Neue Hochschulverträge: Berliner Hochschul-Frühling
Die Präsidenten und der Regierende Bürgermeister loben die neuen Univerträge. Die Hochschulen bekommen mehr Geld - aber auch mehr Aufgaben.
Über Berlins Hochschulen scheint die Sonne: „In der 20-jährigen Geschichte der Berliner Hochschulverträge gab es keinen größeren finanziellen Aufwuchs“, sagte FU-Präsident Peter-André Alt am Dienstag im Roten Rathaus. Dort stellten der Regierende Bürgermeister Michael Müller und Steffen Krach, Staatssekretär für Wissenschaft, die Hochschulverträge für die fünf Jahre von 2018 bis 2022 vor. Sie seien in dem „Rekordtempo“ von nur acht Wochen verhandelt worden, sagte Müller. UdK-Präsident Martin Rennert fügte hinzu: „Das ist nicht nur deutlich schneller als sonst.“ Früher hätten die Hochschulen bis zur Einigung durchaus ein Jahr mit dem Senat gerungen. „Das Ergebnis ist auch besser als sonst.“ Die Hochschulen sähen in dem Ergebnis eine Anerkennung für ihre Leistungen. „Das ist mein persönliches Anliegen“, sagte Müller. Die Wissenschaft habe für Berlins Entwicklung höchste Bedeutung.
Die Hochschulpräsidenten betonten, trotz aller Einzelinteressen der jeweiligen Hochschulen sei man in den Verhandlungen, anders als dies etwa in Flächenländern üblich sei, „als Solidargemeinschaft“ aufgetreten.
Schon im Koalitionsvertrag war beschlossen worden, dass die Mittel für die Hochschulen um jährlich 3,5 Prozent angehoben werden. Erhalten die Hochschulen im Jahr 2017 noch 1,18 Millionen Euro, sollen es 1,40 Milliarden Euro am Ende der Vertragslaufzeit im Jahr 2022 sein. Der Zuwachs beläuft sich also auf rund 221 Millionen. Mit diesen Mitteln sind Kostensteigerungen auszugleichen, etwa bei den Tarifen. Bereits enthalten sind auch eine ganze Reihe von verschiedenen Spezialaufgaben der einzelnen Hochschulen, darunter die Lehrerausbildung. Nach den bisherigen Berechnungen würde die FU im Jahr 2022 einen Zuschuss von 381 Millionen Euro haben (2017: 328 Millionen Euro). Der Zuschuss der HU würde von 241 Millionen Euro auf 293 Millionen Euro ansteigen, der der TU von 310 Millionen Euro auf 354 Millionen Euro.
Lehrkräftebildung
Bis zum Jahr 2022 sollen die Universitäten statt der bisher vom Senat verlangten jährlich 1000 Absolventen des Lehramtsstudiums 2000 bereitstellen. In den kommenden fünf Jahren fließen dorthin 70 Millionen Euro. Neu ist, dass Berlin den Hochschulen auch vorschreibt, wie viele Absolventen sie jeweils für die einzelnen Schularten und Fächern produzieren sollen: 800 für die Grundschulen, 1050 für die Gymnasien und Sekundarschulen, 150 für die Berufsschulen. Unter den bei Studierenden nicht gut nachgefragten Fächern ist etwa Physik. Hier sollen die Unis jährlich 110 Absolventen für das Lehramt an Oberschulen bereitstellen, für Chemie 105, für Mathe 240.
Gegen die hohe Vorgabe von 2000 Absolventen hatten sich die Unis energisch gewehrt. Auch am Dienstag verwiesen die Präsidenten darauf, dass das Interesse von Abiturienten am Lehrerberuf von den Hochschulen nur bedingt zu steuern ist. „Wir sind zuversichtlich, dass es uns gelingt, junge Menschen davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, aufs Lehramt zu studieren“, sagte FU-Präsident Alt aber. Die UdK, die hohe Vorgaben im Bereich Kunst und Musik umzusetzen hat (je 60 Absolventen für die Grundschulen und 85 beziehungsweise 65 für die Oberschulen), hofft etwa darauf, prekär beschäftigte Künstlerinnen und Künstler zum Umsatteln bewegen zu können oder Lehrkräfte an Musikschulen zu sich herüberzuziehen. Dabei könnte das neue Berliner Lehrkräftebildungsgesetz eher im Weg stehen: Es verlangt auch Kunst- und Musiklehrerinnen und -lehrern an Grundschulen hohe Studienanteile in Deutsch und Mathematik ab.
Die Unis sollen spezielle Masterstudiengänge für Quereinsteiger (weiter-) entwickeln. Entsprechende Angebote gibt es bereits an der FU und der TU.
„Gute Arbeit“
Unter dieser Überschrift steigt die Mindestvergütung für die Lehrbeauftragten von 24,50 Euro auf 35 Euro im Jahr 2018 und ab 2019 auf 37,50 Euro. Die Hochschulen werden dazu verpflichtet, ihren Anteil von dauerhaft Beschäftigten auf 35 Prozent zu erhöhen. Hierin enthalten sind bereits die Professoren, die etwa an der FU einen Anteil von 12 Prozent am entfristeten Personal ausmachen. Die Folgen sind für die einzelnen Unis höchst unterschiedlich. Die Humboldt-Universität liegt schon jetzt aus historischen Gründen bei einem Anteil von 35 Prozent Entfristeten, wie FU-Präsident Alt sagte. Die FU steht bei 27 oder 28 Prozent. Für die TU, die bei unter 20 Prozent liegt, wurde extra eine Sonderregelung geschaffen. Hier muss der Anteil der Entfristeten jährlich um fünf Prozent steigen. Alt sagte, durch die hohen Drittmitteleinnahmen hätten befristete Arbeitsverhältnisse stark zugenommen: „Eine gute Mischung ist wichtig.“
Förderung der Forschung
Berlins drei große Universitäten bewerben sich gemeinsam im nächsten Exzellenzwettbewerb. Als Anschubfinanzierung, die helfen soll, den Antrag vorzubereiten, gibt es vom Land insgesamt etwa 3,5 Millionen Euro in den Jahren 2018 und 2019.
Um die Integrationsforschung weiter zu stärken, bekommt das neue Berliner Institut für Integrations- und Migrationsforschung an der HU im Vertragszeitraum zusätzlich 3,8 Millionen Euro.
Mittelbau an Fachhochschulen
Die Fachhochschulen können wie berichtet erstmals Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter aufbauen. Insgesamt bekommen sie dafür in fünf Jahren 28 Millionen Euro. Damit kann für vier Professuren eine Mittelbaustelle geschaffen werden, insgesamt 180 bis 200 Stellen. „Mit den Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter wird ein neues Kapitel aufgeschlagen“, sagte Andreas Zaby, der Präsident der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR). Die Hochschulen würden nun damit beginnen, ihren Mittelbau sukzessive aufzubauen. Auch von den neuen Mittelbaustellen an den Fachhochschulen müssen 35 Prozent entfristet sein.
Zaby lobte auch, dass die Hochschulverträge „klare Ansagen zur Promotion“ enthalten. Bisher haben sich die Fakultäten der Universitäten, die allein das Promotionsrecht haben, bei der Promotion von Fachhochschulabsolventen sehr zurückhaltend gezeigt. Der Kummer der Fachhochschulen und Ermahnungen aus der Politik haben daran nichts geändert.
Digitalisierung
Damit die Hochschulen die Digitalisierung in Forschung und Lehre voranbringen und die IT-Versorgung an ihren Instituten und Fakultäten erneuern können, stellt der Senat 28 Millionen Euro bereit.
Investive Zuschüsse
Die Mittel für die Bauunterhaltung werden ab dem Jahr 2019 um jährlich 3,5 Prozent angehoben. Die Hochschulen hätten sich hier erheblich höhere Zuwächse gewünscht.
„Strukturelle Innovationen“
Dazu zählt der Senat den Aufbau eines Instituts für Islamische Theologie an der Humboldt-Universität. Es soll wie berichtet vier Professuren haben und seinen Betrieb bereits im Wintersemester 2018/2019 aufnehmen. Im Jahr 2022 wächst der Zuschuss für das Institut auf 3,6 Millionen Euro an. Im Hochschulvertrag wurde ein Szenario festgehalten, wonach die FU ihre beiden Professuren für Katholische Theologie an die HU abgibt. Dort könnte dann bald eine große multireligiöse Fakultät entstehen. Allerdings wünscht sich die FU, die beiden Professuren dann in ihrem Strukturplan weiterhin behalten zu können, etwa, um die Archäologie noch weiter zu stärken.
Leistungsbezogene Mittelvergabe
Wie bislang bekommen die Berliner Hochschulen den größten Anteil ihrer Mittel nach Leistungsindikatoren in den Bereichen Forschung, Lehre und Gleichstellung. Allerdings soll fortan ein etwas größerer Anteil leistungsunabhängig fließen, nämlich 45 Prozent. Einen anderen Teil ihrer Mittel bekommen die Hochschulen für jeden Studierenden im ersten Hochschulsemester. Das entspricht der Logik des Hochschulpakts, aus dem jährlich 144 Millionen Euro an die Hochschulen fließen. Schon um diese Mittel weiterhin zu bekommen, müssen die Berliner Hochschulen auch zukünftig sehr hohe Studierendenzahlen aufnehmen und mit Raumknappheiten und Überlastung in stark nachgefragten Fächern leben.
Erreichen die Hochschulen die vorgegebenen Studierendenzahlen nicht, werden sie vom Senat finanziell bestraft. Allerdings wird dies nicht mehr geschehen, wenn einzelne Hochschulen hinter ihrem Soll zurückbleiben, über ganz Berlin hinweg die Auslastung aber dennoch erreicht wird. Bleibt die Studierendenzahl über ganz Berlin hinter dem Soll hinweg, werden die Hochschulen einzeln für ihre Versäumnisse sanktioniert. Mit dieser neuen Regelung werden die FHs etwas besser gestellt, die anders als die Unis keine Massenvorlesungen anbieten können und darum immer größere Schwierigkeiten hatten, ihre Zielzahlen zu erreichen.
Der Hochschulpakt läuft allerdings im Jahr 2020 aus. Wie es weitergeht, ist völlig ungewiss. Die Unionsfraktion im Bundestag hat schon erklärt, dass sie eine Verlängerung ausschließt. Die SPD will den Pakt im Gegenteil auf Dauer zu stellen.
Anja Kühne