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Himmelwärts. Die Friedenskirche war einer der Austragungsorte des Potsdamer Orgelsommers 2018. 
© Andreas Klaer

Potsdamer Orgelsommer: Beatles und Barock

Der Orgelsommer 2018 ging mit dem Schweizer Organisten Rudolf Lutz in der Friedenskirche Sanssouci ins umjubelte Finale.

Neue Wege braucht das Land – ein oft beschworener Slogan und nur selten in die Tat umgesetzt. Gilt das auch für den Internationalen Orgelsommer Potsdam? Er wagte das Experiment und damit einen lobenswerten Neustart für das spezielle Festival zur Huldigung für die „Königin der Instrumente“, indem er sich von der meist zufälligen Zusammenstellung von Nummern verabschiedete und anno 2018 das thematisch konzipierte Programm „Improvisation weiter gedacht – Wünsch dir was!“ präsentierte.

Das Publikum nahm diese Umorientierung zunächst skeptisch, dann neugierig geworden und schließlich begeistert an, was sich auch in steigenden Besucherzahlen ausdrückte.

Rekordverdächtig

So war die Friedenskirche am vergangenen Mittwoch beim Abschlusskonzert mit dem Schweizer Organisten Rudolf Lutz (geb. 1951) rekordverdächtig gut besucht. Musikalisch wurde er in Winterthur, Zürich und Wien vielseitig ausgebildet. Er wirkte vierzig Jahre als Organist an der Stadtkirche in St. Gallen, nebenbei für ein Vierteljahrhundert als Dozent für Improvisation an der Schola Cantorum Basiliensis und war sich auch nicht zu schade, das Hackbrett in einer Appenzeller-Musik-Formation zu klöppeln. Doch als gefragter Spezialist für historische Improvisationspraxis weiß er nicht nur über Themen, sondern auch über diverse Stile spannend zu fabulieren. Damit lieferte er dem Orgelsommerfinale das bejubelte Sahnehäubchen.

Wie bei fast allen diesjährigen Konzerten war das Publikum zu demokratischer Mitwirkung aufgefordert, indem es per Zettelchen den Organisten Themenvorschläge zulieferte. Diesmal nun wurde daraus eine erlebnisreiche Musikunterrichtsstunde, indem man im Programmheft vorgeschlagene Stilformen (wie Mozartvariationen, Miniature musicale und Tango) mit Themen (Choräle, Originalthema von Friedrich II., Beatles-Titel, Nokia-Klingelton) beliebig kombinieren konnte. Die sechs ausgelosten Stilformen wurden am Tafelschreibblock angeheftet, während per erhobenem Finger Publikumsauserwählte jeweils ihr Thema verkünden durften. Was zu witzigen und überraschenden, aber auch erwartbaren Verknüpfungen führte.

Publikumsaufträge

Faszinierend zu erleben, wie der Stilperformer sich seinen fantasiefordernden Aufgaben stellte. Und sie bravourös einlöste, wenn beispielsweise zur Einstimmung in die Lektionen der die Gans stehlende Fuchs die Tat im Bach- und Bluesstil vollzog. Dann folgten die Publikumsaufträge wie „Let it be“ als französische Suite im Barockstil zu verarbeiten. Mit dem Ergebnis , dass man das Thema kaum wiedererkennen konnte. Oder den Choralwunsch „Großer Gott, wir loben dich“ à la Mozartvariation umzumodeln, was ob des drehleierischen Resultats zu launigen Reaktionen führte. Für den Mix aus Trioform und Kirchenlied „Geh’ aus mein Herz“ stellte Lutz zwei Variationstypen vor und die Frage, welche er ausführlich ausführen solle. Da die Antwort unentschieden ausfiel, spielte er kurzerhand beide. Kaum originell dagegen der Publikumswunsch, ein Appenzeller Jodelthema („Es träumte der Babette“) mit Klängen aus dem Appenzeller Land zu verknüpfen. Amüsant dagegen den Nokia-Klingelton als Charakterstück im Stile Schumanns zu hören.

Doch es ging auch ganz seriös. Eingangs mit der berühmten, kurz phrasierten, ohne Verschnaufpause für flinke Hände und Füße extrem rasch gespielten, von Patina befreiten Toccata und Fuge d-Moll BWV 565 des Johann Sebastian Bach. Später mit der d-Moll-Sonate über „O Haupt voll Blut und Wunden“, die Rudolf Lutz nach einem Fragment von Felix Mendelssohn als ein dreisätziges Variationswerk angefertigt hatte.

Peter Buske

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