Potsdamer Rathaus in der Kritik: Warteliste für den Bürgerservice wird immer länger
Rathausmitarbeiter aus anderen Bereichen müssen helfen. Stadtverordnete beraten heute über Beschwerden gegen den Oberbürgermeister.
Potsdam - Fünf Wochen vor den Sommerferien wird die Warteliste mit Potsdamern, die bis dahin noch dringend neue Ausweise oder Reisepässe benötigen und noch keinen Termin im Bürgerservice haben, immer länger. Bis Dienstagabend hatten sich 806 Personen auf dieser Liste, die unter www.potsdam.de zu finden ist, eingetragen. Das sagte eine Stadtsprecherin auf Anfrage. Neben den regulären Terminen seien bereits 212 Anfragen der Warteliste bearbeitet beziehungsweise mit Terminen versorgt worden, hieß es weiter. Vor rund Woche ging es noch um rund 340 Terminwünsche.
Die Liste hatte das Rathaus vor eineinhalb Wochen eingerichtet – als Hilfe für jene, die wegen der Probleme beim Bürgerservice bisher online noch keinen Termin buchen konnten. Bisher seien allein vier Mitarbeitende damit befasst, die Terminanfragen abzuarbeiten, sagte die Sprecherin. Diese Zahl wolle man angesichts der Nachfrage noch erhöhen. Zur strukturell dauerhaften Verstärkung des Bürgerservice-Amts hatte Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) zwölf neue Stellen geschaffen. Davon konnten laut Sprecherin bereits sechs Stellen besetzt werden. In dem Amt seien aktuell auch sechs Mitarbeitende aus anderen Rathausbereichen unterstützend eingesetzt, hieß es. Pro Woche würden mehr als 2000 Termine abgearbeitet, die etwa 8200 Dienstleistungen enthalten.
Das Thema beschäftigt am heutigen Mittwoch auch einmal mehr die Stadtverordneten. Dort stehen zwei Dienstaufsichtsbeschwerden gegen Schubert auf der Tagesordnung – die die Stadtverordneten als unbegründet zurückweisen sollen, wenn es nach dem Rathaus geht. In einem Fall geht es um einen Potsdamer, der sich am 20. März beschwerte, seit Anfang Februar keinen Termin zur Beantragung eines polizeilichen Führungszeugnisses bekommen zu haben, das zum Abschluss eines Mietvertrages im Ausland zwingend erforderlich gewesen sei. Der zweite Fall datiert auf den 26. März. Ein Potsdamer erklärte, dass er seinen Hauptwohnsitz nicht innerhalb der gesetzlichen Frist ummelden konnte: „Sie verwehren mir damit die Ausübung meiner Bürgerpflichten.“
Die Beschwerde soll zurückgewiesen werden
Doch beide Beschwerden will das Hauptamt unter Schuberts Parteifreund Dieter Jetschmanegg als unbegründet zurückweisen lassen: „Den Oberbürgermeister trifft kein Organisationsverschulden.“ Zuständig für den Bürgerservice sei schließlich die Ordnungsdezernentin Brigitte Meier (SPD). Noch vor einem Monat hatte das Büro von Schubert auf Anfrage des Stadtverordneten Andreas Menzel (Freie Wähler) zum Bürgerservice erklärt: "Der Oberbürgermeister trägt qua Amt grundsätzlich die Verantwortung für das Handeln der gesamten Verwaltung." An den Verbesserungen würden Schubert und Meier gemeinsam arbeiten.
Zugleich habe insbesondere die Coronakrise mit monatelangen Einschränkungen für den Besucherverkehr im Rathaus zu einer Bugwelle an Anliegen an den Bürgerservice geführt, erklärt das Hauptamt nun. Und weiter: die Lockerungen der Regeln hätten zudem für einen Anstieg der Reiseaktivitäten und damit „ad hoc“ für einen Mehrbedarf an Terminkapazitäten für Passnachfragen gesorgt – mit der Folge einer „Überlastung des Terminvergabesystems“. Inzwischen seien diverse Verbesserungen inkraft getreten oder würden noch geplant. So habe man unter anderem zusätzliche Schalter geschaffen. Zudem solle auch das Terminbuchungssystem noch optimiert werden. Daher könne man die Beschwerden aus dem März zurückweisen, so das Hauptamt.
[Was ist los in Potsdam und Brandenburg? Die Potsdamer Neuesten Nachrichten informieren Sie direkt aus der Landeshauptstadt. Mit dem Newsletter Potsdam HEUTE sind Sie besonders nah dran. Hier geht's zur kostenlosen Bestellung.]
Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn schon im vergangenen Herbst hatte es wegen des Bürgerservice-Amts Dauerfrust und diverse Beschwerde-Mails auch an die PNN gegeben. Auch da ging es um die dysfunktionale Online-Terminvergabe und zu viel Andrang. Die Stadtverordneten hatten daher Schubert im Oktober 2021 auf Antrag der Linken ins Stammbuch geschrieben, die Probleme „zu einem Schwerpunkt seiner Tätigkeit“ zu machen. Doch erst Ende März erklärte Schubert das Thema zur Chefsache.
Diskutiert wird nicht-öffentlich
Bemerkenswert an der Dienstaufsichtsbeschwerde ist auch, dass sie im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung behandelt werden soll – obwohl solche Fragen in der Vergangenheit zumeist öffentlich verhandelt worden sind. Eine Stadtsprecherin antwortete auf die PNN-Anfrage, ob dieses Verfahren dazu diene, den Rathauschef vor Debatten in der Öffentlichkeit zu schützen, mit einer Erklärung. So handele es sich um zwei Beschwerden – zur Unterscheidbarkeit habe man die Namen der Betroffenen in den Vorlagen für die Stadtverordneten belassen. „Die Bürger genießen Schutz auf Vertraulichkeit im Umgang mit ihren Daten.“ Daher werde das Thema hinter verschlossenen Türen behandelt.
Mit Unmut wird Schuberts Agieren von der Opposition im Stadtparlament beobachtet. „Schlecht funktionierender Bürgerservice ist Führungsversagen“, lautete die Überschrift der aktuellsten CDU-Pressemitteilung zum Thema. Der angerichtete Schaden sei erheblich: „Da werden Wohnsitzänderungen unmöglich, die Betreuung eigener Kinder kann nicht organisiert werden, Reisepässe für die anstehenden Ferien werden nicht ausgestellt.“
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität