Anklage gegen Clan-Mitglieder: Arafat Abou-Chaker soll Bushido eingesperrt haben
Ein weiteres Kapitel zum Clan-Beef von Rapper Bushido: Jetzt werden neue Details zur Anklage der Staatsanwaltschaft gegen Clan-Chef Arafat Abou-Chaker bekannt.
Jetzt bestätigt es die Berliner Staatsanwaltschaft ihr Vorgehen gegen Mitglieder des Abou-Chaker-Clans auch offiziell: Sie hat Anklage gegen Arafat Abou-Chaker und drei seiner Brüder - Yasser, Nasser und Rommel - erhoben. In der umfangreichen Anklageschrift von etwa 100 Seiten gehe es um Straftaten zum Nachteil des Rappers Bushido, teilte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft am Montag der dpa mit.
Damit bestätigte sie erst nach mehreren Tagen entsprechende Berichte von „Spiegel“ und „Bild“. Vor einer Woche noch wollte sich die Staatsanwaltschaft nicht zu der Anklage äußern. Das Landgericht muss nun entscheiden, ob es die Anklage zulässt. Erst dann wird ein Termin für die Hauptverhandlung festgelegt.
Der 43-jährige Arafat Abou-Chaker soll den Angaben zufolge im Dezember 2017 versucht haben, von Bushido eine Abfindung für dessen Trennung der langjährigen Geschäftsbeziehungen zu erpressen. Dabei soll der Musiker in einem Büro eingesperrt und mit einer Flasche beworfen worden sein. Der Sprecherin zufolge lauten die Vorwürfe gegen den Clan-Chef versuchte schwere räuberische Erpressung, gefährliche Körperverletzung, Freiheitsberaubung, Beleidigung. Arafats Brüdern werde Beihilfe vorgeworfen.
Dem 38 Jahre alten Bruder Yasser wird zum anderen laut Staatsanwaltschaft die Entziehung Minderjähriger zur Last gelegt. Yasser Abou-Chaker soll nach Ansicht der Staatsanwaltschaft seine beiden Kinder gegen den Willen der Mutter aus Dänemark entführt haben. Deshalb soll es in der Anklage um den Vorwurf der Entziehung Minderjähriger gehen. Yasser war im Januar in Dänemark festgenommen worden.
Die Ehefrau von Yasser Abou-Chaker soll sich von ihrem Mann getrennt haben und mit ihren Kindern bei der Familie in Dänemark Zuflucht gesucht haben. Den Berliner Ermittlern berichtete sie von Entführungsplänen der Abou-Chaker-Brüder. Die Aussagen der Frau waren auch der Auslöser für die Durchsuchung des Anwesens von Abou-Chaker in Kleinmachnow im November.
Bei der Polizei-Aktion – schwer bewaffnete Spezialeinheiten stürmten das Haus – ging es zudem um den Vorwurf des Verstoßes gegen das Waffengesetz. Auch Kriegsmunition soll bei der Razzia gefunden worden sein.
Arafat Abou-Chaker saß im Januar dieses Jahres wegen mutmaßlicher Kidnapping-Pläne vorübergehend in Untersuchungshaft, womöglich – so der Vorwurf – erwog er, Bushidos Kinder zu entführen. Dieser Vorwurf soll laut „Spiegel“ in der Anklage nicht auftauchen. Auch Arafat Abou-Chaker hatte diesen Verdacht zurückgewiesen, er kam nach zwei Wochen wegen fehlender Haftgründe wieder auf freien Fuß. Der Verdacht hatte sich bislang nicht bestätigt.
Der Haftbefehl für die Untersuchungshaft war ihm im Januar noch im Kriminalgericht Moabit verkündet worden, nachdem er Mitte Januar in einem anderen Fall verurteilt worden war – wegen Körperverletzung und Bedrohung: zehn Monate auf Bewährung. Dem Urteil zufolge hat er den Hausmeister einer Physiotherapiepraxis verprügelt, an der einige Clan-Brüder beteiligt waren.
Der Streit zwischen Bushido und Arafat
Der Angriff ereignete sich etwa zu jeder Zeit, als sich Bushido von seinem Geschäftspartner getrennt hatte. Vor allem Arafat Abou-Chaker profitierte lange von der Freundschaft zu Rapper Bushido, mit dem er Haus an Haus in Kleinmachnow auf einem gemeinsamen Gehöft wohnte. Im März 2018 kam es zum Bruch.
Vor allem mit Unterstützung seiner Frau Anna-Maria Ferchichi ging der Rapper auf Abstand zu jenem Mann, dem er sogar eine Generalvollmacht ausgestellt hatte. In einem „Stern“-Interview hatte der Rapper Arafat als Abzocker, Heuchler und Reaktionär dargestellt, der sich nicht neben den Geschäften auch in sein Privatleben einmischte. Aus der Freundschaft sei eine Tyrannenherrschaft geworden.
Der Bruch führte zu Streit über Verträge, Absprachen und Millionensummen. Ermittler befürchteten schon damals „erhebliches Konfliktpotenzial“. Bushido bekam von der Polizei sogar Personenschutz und fürchtete um sein Leben. In der Rapper-Szene, die eng mit den Clans zusammenarbeitet, werden ihm deshalb bis heute schwere Vorwürfe gemacht.
Und dann auch noch Fler
Auch der Berliner Rapper Fler, der sich eine Dauerfehde mit Bushido lieferte, machte sich über ihn lustig. Er verbreitete ein Video, auf dem Bushido mit den Personenschützern zu sehen ist. Zudem ließ sich Fler mit Arafat Abou-Chaker sehen.
Fler, bürgerlich Patrick Losensky, fällt immer wieder durch sein Verhalten auf. Vor mehr als zwei Wochen war er in Zehlendorf von einer Polizeistreife gestoppt worden. Er weigerte sich, seinen Führerschein herauszugeben, beleidigte und bedrohte die Beamten. Für den Rapper war die Kontrolle reine Schikane, weil die Polizisten ihn erkannt hatten - weil er eben Fler ist.
Zuletzt hat Fler unverhohlen den Tagesspiegel-Reporter Sebastian Leber bedroht. Der Rapper stört sich an einem Bericht über seinen Dauerstreit, also seinen - im Szenejargon - "Beef" mit Bushido.
Die Abou-Chakers sind einer der kleinsten, aber auch berüchtigsten deutsch-arabischen Clans in Berlin. Den Kern bilden mehrere Brüder, deren Eltern aus dem palästinensischen Flüchtlingslager Wavel im Libanon kamen. Die Brüder sind bei Polizei und Justiz aktenkundig. Einzelne Abou-Chakers waren durch Gewalt-, Eigentums- und Drogendelikte aufgefallen. Einer der Brüder wurde als Kopf des Überfalls auf das Pokerturnier am Potsdamer Platz 2010 verurteilt.
Erst Anfang August war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft gegen Arafat ermittelt, weil er Anschläge auf die Rapper Kollegah und Farid Bang geplant und in Auftrag gegeben haben soll. Abou-Chaker soll sich demnach im Milieu für den Einsatz von Schusswaffen ausgesprochen haben – auch gegen frühere Partner.
Kollegah und Farid Bang, die aus Nordrhein-Westfalen und Hessen stammen, waren mit Abou-Chaker immer wieder in Streit geraten. Ob die Anschlagspläne jetzt ebenfalls zur Anklage kommen, blieb am Dienstag unklar. Bereits im August hieß es, gegen Arafat und einige seiner Brüder werde wegen versuchter Anstiftung zum Totschlag, zur schweren räuberischen Erpressung, versuchter Anstiftung zum Menschenraub und versuchter räuberischer Erpressung ermittelt.
Immer wieder tauchen Angehörige einschlägig bekannter Clans als Sicherheitsleute, Manager oder Stammgastronomen von Musikern auf. Es ist in der Szene üblich, dass Rapper einen sogenannten "Rücken" haben - also starke Männer im Hintergrund, die für Schutz sorgen. Auch im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses hieß es 2018, durch die beabsichtigte Nähe konkurrierender Familien zu erfolgreichen Rap-Musikern ergäben sich Probleme: Von den Einnahmen könnten Clan-Kriminelle profitieren. (mit dpa)