Vorstand der Stiftung Garnisonkirche im Interview: „Ich kann den Erhalt des Rechenzentrums nicht verstehen“
Wieland Eschenburg stellt bei der Kompromisssuche für das Umfeld des Turms den Kurs des Oberbürgermeisters infrage. Das "Haus der Demokratie" sei für ihn nicht mehr als ein Vorschlag.
Herr Eschenburg, wegen Corona waren Sie lange Zeit krank und die Stiftung für den Wiederaufbau der Garnisonkirche, deren Kommunikationsvorstand Sie sind, ist in die schwerste Krise ihrer Geschichte geraten. Wie schlimm ist der Schaden?
Stiftung Garnisonkirche und Fördergesellschaft haben seit ihren Gründungen immer wieder vor Herausforderungen gestanden. Die aktuelle ist wieder eine große. Es hat Verletzungen gegeben, und auf verschiedenen Ebenen wurde Vertrauen enttäuscht – weil wir als Stiftung und Fördergesellschaft nicht glücklich kommuniziert haben.
Sie meinen damit, dass die Stiftung von ihrer eigenen Fördergesellschaft gescholten wird, weil sie sich dem von Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) ausgehandelten Kompromiss zur Garnisonkirche angeschlossen hat?
Für mich ist Kompromiss das falsche Wort. Es ist ein Vorschlag, der für viele sehr überraschend kam. Deswegen kam es auch zu dieser Verunsicherung bei einigen unserer Unterstützerinnen und Unterstützern – weil aus der Idee medial auch von unseren kritischen Begleitern viel mehr gemacht wurde als es ist.
Stellen Sie sich gegen diesen Kompromiss?
Nein. Das Haus der Demokratie auf dem Grundstück des ehemaligen Kirchenschiffs bietet eine sehr gute Perspektive und ist die bislang tragfähigste Idee für die inhaltliche Arbeit an diesem Ort, die es bisher überhaupt gibt. Aber es ist eben nicht so, dass die Stiftung ihr Grundstück weggegeben oder weitergehenden Dingen im Detail zugestimmt hätte. Und bis aus einer großen Idee Realität wird: Das ist wohl jedem klar, dass das auch Jahre dauern kann.
Glücklich scheinen Sie mit dem beschrittenen Weg nicht.
Der Vorschlag suggeriert aus meiner persönlichen Sicht eine gedankliche Irreführung in der Formulierung, dass das Haus der Demokratie ein verbindender Bau sein soll. Ich sehe, dass es in der Innenstadt verschiedene urbanes Leben tragende Funktionen gibt. Wir haben unseren Turm, wir haben die Kreativen im Rechenzentrum, es entsteht ein großartiges Kreativquartier und wir haben Bedürfnisse wie zum Beispiel einen notwendigen Saal für die Stadtverordneten. Diese Bedürfnisse oder inhaltlichen Fakten miteinander zu verbinden, das ist klug und sinnvoll. Und die Machbarkeit dieser Bedürfnisse soll nun mit einer Machbarkeitsstudie geprüft werden, zum Beispiel welcher Platz benötigt wird.
Wenn man Ihren Worten folgt, ist das Haus der Demokratie kein verbindender Bau zwischen erhaltenem Rechenzentrum und Turm. Dabei beinhaltet der Kompromiss, von Ihnen Vorschlag genannt, dass das Rechenzentrum bleiben kann. Wie sehen Sie das?
Ich habe schon immer gesagt, dass ich einen Erhalt des Rechenzentrums nicht verstehen kann – nicht aus finanzieller Sicht, nicht aus stadträumlicher Sicht. Der komplette Erhalt des Rechenzentrums ist eine Vorfestlegung nur in eine Richtung. Das passt aus meiner Sicht nicht zur notwendigen Offenheit dieses vom Oberbürgermeister angestoßenen Prozesses.
Aber diese „Vorfestlegung“ wurde bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Kompromisses auch von Ihren Kollegen an der Spitze der Stiftung mitgetragen.
Ja. Allerdings gab es da auch den Satz, den mein Kollege Peter Leinemann für Stiftung und Fördergesellschaft gesagt hat, der dann aber nicht so oft geschrieben wurde: Dass dieser Vorschlag natürlich auch die Zustimmung aller Gremien braucht. So hat sich die Fördergesellschaft als Mitnutzerin des Turms eben nicht so vehement in den Prozess einbringen können und hat das mit der Wahl eines neuen Vorstands nun artikuliert. Da ist ganz viel zu besprechen. Zum Rechenzentrum haben sich die Stiftungsvertreter in der Pressekonferenz mit keinem Wort geäußert. Im nachfolgenden Kuratoriumsbeschluss wurde einstimmig vom Areal des Rechenzentrums gesprochen. Ich glaube, dass uns allen ein Innehalten insgesamt in dieser Frage guttun würde – mindestens, bis die Baugerüste des Turms fallen.
Ein Moratorium? Damit stellen Sie sich gegen die Linie des Oberbürgermeisters.
Nein. Ich sage nur: Lasst uns in Ruhe miteinander über alle Schritte reden. Denn hier kann doch etwas absolut Starkes für Potsdam entstehen, was über den Prozess des Dialogs noch Feinschliff erhält.
In der Konsequenz heißt das, Sie sprechen sich für ein wie auch immer geartetes Kirchenschiff aus, in dem etwa die Stadtverordnetenversammlung Platz hätte?
Ich bleibe bei der Auffassung der Stiftung: Erst der Inhalt, dann die Form.
Gleichwohl werden Herrn Schubert, der seinen Kompromiss will, Ihre Aussagen nicht gefallen.
Das ist nicht meine Aufgabe. Ich habe Mitverantwortung für die Stiftung und ihr Grundstück zu tragen.
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Sind Ihre Aussagen mit Ihren Kollegen an der Spitze der Wiederaufbau-Stiftung abgestimmt?
Alles andere wäre unprofessionell.
Die Entscheidung zum Umfeld des Turms wird laut Schubert auch vorangetrieben, weil laut Verträgen Ende 2023 das Rechenzentrum abgerissen werden müsste.
Das klingt immer so, als wenn wir Verantwortung dafür haben. Zunächst muss doch die Bauaufsicht im Rathaus entscheiden, ob sie die bauordnungsrechtliche Duldung zur Nutzung verlängern kann.
Sie müssen aber auch entscheiden, ob das Rechenzentrum eine Bestands-Verlängerung erhält, weil der Ersatz – das Kreativquartier um die Ecke – erst im Herbst 2024 fertig wird.
Es bleibt dabei, zunächst muss über bauordnungsrechtliche Fragen entschieden werden. Darüber können sich weder Mieter noch Vermieter hinwegsetzen. Und insofern sind da erst ganz andere Fragestellungen zu klären.
Und wenn Sie sich positionieren müssen zum Weiterbetrieb des Rechenzentrums?
Dann werden wir das vernunftorientiert tun.
Sie haben von Vertrauensverlusten gegenüber der Fördergesellschaft gesprochen. Ist dieser Schaden heilbar?
Es ist ein mühseliger Weg, gebrochenes Vertrauen wiederherzustellen. Aber da wir alle Vernunft orientierte Menschen sind, ist die Situation dabei, sich positiv zu wenden.
Es gibt keinen Dissens mehr? Immerhin stellt sich die Fördergesellschaft gegen den Schubert-Kompromiss und will das Kirchenschiff.
Ich weiß nicht, was uns gerade trennen sollte. Die Fördergesellschaft hat ein Recht auf die Neuwahl des Vorstands ausgeübt. Frau Dencker sagte in Ihrem Interview mit den PNN: „Priorität hat der Turm.“ Das ist genau Auffassung der Stiftung. Sie sagt: Die Stiftung braucht das Grundstück in eigener Verantwortung. Wir haben das Grundstück nicht weggegeben, also gibt es hier auch keinen Dissens. Das dritte, was sie sagt: Bitte ein Kirchenschiff, in welcher Form auch immer. Das ist keine Festlegung auf irgendeine Form – also auch kein Dissens mit der Stiftung. Und das vierte, was sie sagt: Rechenzentrum komplett weg. Es ist aber die Frage: Was kann man sich wünschen und wozu hat man ein Anrecht? Nur ein Teil des Rechenzentrums steht auf unserem Grundstück. Und dafür existieren vertragliche Regelungen zum Abriss.
Sie wollen auch ein Kirchenschiff?
Ich habe 1990 als Stadtverordneter den Grundsatzbeschluss zur Wiederannäherung an das historische Stadtbild mit getroffen und stehe dazu noch heute. Dieser Beschluss sagt nicht, dass das Kirchenschiff in seinem Original bis zu jeder Dachfirstlinie wieder aufgebaut wird, aber die Grundproportionen in der Stadt müssen stimmen. Und es muss auch das erfüllt sein, was die evangelische Kirche mit ihrer Kreditvergabe verbunden hat – nämlich den Wunsch nach einem Ort, an dem ein inhaltlicher Bruch mit der Geschichte stattfinden soll. Da wird es, wenn der Inhalt klar ist, kluge und gute Lösungen geben, die den damaligen Grundsatzbeschluss berücksichtigen.
In der Gegenwart haben Sie zu kämpfen. So ist unklar, ob ausstehende 4,5 Millionen Euro Fördergelder vom Bund bewilligt werden. Was passiert, wenn nicht?
Es sind normale Vorgänge, dass zwischen Antragsstellung und Fördermittelbescheidung Zeit vergeht. Zeit, in der Äußerungen kritischer Begleiter in den Medien oft überproportional beschrieben werden. Wir sind bisher immer gut damit gefahren, uns nach Antragstellungen während des Bewilligungsverfahrens nicht zu äußern. Denn das entspricht unserem Verantwortungsbewusstsein.
Nehmen wir an, die 4,5 Millionen Euro kommen – doch die Baupreise sind stark gestiegen. Wie groß sind Ihre Sorgen, dass Ihr Projekt viel teurer als erwartet wird?
Die Sorge über die Entwicklung der Baupreise teilen wir mit allen, die gerade etwas errichten oder einfach nur in den Baumarkt gehen. Aber es nützt doch nichts Spekulationen anzustellen. Natürlich machen diese Preise Sorgen und umso mehr freuen wir uns, wenn Menschen uns beim Sammeln von Spenden unterstützen. Ziel bleibt die Errichtung eines vollständig nutzbaren Turms mit Haube als Lernort und Friedenszentrum.
Um die Bundesförderung geht es auch in dem für das Projekt Garnisonkirche verheerenden Bericht des Bundesrechnungshofs. Darin prangern die Prüfer auch Intransparenz bei der Stiftung an. Was muss daraus für Ihre Arbeit folgen?
Dazu muss ich noch einmal sagen, dass der Bundesrechnungshof vor allem den Fördermittelgeber, also den Bund, geprüft hat. Es ist Aufgabe der Prüfer, anzumerken, wenn Dinge aus ihrer Sicht zu kritisieren oder hinterfragen sind. Die Frage ist, was aus einem solchen Bericht dann durch „stille Post“ durch unsere kritischen Begleiter gemacht wird.
Aber in dem Bundesrechnungshof-Bericht geht es auch explizit um die Stiftung, der unter anderem widersprüchliche Angaben zu ihrer Finanzkraft vorgeworfen werden. Sehen Sie die Notwendigkeit eines personellen Neuanfangs in der Stiftung, um Glaubwürdigkeit zu stärken und Vertrauen wiederherzustellen?
Ein klares Nein! Die Fragen des Rechnungshofes, soweit sie die Stiftung betrafen, sind vom Vorstand beantwortet und diese Antworten vom Kuratorium zustimmend zur Kenntnis genommen worden.
Die Lage ist dadurch noch einmal verschärft worden, dass Ihr Vorstand den hochkritischen Bericht zwar kannte, aber das Kuratorium und die Verhandlungspartner für den Schubert-Kompromiss nicht eingeweiht hat. Sie waren nicht im Dienst – hätten Sie anders gehandelt?
Nein. Dem Vorstand lag der Bericht vor, aber der war nicht zur öffentlichen Freigabe vorgesehen. Es wäre zudem anmaßend von mir, das Handeln meiner Vorstandskollegen oder des Kuratoriums infrage zu stellen.
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Die Stiftung hat angekündigt, umfassend Transparenz herzustellen. Ist das Ihrer Ansicht nach inzwischen erfolgt?
Transparenz ist immer aus verschiedenen Blickwinkeln genügend oder auch nicht genügend. Wenn mich ein Spender bittet, dass er seinen Namen nicht in der Zeitung oder auf der Internetseite lesen möchte und wir ihn für seriös halten, dann ist diese Bitte für mich völlig ok. Die Frage ist doch: Wem fehlt welche Transparenz?
Haben Sie darüber nachgedacht, angesichts der angespannten Lage und der unklaren Finanzierung auf die geplante Haube des Turms zu verzichten – vielleicht sogar als Versöhnungs- und Kompromisszeichen?
Warum sollten wir das tun? Die Erfahrung zeigt doch, dass diejenigen, die unser Tun kritisieren weiterhin bei ihrer Auffassung bleiben. Ein „Potsdam ohne Turmhaube“ kann ich mir nicht vorstellen, nur weil eine kleine Menge lautstark Protest anmeldet. Das lernt man doch schon im Kindergarten, dass wer am lautesten schreit, nicht immer Recht hat.
Sie vermuten, die Kritiker des Wiederaufbaus seien eine kleine, lautstarke Minderheit. Der Oberbürgermeister hat zuletzt eine Bürgerbefragung zu Garnisonkirche und Rechenzentrum ins Spiel gebracht – für den Fall, dass sein Kompromiss scheitert. Wie sehen Sie das?
Ohne eine Fragestellung ist das wie Glaskugellesen. Unserer Wahrnehmung nach gibt es eine große Unterstützung für das, was wir am Ort inhaltlich tun.
Die Gegner des Wiederaufbaus glauben, dass Sie nicht einmal den künftigen Betrieb des Turms allein stemmen können. Zum Beispiel sei die zuletzt kommunizierte Annahme von 160 000 Besuchern pro Jahr unrealistisch viel.
Die 160 000 Besucher sind eine maximale Durchlaufzahl. Wir rechnen mit weniger. Wie schon erklärt, sind wir dabei, den Betrieb auf sichere Füße zu stellen. Für unsere kritischen Begleiter gilt: Es ist schön, wenn sich Leute ohne Verantwortung Gedanken um uns machen. Da lässt sich auch immer leicht irgendeine These in den Raum stellen, weil man keinerlei Verantwortung für die Beweislast trägt.
Welche Erwartungen haben Sie hinsichtlich des künftigen Betriebs an die evangelische Kirche, was eine dauerhafte Finanzierung anbelangt?
Wir sind dankbar für die bisher gewährte Unterstützung, zu der aktuell auch ein Betriebskostenzuschuss für dieses und eine Inaussichtstellung für das nächste Jahr und eine halbe Pfarrstelle gehören. In dieser Situation liegt es mir fern, Erwartungen zu formulieren. Ohnehin muss für weitere Gespräche erst das ganze Paket der Kalkulation vom Wartungsvertrag bis zur Reinigung oder den Eintrittspreisen auf dem Tisch liegen. Alles andere wäre unseriös.
Wie haben sich seit Veröffentlichung des kritischen Berichts des Bundesrechnungshofs die Spendeneinnahmen entwickelt?
Vor allem hat die Corona-Zeit das Spendensammeln sehr erschwert, weil sich das Projekt im persönlichen Gespräch ganz anders vorstellen lässt. Und ein kleiner Seitenhieb gegen die Presse: Wenn über unsere inhaltliche Arbeit wenigstens in gleicher Menge geschrieben würde wie über einzelne gegen unser Tun gerichtete Meinungsäußerungen, wäre es vermutlich auch leichter. Bei uns passieren inhaltlich große Dinge, die den Wert dieses Bauwerks schon jetzt zeigen – jenseits des Aspekts Stadtreparatur und der Wiedergewinnung des Drei-Kirchen-Blicks.
Nennen Sie gern ein Beispiel.
Wenn die Linken-Politikerin und Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau zu einer Podiumsdiskussion zum „Tag von Potsdam“ zu uns kommt, kann man an diesem Abend in aller Intensität über all die wunden Punkte deutscher Geschichte sprechen – und zwar vor Ort, wo der Garnisonkirchturm wieder erbaut wird.
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