Von Bauhaus bis Picasso: Die Kulturhöhepunkte in Potsdam 2019
Fontane, Bauhaus, 30 Jahre Mauerfall: Ein Blick ins Kulturjahr 2019, das schon im Januar mit einem Festival aufwartet.
Potsdam - Es wird ein weites Feld in diesem Fontane-Jahr. Um dem wandernden Dichter posthum auf die Spur zu kommen, gibt es bis zu seinem 200. Geburtstag am 30. Dezember unzählige Veranstaltungen. Sie werden nachspüren, wie wacker sich der schreibende Streifzügler in den Stürmen seiner Zeit geschlagen hat. Denn wie schrieb Fontane in seinem „Stechlin“? „Alle Menschen sind Wetterfahnen, ein bisschen mehr, ein bisschen weniger“.
Auch das Bauhaus wird in diesem Jahr befragt. Unter dem Motto „Die Welt neu denken“ gilt es zu schauen, wie aktuell das einst radikale Experiment 100 Jahre später nachwirkt und neue Pflöcke einschlägt. Potsdams Tanztage schauen beispielsweise auf den vom Bauhaus inspirierten Oskar Schlemmer zurück nach vorn.
Und was passiert im 30. Jahr nach dem Mauerfall? Da wird es zum Beispiel im Museum Barberini im Oktober „Kunst in der DDR“ geben, die oft gegen Mauern malte.
Blättern wir also voraus, was das Jahr 2019 an sich abzeichnenden Höhepunkten in Kunst und Kultur bereithält.
Januar: Made in Potsdam
Das Festival „Made in Potsdam“ gibt sich auch in diesem Jahr lokal-global. Tanz, Film, Literatur und Musik nehmen sich an die Hand und drängen in neue Spielräume vor. Die Tänzer Malgven Gerbes und David Brandstätter, die das Festival am 9. Januar eröffnen, fragen nach Nutzen und Verantwortung im digitalen Zeitalter. Eine Schneise quer durch die Stadt schlägt eine Ausstellung mit 27 Künstlern aus dem Rechenzentrum, die nunmehr im Kunstraum auftrumpfen: mit „Eine Frage der Zeit“. Schön, wenn sie auch im Miteinander beantwortet wird.
Und eine Uraufführung wird es ebenfalls geben: Am 18. Januar heißt es am Hans Otto Theater „Gehen oder der zweite April“. Wie reagieren Kinder, wenn ihnen die Eltern plötzlich verkünden: „Wir haben beschlossen, gemeinsam aus dem Leben zu scheiden“? Der Autor Jean-Michel Räber nähert sich behutsam dem umstrittenen Thema der Sterbehilfe und stellt Fragen nach Selbstbestimmung und Würde eines Menschen. Wann ist ein Leben nicht mehr lebenswert? Und wer entscheidet das?
Februar: Zwei ungleiche Schwestern
Hier die konservative Residenz Potsdam – dort die Industriestadt Babelsberg. Zwei ungleiche Schwestern. Wie standen sie zueinander in den von Kriegen durchpflügten Jahren 1914 bis 1945? Darauf möchte das Potsdam Museum im zweiten Teil seiner Doppelausstellung „Umkämpfte Wege der Moderne“ ab 23. Februar Auskunft geben. Geschichten sollen erzählt werden aus dieser alles andere als harmonisch verbandelten Familie. Vieles von diesem Zwist schlummert bislang im Verborgenen. Warten wir auf die schwesterliche Offenbarung.
März: Picasso kommt
Von seiner Frau Jacqueline schuf Picasso mehr Bildnisse als je zuvor von einem anderen Modell. Jacqueline, eine Keramikverkäuferin im südfranzösischen Vallauris, war nach Françoise Gilot die zweite Ehefrau Picassos und auch seine letzte. Von ihr malte Picasso mehr als 400 Porträts. Eine Auswahl davon ist ab 9. März im Museum Barberini zu sehen. Alle Leihgaben stammen aus der Sammlung der 1986 verstorbenen Jacqueline. Ihre Tochter Catherine Hutin stellt diese bislang kaum öffentlich gezeigte Sammlung für Potsdam zur Verfügung. Darunter sind zahlreiche Werke, die erstmalig in Deutschland gezeigt sowie einige, die zum ersten Mal in einem Museum präsentiert werden.
April: KAP-Musik zu Ostern
Die Kammerakademie Potsdam ist natürlich das ganze Jahr musikalisch in Bewegung. Am Ostersonntag verbeugt sie sich im Nikolaisaal vor Haydn, Prokofjew und Mozart. Alexander Lonquich, der auf allen bedeutenden europäischen Festivals sowie bei Gastspielen in Japan, den USA und Australien konzertierte, debütiert mit diesem Programm gleich doppelt bei der KAP – als Dirigent und als Solist.
Mai: Es wird getanzt und gelesen
Die Tanztage, seit 1991 am Start, bleiben weiterhin das wichtigste Festival für Darstellende Kunst im Land Brandenburg. Vom 14. bis 26. Mai tummeln sich wieder Kompanien aus der ganzen Welt an der Alten Fahrt in der Schiffbauergasse, um mit ihren Aufführungen zu beeindrucken. Einer der Schwerpunkte der 29. Ausgabe ist 100 Jahre Bauhaus mit Stücken, die unter anderem eine Hommage an Oskar Schlemmer sind. Wie „Das Triadische Ballett“, das den Auftakt bestreitet, und Tanzgeschichte schrieb. Mit visionärer Kraft richtete dieses Ballett des Bauhauskünstlers Schlemmer die Grundkoordinaten des Tanzes neu aus. Die Choreografie hat mitsamt ihrer legendären Kostüme ganze Generationen von Künstlern bis heute inspiriert, so auch das Bayerische Jugendballett, das nun in Potsdam gastiert. Das Libretto zeigt 12 Charaktere in 18 Kostümen.
Starke Worte, schöne Orte locken auch in diesem Jahr die Literaturenthusiasten auf den Plan. Diesmal geht das Festival Lit:potsdam schon im Mai an den Start: vom 14. bis 19.. Insofern kommt es sich nicht mit den Musikfestspielen ins Gehege, sondern nunmehr mit den Tanztagen. Aber jeder wird wohl sein Publikum finden. Das Programm ist noch nicht verkündet, ebenso wenig wie der Writer in Residence. Angesichts des tollen Echos 2018 darf man aber wohl wieder mit Lese-Floßfahrten entlang der Glienicker Brücke rechnen, mit den Lümmeldecken im Park der Villa Jacobs sowieso und auch mit dem Büchermarkt in der Schiffbauergasse.
Juni: Musikfestspiele neu geleitet
Die Musikfestspiele Potsdam Sanssouci geben sich vom 8. bis 23. Juni die Ehre und bitten die Musen zum Tanz. „Es gibt kaum ein schöneres Bild für die Wertschätzung, die Kunst entgegengebracht wird, als das Bild der Musen auf dem Parnass. Der antiken Legende nach versammeln sich die Verkörperungen von Wissenschaft und Kunst auf einem schattigen Bergrücken, um dort in Harmonie und Einklang miteinander zu feiern“. Das schrieb die neue Musikfestspielchefin, Dorothee Oberlinger, auf der Internetseite der Festspiele. Doch man solle sich nicht täuschen lassen, der Parnass sei ebenso wenig reines Idyll wie gemütlicher Rückzugsort. Also schauen wir mal, wie konfliktbeladen die Festspiele auf dem „Potsdamer Parnass“ Platz beziehen.
Der Juni präsentiert auch eine neue Ausstellung vom Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte: „Bilder und Geschichten zu Fontanes märkischen Erkundungsfahrten“ werden ab dem 7. Juni gezeigt. Und viele Fragen beantwortet. Zum Beispiel: Wie bereitete sich Fontane auf seine Fahrten vor? Wie reiste er? Mit wem hat er gesprochen? Wer hat ihn begleitet?
Juli: Das Poetenpack wird 20
Der Orgelsommer bringt alljährlich Organisten aus aller Welt nach Potsdam. Von Anfang Juli bis Ende August werden wöchentlich die Orgeln in der Erlöserkirche, der Friedenskirche und in der Französischen Kirche bespielt. In diesem Jahr geht es königlich-majestätisch zu. Zu hören sind Kompositionen, die die Könige in Auftrag gaben. Auch hier gibt es sicher wieder eine Fülle an Klangmaterial.
Das Poetenpack bringt in seinem 20. Jubiläumsjahr die wohl berühmteste und beliebteste Tragödie der Weltliteratur auf die Bühne: Romeo und Julia. Wieder beseelen sie sommerreif das Heckentheater am Neuen Palais, wo sie im vergangenen Jahr mit „Das Spiel von Liebe und Zufall“ für Furore sorgten. Die Shakespeare-Potsdam-Premiere ist am 4. Juli.
August: Localize
Es hat drei Jahre pausiert: das Festival Localize, diese die Stadt neu denkende Kunstofferte. Geplant ist sie im August, aber noch immer liegt im Dunkeln, wann und wo genau. „Wir warten weiterhin auf die Entscheidungen der Fördergeber“, so Festivalchefin Elena Arbter gestern auf Nachfrage. Es wird wieder ins Stadtzentrum gehen, das ist klar. Diesmal an einen Ort, „der schon gefüllt ist, was nicht heißt, dass er vollgestellt ist. Es ist ein Ort, an dem man jeden Tag vorbeigeht und den man auch mal anders denken könnte“ so die noch nebulöse Verheißung. Eine zweimonatige Künstlerresidenz soll es geben, die eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Ort ermöglicht, so die Absicht. In jedem Fall hinterlässt Localize Spuren. Gedankliche. Etwa, als der leere Stadtkanal mit Seifenblasen und Blumen gefüllt wurde, es am ehemaligen Hauptbahnhof in Pirschheide Zug um Zug um neue Spielideen im Zusammenleben ging, Bewohner der Platte von Drewitz ihre Balkone betanzten.
September: Zweite Spielzeit
Es wird die zweite Spielzeit von Bettina Jahnke. Die erste war von Kennenlernen und „Haltung“ einnehmen geprägt. Jetzt ist die Intendantin nicht mehr die Neue. Sie ist angekommen, zeigt, wie sie die Potsdamer mit ihrem Stadttheater herausfordert, aufrüttelt, mitnimmt. Darauf hoffen die Zuschauer.
Oktober: Unidram, die 26.
In diesem Jahr konzentriert sich Unidram wieder auf seine Festivalkernzeit: Vom 29. Oktober bis 2. November kommen freie Theater aus aller Welt, um Grenzen zu überschreiten, unterschiedliche Theatertraditionen zusammenzuführen. 2018, zum 25. Geburtstag, wurde Unidram das ganze Jahr mit Aufführungen gefeiert. Nun kommen sie geballt.
Auf die Stillleben von Vincent van Gogh freuen sich die Potsdamer mit Sicherheit: Das Barberini holt gut 20 Werke in sein Haus. Ab 26. Oktober kann der Besucher eintauchen in das aufwühlend-sanfte Farbmeer des Holländers.
November: Winteroper im Schloss
Die Winteroper kehrt zurück ins angestammte Haus: ins Schlosstheater im Neuen Palais. 2012 gab es dort die letzte Aufführung. Dann wurde die Spielstätte saniert und die Winteroper fand in Potsdams Kirchen Asyl. Jetzt geht es mit Mozarts Oper „Titus“ im Schlosstheater weiter. Premiere ist am 22. November.
Auch auf die Vocalise darf man sich in der Novembertristesse freuen: Warme Klänge von beseelten Potsdamer Chören.
Dezember: Es lebe das Geburtstagskind
Lang ist’s noch hin und die Veranstaltungskalender halten sich bedeckt. Mit Gewissheit kann man aber wohl sagen, dass Potsdams Galerien wieder mit kleinen Formaten aufwarten werden: ob Matschke oder Sperl. Die Turmbläser sind unterwegs, im Weihnachtsoratorium wird das Halleluja angestimmt. Und Fontane wird nun wirklich 200. „Kummer sei lahm! Sorge sei blind! Es lebe das Geburtstagskind!“