Neues Mobilitätsgesetz: Berliner Senat will Nah- und Radverkehr zügig stärken
Der Entwurf für ein bundesweit einmaliges Mobilitätsgesetz ist fertig - als Reaktion auf das Fahrrad-Volksbegehren. Fußgänger müssen aber noch warten.
Über 100.000 Berliner haben sich vor 18 Monaten per Volksbegehren für ein Radgesetz eingesetzt. Jetzt liegt der Entwurf dafür vor; eingebettet in ein neues Mobilitätsgesetz, zu dem neben einem allgemeinen Teil auch ein neu gefasstes Gesetz für den öffentlichen Nahverkehr gehört.
Das bundesweit einmalige Gesetz solle den Nah- und Radverkehr stärken, sagte Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) am Freitag. „Je mehr Menschen auf Bus, Bahn oder Fahrrad umsteigen können und wollen, desto schneller kommen auch die voran, die auf das Auto angewiesen bleiben.“
Fußgänger, immerhin die größte Gruppe unter den Verkehrsteilnehmern, müssen sich noch etwas gedulden: Ihr Part soll – zusammen mit der „Intelligenten Mobilität“ – erst im nächsten Jahr folgen. Die bisherigen Eckpunkte im Überblick.
Sicherheit
Mit dem Gesetz soll die Zahl der bei Unfällen getöteten oder verletzten Radfahrer verringert werden. Ziel ist es, keine Verkehrstoten mehr zu haben. Deshalb sollen unter anderem im ersten Jahr nach dem Inkrafttreten zehn, im Folgejahr 20 und danach jährlich 30 der als gefährlich erkannten Knotenpunkte umgebaut und damit sicherer werden. Die ersten Kreuzungen hat die neue Verkehrsverwaltung bereits umgestaltet.
Radverkehrsnetz
Ein Netzplan soll innerhalb eines Jahres vorliegen. Dazu gehören Radstreifen auf Hauptstraßen, die so breit sind, dass ein Überholen möglich ist. Auf Radstreifen mit einer durchgezogenen Linie dürfen Autos nicht fahren. Sogenannte Schutzstreifen mit einer unterbrochenen Linie dürfen von Autos befahren werden; bis zu drei Minuten ist auch ein Halten zulässig. Wo es möglich ist, sollen die Radstreifen durch Poller, Blumenkübel oder halbrunde Elemente vom fließenden Verkehr getrennt werden.
Schnellverbindungen
Um zügig voran zu kommen, sollen Schnellverbindungen auf einer Länge von insgesamt mindestens 100 Kilometern angelegt werden. Die Mindestlänge beträgt fünf Kilometer. Sie sollen getrennt von Fußverkehr sein und deutlich gekennzeichnet werden.
Nebenstraßen
Auch Nebenstraßen werden ins Radnetz einbezogen. Soweit möglich, sollen sie als Fahrradstraßen ausgewiesen werden, auf denen es keinen Durchgangsverkehr gegen soll. In der Praxis funktioniert dies bisher häufig nicht.
Vorrangnetz
Ein Teil des Netzes soll als Vorrangnetz definiert werden. Es soll einen besonders hohen Standard und Priorität beim Ausbau haben. Geprüft werden soll dabei auch, ob es Grüne Wellen für den Radverkehr geben kann.
Baustellen
An Baustellen soll die Verkehrsführung für Radfahrer deutlich verbessert werden. Der Baustellenplan soll an der Baustelle ausgehängt werden, damit man erkennen kann, ob die Anordnung gemäß den Vorgaben der Genehmigungsbehörde ausgeführt worden ist.
Abstellanlagen
Bis 2025 soll es an Haltestellen von Bussen und Bahnen 50.000 Abstellanlagen geben. Ob der Platz dafür vorhanden ist, ist noch nicht geprüft worden. Zudem sind weitere 50.000 Abstellmöglichkeiten vor allem an sozialen und kulturellen Einrichtungen, an Schulen und beim Einzelhandel vorgesehen. Neben den üblichen Fahrradbügeln soll es auch Boxen, Parkhäuser und Servicestationen für Fahrräder geben. Parkhäuser sind schon seit Jahren geplant; bisher ist man dabei aber nicht vorangekommen.
Fahrradstaffeln
Beamte auf Fahrrädern, wie es die Polizei derzeit in Mitte erprobt, soll es weiter geben. Auch bei allen Ordnungsämtern sollen Fahrradstreifen eingerichtet werden. Für alle Mitarbeiter in den Ordnungsämtern sollen „bei Bedarf“ Dienstfahrräder bereitgestellt werden.
Nahverkehr
Alle Haltestellen und Bahnhöfe sollen barrierefrei werden. Dies sieht eine Vorgabe der EU bereits vor. Zudem soll ein Vorrangnetz für den Nahverkehr festgelegt werden, das vor allem Bussen freie Fahrt gewähren soll. Ob Radfahrer weiter Busspuren nutzen dürfen, sei noch nicht entschieden, sagte Staatssekretär Jens-Holger Kirchner. Der BVG schreibt das Gesetz vor, ihr Schienennetz „auf dem Stand der Technik“ zu halten.
Geld und Personal
In jedem Bezirk soll es mindestens zwei Mitarbeiter geben, die sich nur um den Radverkehr kümmern. Insgesamt soll es nach Kirchners Angaben bis zu 60 zusätzliche Mitarbeiter in den Verwaltungen geben, damit das vorgesehene Geld, 50 Millionen Euro pro Jahr, auch ausgegeben werden kann.
Reaktionen
Heinrich Strößenreuther, einer der Initiatoren des Volksentscheids Fahrrad, ist zufrieden. 80 bis 90 Prozent der Forderungen seien im Entwurf enthalten. „Der schwere Tanker Verwaltung ist auf Kurs gekommen.“ Das Gesetz müsse jetzt aber auch umgesetzt werden, sagte Tilmann Heuser vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Ob es bis zum Jahresende verabschiedet wird, ist ungewiss.
Der Berlin-Monitor zeigt Ihre Meinung zu den großen Themen der Hauptstadt. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Mehr Informationen hier.