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Die Schalterhalle des alten Hauptbahnhofs in der Pirschheide verwandelte Localize 2013 zur Kunst- und Kulturmeile. 
© Localize/Benjamin Maltry

Kulturfestival in Potsdam: Localize will Räume anders denken

Das Festival Localize will Potsdam so zeigen, wie man es nicht kennt. Nach drei Jahren Pause macht es sich jetzt startklar für die nächste Ausgabe.

Potsdam - In der Mitte der Gewölbehalle des Kutschstalls wird morgen ein Wohnwagen stehen. Localize-Freunde erkennen ihn sicher wieder. Er parkte 2014 bereits in der Gutenbergstraße vor einem unbebauten Grundstück. Dank des Festivals mauserte sich die vergessene Wildnis zu einem öffentlichen Garten, der im Sommer auch heute noch gern von Potsdamern für ein Pausenbrot genutzt wird.

Drewitzer betanzten ihre Balkone

Localize hinterlässt Spuren, in jedem Fall gedanklich. Wir erinnern uns, wie der leere Stadtkanal mit Seifenblasen und Blumen gefüllt wurde, es am ehemaligen Hauptbahnhof in Pirschheide Zug um Zug um neue Spielideen im Zusammenleben ging, Bewohner der Platte von Drewitz ihre Balkone betanzten, bevor die Sanierung und Entwicklung zur Gartenstadt begann. Ja, sogar ein Hostel wurde damals für drei Tage eingerichtet.

Am Samstag feiert Localize nun sein zehnjähriges Bestehen, obwohl es seit drei Jahren pausiert. In ihrer Pause waren sie nicht tatenlos, sie unterstützten verschiedene Kunstprojekte, wie die „7 Sachen“ oder die Installationen „Kosmische Könige“ und die Mosaik-Belebung „Cast your Shadow“ des Künstlerkollektivs Xenorama am Rechenzentrum.

Pausen gehören zum Leben dazu

Drewitz brachte die Vereinsmitglieder im Sommer 2015 an den Rand der Erschöpfung. „Es war eine Nummer zu groß, um es im Ehrenamt zu stemmen. Außerdem waren viele der Macher des einst studentischen Projekts gerade im Umbruch, starteten auf dem Arbeitsmarkt und familiär neu durch“, erinnern sich die beiden Vereinsvorsitzenden Elena Arbter und Christian Müller-Lorenz. 

Elena Arbter und Christian Müller-Lorenz planen das nächste Localize-Festival 2019. 
Elena Arbter und Christian Müller-Lorenz planen das nächste Localize-Festival 2019. 
© Andreas Klaer

Pausen gehören zum Leben dazu: zum Verschnaufen, Zurückschauen und Neudenken. Die Geburtstagsfeier soll dazu animieren, gemeinsam mit Künstlern von einst, die im Kutschstall auch aktuelle Arbeiten zeigen, mit den 40 Mitgliedern des Vereins und mit all den Potsdamern, die für die Entwicklung ihrer Stadt ein offenes Auge haben. In dem Bauwagen dürfen sie ihre Ideen aufschreiben, ihre Wünsche zur Auseinandersetzung mit dem Ort, an dem sie leben, formulieren. Wenn der Bauwagen wieder rausrollt, nimmt er die Anregungen mit hinein in das nächste Festival: in den August 2019.

Ein genauer Ort für Localize 2019 steht noch nicht fest

Noch steht nicht genau fest, an welchem Ort es Localize 2019 geben wird. Die Anträge seien zwar gestellt, aber noch nicht genehmigt. Die Kulturwissenschaftlerin Elena Arbter und der Historiker Christian Müller-Lorenz halten sich bedeckt, geben nur den Hinweis preis, dass es wieder ins Stadtzentrum geht. Diesmal allerdings an einen Ort, „der schon gefüllt ist, was nicht heißt, dass er vollgestellt ist. Es ist ein Ort, an dem man jeden Tag vorbeigeht und den man auch mal anders denken könnte.“ Allein das kurbelt die Gedanken an, lässt sie durch die Stadt spazieren. Mischt Localize die Laufpiste in der Wilhelmgalerie mit Aktionen auf oder die langen Flure im Landtag? Oder aber geht es in die einstige Galerie am Staudenhof?

Die abgebaggerte Fachhochschule wird es jedenfalls nicht sein. „Es gibt ja kein Gebäude mehr und das Gelände ist eingezäunt“, so Christian Müller-Lorenz, der hauptberuflich bei Kulturland Brandenburg arbeitet. Die Diskussion um den Abriss der FH sei aber durchaus auch ein Grund gewesen, Localize aus der Festivalpause zurückzuholen. „Ich fand es schwierig, dass die Diskussion so emotional und wenig sachlich geführt wurde. Sie endete immer in der Konfrontation und schnell verließ man den gemeinsamen Tisch“, so Müller-Lorenz. Und Elena Arbter ergänzt: „Wir wollen diese sehr verengte Diskussion auf den einen Ort nicht neu aufgreifen, sondern den Blick weiten.“ Um Perspektiven von außen geht es ihnen. Deshalb will Localize auch zwei Künstlerresidenzen schaffen. Ein bis zwei Monate sollen Künstler zu Gast in der Stadt sein und hier, vor Ort, ihre künstlerischen Visionen reifen lassen. Dazu gibt es eine deutschlandweite Ausschreibung – falls das Projektgeld genehmigt wird. 30 000 Euro hat der Verein beantragt. In Drewitz, seinem bislang größten Festivalort, hatte er 24 000 Euro zur Verfügung. Doch nun sollen auch die Residenzen bezahlt werden und ein Koordinator, der wenigstens die Zeit des Festivals managt. Für Elena Arbter ist das Gefühl, etwas anzustoßen, sich beteiligen zu können, Grund dafür, dass Potsdam ihr so nahe ist. „Wir geben durch Localize der Stadt nicht vor, was sie mit den Orten macht, aber zeigen, dass man etwas Neues anstoßen kann.“

Als studentisches Heimatfestival begonnen

Auch die Aktion in der Gutenbergstraße 2014 war nicht darauf angelegt, dass ein Garten entsteht. Aber er ist Folge dieser Aktion. Der Bahnhof Pirschheide ist jetzt Party-Location, in dem leerstehenden Laden in der Lindenstraße, ihrem ersten Localize-Ort, wird jetzt Plauener Spitze verkauft.

Begonnen hat Localize als Heimatfestival, aus einem Seminar der Fachhochschule in Kooperation mit der Uni Potsdam heraus, das ein neues Format für die Stadt entwickeln sollte. Das Wort Heimat ist seit 2012 aus dem Untertitel gestrichen. „Der Begriff engt zu sehr ein“, sagt Elena Arbter. Sie wollen weiter denken, über Verbindungen und Unterbrechungen reflektieren, über die Gestaltung der Stadt – ohne Vorgaben. Nachdem das Thema Leerstand und Lücken ad acta gelegt ist, wenden sie sich nun „gefüllten“ Räumen zu.

Ideenjagd für das Localize

Morgen gehen sie auf Stimmenfang, auf Ideenjagd für Localize 2019. Mehr als 100 Künstler, mit denen sie über die acht Festivaljahre gearbeitet haben, wurden mit dazu eingeladen. Rund zehn werden kommen. So Kirsty Kross, eine Künstlerin aus Australien, die jetzt in Oslo lebt. Sie war 2011 im Atelierhaus Scholle und 2013 in der Pirschheide dabei. Nun lässt sie sich von der Gewölbehalle für ihre Performance inspirieren. Charlotte Müller spinnt mit ihrer Wollkunst neue Fäden und das Künstlerkollektiv „Neubauen. Design“, das in Drewitz den Aufgang zur „Pension Wolf“ in der Konrad-Wolf-Allee mit recycelten Möbeln ausgestaltete, schafft nun im Kutschstall den Rahmen für 10 Jahre Localize. Rund um den Bauwagen, in dem die Stadt mal anders gedacht werden soll.

Jubiläumsfest am morgigen Samstag, 16 Uhr, im Kutschstall, Am Neuen Markt 9

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