Potsdams Rathauschef unter Druck: Der Problemmacher
Es kriselt um Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) – und das kurz vor der Halbzeit im Amt. Was läuft da schief im Rathaus?
Potsdam - Es hätte auch anders ausgehen können an diesem Mittwochabend. Doch Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) konnte einen Erfolg einfahren in der letzten Sitzung der Stadtverordneten vor der kommunalpolitischen Sommerpause: Eine Mehrheit stimmte für Schuberts Pläne zum Umbau der Tropenhalle Biosphäre zum Klimawandel-Lernort.
Ein bedeutsamer Beschluss, nicht nur, weil es um mehr als 20 Millionen Euro Investitionskosten geht. Sondern auch, weil die Debatte im Vorfeld klarmachte, wie angegriffen die politische Autorität des Oberbürgermeisters derzeit ist. Offen opponierte Schuberts Parteifreund Pete Heuer, der auch Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung ist, gegen den so umstrittenen wie ambitionierten Biosphären-Plan des Oberbürgermeisters. Und auch die Grünen, Partner in Schuberts rot-grün-roter Rathauskooperation, gingen bei der Tropenhalle von der Fahne und votierten nicht für die Vorlage des Stadtoberhaupts.
Es reichte dennoch, auch mithilfe der Fraktion Die Andere – aus Schuberts Sicht ein Segen. Die Erleichterung war ihm in der Stadtverordnetenversammlung anzumerken. Wäre es anders gelaufen, hätte der politische Druck auf den 49-Jährigen deutlich zugenommen. Doch auch ohne Problemfall Biosphäre muss Schubert derzeit mit einer ganzen Reihe von Baustellen zurecht kommen. Und das nur wenige Monate vor der Halbzeit im Amt, die im Herbst ansteht. Dann sind vier von acht Jahren, für die Schubert gewählt ist, schon herum. Kenner meinen, es breite sich langsam Panik aus im Oberbürgermeister-Büro, wenn es um den Nachweis von Erfolgen geht. Das Soll ist gut gefüllt, das Haben dürftig.
Im Herbst 2018 mit jugendlichem Elan gestartet
Dass Schubert, der sich selbst gern als Macher darstellt, eloquent vor Kameras steht und via Social Media mit seiner Ehefrau Simone bei Empfängen und Veranstaltungen von Fotos strahlt, jetzt die Puste ausgehen würde, hatten die wenigsten erwartet. Er startete im Herbst 2018 mit jugendlichem Elan und einer vollen Agenda ins Amt, das zuvor 16 Jahre lang sein Parteifreund Jann Jakobs bekleidet hatte, der in den Ruhestand ging.
Knapp vier Jahre später wirkt Schubert derzeit oft angespannt, dünnhäutig, frustriert. So richtig will ihm nur wenig gelingen. Der von ihm herbeimoderierte Kompromiss zum Umfeld des Turms der Garnisonkirche zerbröselt zusehends, gerade brüskierten Vertreter der Stiftung Garnisonkirche den Oberbürgermeister zum zweiten Mal: Erst ließen sie ihn im Unklaren über einen kritischen Bericht des Bundesrechnungshofs, jetzt legte der Kommunikationsvorstand nach und deklassierte im PNN-Interview den Schubert-Kompromiss zur bloßen Idee.
Auch Monate, nachdem Schubert den überlasteten Bürgerservice des Rathauses samt dysfunktionaler Online-Terminvergabe zur Chefsache erklärt hat, geht es nur in Mini-Schritten vorwärts. Kritische PNN-Berichterstattung zum Thema vergangene Woche am Tag der Stadtverordnetenversammlung soll zu einem unschönen Wutausbruch des Rathauschefs geführt haben – so erzählen es selbst jene, die nicht in Schuberts unmittelbarer Umgebung arbeiten.
Der Hintergrund: Um vor der Urlaubszeit einen weiteren Proteststurm zu verhindern, hatte Schubert kurzfristig eine digitale Warteliste für Potsdamer:innen eröffnet, die für eine Reise noch Pass oder Ausweis benötigen. Wer sich dort eintrage, werde angerufen und mit einem Termin versorgt, hieß es – doch Hunderte Bürger warteten wieder tagelang. Bis Schubert, voller Wut, noch mehr Rathaus-Mitarbeitende kurzfristig zum Abtelefonieren in den Bürgerservice versetzt habe. Auf wen er denn da wütend gewesen sei, fragten böse Zungen im Rathaus anschließend: Schließlich sei der Bürgerservice doch Chefsache.
Selbst Parteifreunde wunderten sich über manche Prioritätensetzung der vergangenen Wochen. „Und dann wird, während Hunderte auf einen Termin warten, an einem Samstag ein nur mäßig besuchter, aber medial begleiteter Bürgerdialog in Drewitz mit der kompletten Verwaltungsspitze organisiert“, sagt einer. Mehr Schein als Sein? Seine Kritiker werfen Schubert das schon länger vor.
Liste der Probleme ist lang
Die Liste der realen Probleme aber ist lang: Die Schwierigkeiten beim Bau einer Tramtrasse zum geplanten neuen Wohnviertel in Krampnitz im Norden der Stadt, das nur von 5000 statt möglichen 10.000 Menschen besiedelt werden darf, solange die Straßenbahn nicht fährt. Der angespannte Wohnungsmarkt der Stadt mit immer weiter steigenden Mieten und Kaufpreisen. Die anhaltenden Verkehrsprobleme des wachsenden Potsdam, die Schwächen bei der Digitalisierung in Verwaltung und Schulen, das Fehlen einer rechtssicheren Kitagebührensatzung und somit unterschiedliche Elternbeiträge von Einrichtung zu Einrichtung.
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Der große Plan, den Berg abzuarbeiten, die Lage anzugehen, den sehen derzeit viele bei Schubert nicht. Das mag auch daran liegen, dass er sich zu manchem kaum äußert, die Probleme bei anderen verortet. So war das auch bei der Tropenhalle Biosphäre. Erst am Mittwochabend vor den Stadtverordneten hielt Schubert eine kämpferische Rede für das von ihm forcierte Projekt, übte dabei auch Selbstkritik: Vielleicht sei es ein Fehler gewesen, dass er sich nicht früher an der Debatte darüber beteiligt habe.
Schubert verlor viele enge Mitarbeitende
Mangelt es dem Oberbürgermeister an guter Beratung? Das sehen manche so, denn Schubert hat zuletzt auffällig viele enge Mitarbeitende verloren – Leute, von denen er sich wirklich etwas sagen ließ. Vor allem der Weggang seines langjährigen Wegbegleiters und Büroleiters Marcel Piest habe eine große Lücke gerissen, die der nicht aus Potsdam stammende Nachfolger Marcel Thau noch nicht schließen kann, so die Einschätzung von Beobachtern. Schuberts ohnehin kleiner Kreis von Vertrauten sei damit weiter geschrumpft, ihm fehle das so wichtige Korrektiv, ein starker Gegenpart im Abwägen politischer Strategien.
Stattdessen, so berichten es einige auch aus Schuberts weiterem Umfeld, gehe es schnell laut zu. Das führe dazu, dass viele sich aus Unlust wegduckten, statt fachlich Gegenargumente zu führen. Doch wer viel herumschreie, dem werde das irgendwann als Schwäche ausgelegt, heißt es warnend. Es zeige außerdem, dass beim Oberbürgermeister die Nerven offenbar oft blank liegen, „alles geht ihm an die Nieren“.
Es sind auch nicht nur abtrünnige Stadtverordnete und frustrierte Bürger:innen, mit denen Schubert es zu tun hat. Angesichts der dünnen Erfolgsbilanz beginnt sich auch in der Potsdamer SPD langsam Unruhe breit zu machen. Zumal es sich hier um die Landeshauptstadt des seit 1990 SPD-regierten Brandenburg handelt, und um die Kanzlerstadt, Wahlheimat von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Da wird es schnell zum Politikum, wenn die Sozialdemokraten in der Kommunalpolitik nicht liefern.
Ungünstig für Schubert, dass es von ihm heißt, er habe sich in der Partei vielfach mehr Feinde als Freunde gemacht. Manche attestieren ihm Überheblichkeit, andere sehen in ihm einen Karrieristen. Er habe selten einen Politiker gesehen, der so unbeliebt sei, sagt einer der Entscheider aus Potsdam. In der Landespolitik wolle sich kaum jemand aus dem Fenster lehnen, um den Oberbürgermeister zu unterstützen. Und das, obwohl Schubert früher als ein möglicher Nachfolger von Ministerpräsident Dietmar Woidke galt – doch das scheint momentan weiter weg denn je.
Ministerpräsident Woidke gilt nicht als Schubert-Unterstützer
Folgen die Sozialdemokraten in Potsdam dem Oberbürgermeister noch? Zumal weder der wieder weitgehend unangefochtene SPD-Landeschef Woidke als Schubert-Unterstützer gilt, noch der neue Chef der Landtagsfraktion Daniel Keller, der ohne Zögern seinen schwächelnden Vorgänger beiseite geschoben hatte. Der Potsdamer Keller spielt weiter auch in der hiesigen SPD eine gewichtige Rolle – doch sein Verhältnis zu Schubert scheint eher von Konkurrenz als von Vertrauen geprägt.
Überhaupt Vertrauen. Schubert, so heißt es von Beobachtern öfter, vertraue nahezu niemandem. Die mächtigen städtischen Konzerne wie die Stadtwerke, die Bauholding Pro Potsdam oder auch das Klinikum „Ernst von Bergmann“ habe er mit einem aufgestockten Beteiligungsmanagement im Rathaus an die kurze Leine genommen. Und auch mit dem Vertrauen in die eigene Führungsriege im Rathaus, in seine Beigeordneten und Dezernenten, scheint es nicht weit her.
Vertrauensverhältnis zu Beigeordneten scheint in Teilen massiv gestört
Mehrere Quellen aus Rathaus und Stadtpolitik berichteten den PNN, dass Schubert regelmäßig gegenüber Dritten die aus seiner Sicht bestehenden Defizite der Beigeordneten schildere – was in einer überschaubar großen Stadt wie Potsdam natürlich irgendwann wieder bei den Gescholtenen ankommt. Und auch überaus loyale Beigeordnete wie Brigitte Meier (SPD) würden von Schubert Maß genommen. „Die Stimmung ist auch deswegen schlecht“, sagt ein Verantwortlicher aus dem Rathaus.
Das unmittelbare Vertrauensverhältnis zu seiner Beigeordnetenriege scheint obendrein in Teilen massiv gestört. Gegen Baudezernent Bernd Rubelt (parteilos) hat Schubert nach dessen mutmaßlicher Teilnahme an einer Corona-Demo ein Disziplinarverfahren eingeleitet – Ausgang offen. Seine Bildungsdezernentin Noosha Aubel (parteilos) hat Schubert auch schon öffentlich auflaufen lassen, etwa beim Streit um das Gymnasium im Norden.
Das Absurde an der politisch kriselnden Lage um Schubert: Die meisten Probleme scheinen hausgemacht und dem Habitus entsprungen, den Kritiker des Oberbürgermeisters seit Längerem bei ihm diagnostizieren: „Er schafft sich gern Probleme, die er öffentlich lösen kann“, beschreibt nicht nur ein Parteifreund. Im Oberbürgermeister-Wahlkampf 2018 und im Jahr danach hatte Schubert viele Themen auf einmal angeschoben, auch sein „Herzensprojekt Stadtkanal“. Dann kamen die Krisen – freilich ohne, dass Schubert dafür etwas konnte: Zuerst ein Cyberangriff auf die Verwaltung, dann zwei Jahre Corona und nun die auch für Potsdam nicht absehbaren Folgen des Ukrainekriegs mit einem Zustrom von Flüchtlingen, Inflation, explodierenden Baukosten.
Schuberts Ideen überfordern das Verwaltungspersonal
Den Krisen widmet Schubert sich oft erfolgreich und mit Verve, aber manchmal auch übermotiviert – am Anfang. Während der Corona-Zeit entwarf er sogar ein eigenes Ampelsystem für Lockerungen in Potsdam, was dann schnell in Vergessenheit geriet. Schuberts viele Ideen, die immer schnell umgesetzt werden müssten, überforderten zudem das Verwaltungspersonal. Auch das sei auf Dauer ein Problem, heißt es im Rathaus. Außerdem bleibe zu wenig Zeit für große Themen der Langstrecke, beispielsweise die Modernisierung der Verwaltung. Der Bereich Wohnen – ein Schlüsselressort angesichts der Probleme auf dem Wohnungsmarkt – ist unterbesetzt und schafft es kaum, die vielen Initiativen zur Senkung oder zumindest Sicherung des Mietniveaus umzusetzen, die die Stadtverordneten von Schubert verlangen.
Und anderes, wie das „Herzensprojekt Stadtkanal“, ist bisher gleich gänzlich im Ankündigungsmodus verharrt. Größere Erfolge wie die Rückzahlung von Kitabeiträgen in Millionenhöhe an Potsdamer Eltern oder die Rettung des DDR-Baus Minsk, den Potsdam-Mäzen Hasso Plattner gerade saniert, liegen länger zurück.
Wie man es auch dreht, das Prinzip Schubert stößt an seine Grenze: „Der Oberbürgermeister steckt immer mehrere Feuer auf einmal an – aber nun kann er sie nicht mehr alle löschen“, meint ein Kenner der Stadtpolitik. Hat Schubert sich also ohne Not in eine komplizierte Lage manövriert? Das sehen manche so, die ihn seit Jahren kennen. Und sie sehen sich bestätigt in Vorurteilen, die Schubert – er galt jahrelang als Ziehsohn des einstigen Ministerpräsidenten und Potsdamer Oberbürgermeisters Matthias Platzeck (SPD) – schon lange verfolgen: Er sei einer, der zu leicht die Bodenhaftung verliere.
Ein bisschen wie Platzeck, der im Rathaus manchen als Überflieger galt. Doch während Platzeck die Potsdamer Niederungen rechtzeitig als Nachfolger von Manfred Stolpe gen Staatskanzlei verlassen konnte, sieht es bei Schubert anders aus: Er muss jetzt seine Halbzeitbilanz konsolidieren, bevor er, wie manche seiner Parteifreunde orakeln, nach der Kommunalwahl 2024 mit neuer Kraft vorangehen könnte.
Eine Alternative zu Schubert ist nicht in Sicht
Dann werde Schubert, so heißt es, zugleich die Neubesetzung dreier Beigeordnetenposten im Blick haben: Die Amtszeit der Beigeordneten Aubel und Rubelt endet 2025, der Finanzbeigeordnete Burkhard Exner (SPD) dürfte aus Altersgründen gehen. Damit ergäbe sich für Schubert viel Verhandlungsmasse für eine neue Rathauskooperation. Und vielleicht auch neuer Schwung für den 2026 anstehenden Oberbürgermeisterwahlkampf.
Doch zur politischen Wahrheit in Potsdam seit Schuberts Wahl 2018 gehört auch: Eine Alternative zu ihm – ob aus der Stadtpolitik oder von auswärts – die ihm politisch gefährlich werden oder ihn gar verdrängen könnte, ist weit und breit nicht in Sicht. Bisher jedenfalls. So könnte am Ende der Machtpolitiker Schubert trotz seiner Schwächen durchkommen. Wenn seine Partei nicht die Geduld mit ihm verliert und er sich nicht selbst im Wege steht, sein größtes Risiko.
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