Organisierte Kriminalität in Berlin: Bruder von Clanchef Abou-Chaker in Dänemark verhaftet
Sie sollen einen Racheakt geplant haben: Die Entführung der Kinder von Rapper Bushido. Nach Arafat Abou-Chaker wurde nun dessen Bruder Yasser gefasst.
In Dänemark ist der Bruder des umstrittenen Geschäftsmannes Arafat Abou-Chaker verhaftet worden. Das bestätigte Berlins Staatsanwaltschaft am Mittwoch. Der 37 Jahre alte Yasser Abou-Chaker ist – so wie die anderen Brüder der deutsch-arabischen Großfamilie – bei der Polizei aktenkundig. Er war schon am Montag festgenommen worden, weil ein Europäischer Haftbefehl aus Berlin vorliegt, eine Auslieferung wird geprüft. Vorwurf: die womöglich geplante Entführung der Kinder des Musikers Bushido. Die Staatsanwaltschaft bestätigte damit einen Bericht der Bericht der „Bild“-Zeitung.
Yassers Bruder Arafat war bereits vergangene Woche im Kriminalgericht Moabit verhaftet worden und sitzt in Untersuchungshaft. Zu ihm lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Verabredung zu einem Verbrechen, Anstiftung zur Entziehung Minderjähriger, schwere Körperverletzung, räuberische Erpressung und erpresserischer Menschenraub.
Die aktuellen Ermittlungen begannen offenbar durch Aussagen der Ehefrau von Yasser Abou-Chaker
Arafat Abou-Chaker, 42, war erst vor einer Woche zu zehn Monaten Gefängnis wegen Körperverletzung und Bedrohung eines Hausmeisters verurteilt worden – die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Zu jener Zeit hatte das Landeskriminalamt offenbar genug Indizien, um einen Ermittlungsrichter zu überzeugen, dass wegen möglicher Entführungspläne eine Untersuchungshaft angemessen sei. Bushido steht unter Personenschutz. Der Rapper hatte sich 2018 von seinem langjährigen Geschäftspartner Arafat Abou-Chaker losgesagt.
Die aktuellen Ermittlungen begannen offenbar durch Aussagen der Ehefrau von Yasser Abou-Chaker. Die hatte sich von ihrem Mann getrennt und fuhr samt Kindern zu ihrer Familie nach Dänemark. Den Berliner Ermittlern berichtete sie von Entführungsplänen der Abou-Chaker-Brüder. Die Aussagen der Frau waren auch der Auslöser für die Durchsuchung des Anwesens von Abou-Chaker in Kleinmachnow im November. Bei der Polizei-Aktion – schwer bewaffnete Spezialeinheiten stürmten das Haus – ging es zudem um den Vorwurf des Verstoßes gegen das Waffengesetz.
Die Abou-Chakers haben – wie andere arabische Großfamilien auch – enge Kontakte nach Dänemark. Die meist aus dem Libanon stammenden Clans sind oft nach Bremen, Essen, Kopenhagen und Berlin ausgewandert. So soll sogar der dänische Islamist Abu Bilal Ismail, der auch in einer Moschee in Berlin-Neukölln durch eine judenfeindliche Reden auffiel, ein Verwandter der Berliner Abou-Chakers sein. Die Familie bestätigt das nicht.
Bushido suchte sich einen neuen starken Mann
Die Abou-Chakers haben sich im Frühjahr 2018 mit ihrem wohl erfolgreichsten Geschäftspartner, dem Musiker Bushido, zerstritten. Zugleich machte sich Arafat Abou-Chaker im Milieu neue Feinde, die sein Lokal in Treptow mit scharfer Munition beschossen. Die Trennung provozierte im Milieu militante Aktionen. Als sich Bushido von Abou-Chaker losgesagt hatte, suchte er Schutz bei einem neuen starken Mann: Wie berichtet, ist auch Ashraf R. eine polizeibekannte Szenegröße und bekannter Kopf eines berüchtigten Clans. Es ist jene Familie R., bei der 2018 insgesamt 77 Immobilien vorläufig beschlagnahmt wurden. Mitglieder der Familie stehen derzeit wegen des Münzdiebstahls aus dem Bode-Museum vor Gericht.
Doch die Allianz zwischen Bushido und den R. steht womöglich wieder zur Disposition. Ein Instagram-Video des Rappers „Capital Bra“ säht nun Zweifel, wie eng die Beziehungen zwischen Bushido und Ashraf R. tatsächlich sind. Capital Bra kündigte an, nicht mehr mit Bushidos langjährigem Label EGJ – „Ersguterjunge“ – zusammenarbeiten zu wollen. „Ich bin nicht mehr bei EGJ, da mein Labelboss intensiv mit der Polizei arbeitet. Jetzt scheißt er Leute an, die Leute gehen in den Knast. Ich bin nicht für sowas. Polizei ist jetzt dein Team!“ Capital Bra wirft seinem Ex-Freund Bushido vor, auch seinen neuen Geschäftspartner Ashraf R. an die Polizei verraten zu haben.
Ob das stimmt, blieb unklar – Fahnder bestätigen das nicht. Demnach soll Capital Bra den Labelchef Bushido aufgefordert haben, sich von seiner „Zusammenarbeit“ mit der Polizei zu distanzieren. Der Vorwurf, Bushido helfe den Ermittlern, könnte in der Szene schwer wiegen – besonders weil er erst durch die Hilfe eines Clans so einflussreich wurde. Zusammenarbeit mit der Polizei wird von den Clans als Verrat gewertet. Letzte Wendung im Rapper-Clan-Drama: Bushido soll mit „Shindy“ einen weiteren Rapper verloren haben. Shindy soll unbestätigten Berichten zufolge mit dem informellen Chef eines anderen Clans zusammenarbeiten, der einst als der „Pate von Berlin“ bekannt wurde.
Zwölf Newsletter, zwölf Bezirke: Unsere Leute-Newsletter aus allen Berliner Bezirken können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de