung in den „touristischen Hotspots“ gehört ebenfalls zu Pops Plan.
„Wir arbeiten seit Monaten mit Hochdruck am neuen Tourismusplan“
Die Wirtschaftssenatorin weiß, dass diese Ideen nur schrittweise umsetzbar sind, die öffentliche Verwaltung und private Betreiber müssten tatkräftig mitziehen. Die Bezirke seien inzwischen mit im Boot. Am vergangenen Freitag gab es noch einmal ein Treffen mit Politikern, Organisationen, Verbänden und Initiativen. „Wir arbeiten seit Monaten mit Hochdruck am neuen Tourismusplan“, sagt Pop. Gemeinsam mit Visit Berlin, dem offiziellen „Reiseportal“ der Stadt, das zu einer Tourismus-Management-Gesellschaft ausgebaut werden soll. Fachliche Unterstützung kommt von der DWIF Consulting GmbH, einer international agierenden Tourismusberatung, und von der Humboldt Innovationsgesellschaft, eine Tochtergesellschaft der Berliner Universität.
Senatorin Pop geht davon aus, dass die Regierungsfraktionen SPD, Linke und Grüne das neue Konzept unterstützen und dass die notwendigen Gelder in den nächsten beiden Jahren auch zur Verfügung stehen. Im nationalen Vergleich könne Berlin sich damit an die Spitze setzen. Eine engere Zusammenarbeit mit dem Nachbarn Brandenburg ist bisher allerdings nicht vorgesehen. Den Tourismus-gestressten Berlinern verspricht Pop: „Wir haben verstanden und kümmern uns.“
Im vergangenen Jahr kamen 12,7 Millionen Besucher nach Berlin, es wurden 31,1 Millionen Übernachtungen gezählt. Die Zahlen steigen jährlich, allerdings nicht mehr so stark wie früher. Terrorgefahr und Flüchtlingskrise schrecken potenzielle Besucher ab. Darunter leidet beispielsweise das touristische Asiengeschäft. Knapp die Hälfte der Touristen kommt aus dem Ausland. Die deutsche Hauptstadt ist bei den Briten, Amerikanern und Spaniern besonders beliebt.