Queer weiß das (11): Warum soll sich ein schwuler Fußballprofi outen?
Derzeit gibt es in Europa keinen einzigen offen schwulen Profifußballer. Es wäre Zeit, dass sich das ändert. Ein paar queere Anmerkungen vor der EM.
Warum ist es für die queere Community oder zumindest für deren fußballbegeisterten Teil eigentlich so wichtig, dass endlich ein aktiver schwuler Spitzenfußballer sein öffentliches Coming Out hat? Bodo, Reinickendorf
Zuallererst wäre das für die schwulen Spieler selbst wichtig, die tagtäglich einen Teil ihrer Persönlichkeit verleugnen müssen. Das reicht vom Ignorieren homophober Bemerkungen bis hin zum Anheuern von angeblichen Freundinnen. Eine ziemlich nervenaufreibende Angelegenheit, die einiges an Energie frisst. Energie, die ein Profifußballer eigentlich lieber in seinen Sport stecken würde.
Angriff auf eine Bastion der reinen Macho-Männlichkeit
Der frühere Zweitliga-Spieler Marcus Urban hat das in seinem Buch „Versteckspieler“ anschaulich beschrieben. Neben dem einstigen Nationalspieler Thomas Hitzlsperger ist Urban der einzige offen schwule Ex-Profi. Dass es bisher kein aktiver Spieler in Europa gewagt hat, sich öffentlich zu outen, zeigt, wie groß Angst und Verunsicherung bei diesem Thema sind. Homosexualität bleibt ein Tabu im Fußball.
Es wirkt fast wie die letzte Verteidigungslinie all jener Starrköpfe, die den Sport als Bastion ungebrochener Macho-Männlichkeit sehen. Und die musste in den letzten zehn Jahren schließlich schon genug einstecken: immer mehr Frauen im Stadion, dazu queere Fan-Clubs und Toleranzinitativen der Verbände. Da will man wenigstens ab und zu noch „Spiel nicht so schwule Pässe“ oder „Schiri, du Schwuchtel“ schreien können.
Ein Promi-Coming-Out könnte schwule Nachwuchsspieler bestärken
Das Klima ist zwar besser geworden, doch Homophobie gehört genau wie Rassismus immer noch zum Fußball. Umso wichtiger ist es, gegen beides weiter anzugehen. Ein öffentliches Coming Out von einem oder mehreren Spitzenspielern wäre da ein starkes Zeichen, das bis in den Amateur- und Jugendbereich hinein signalisieren würde, dass Schwule selbstverständlich einen Platz im Fußball haben. Vor allem wegen dieser Vorbild-Funktion wünscht sich die LGBT-Community einen mutigen schwulen Kicker, der rauskommt. Vielleicht würden sich Nachwuchsspieler, die merken, dass sie auf Jungs stehen, weniger allein und weniger seltsam fühlen – und nicht unter die Versteckspieler gehen.
Der Medienrummel, den ein Coming Out auslösen würde, ist sicher ein Grund, warum potenzielle Kandidaten diesen Schritt scheuen. Niemand kann gezwungen werden, sich so zum schwulen „Klassensprecher“ zu machen. Doch nach anfänglicher Aufregung wäre es dann nichts Besonderes mehr. Wir haben schließlich das Jahr 2016 und leben in einer Demokratie. Da kann man als gut bezahlter Fußballer vielleicht wirklich mal etwas wagen. Also, schwule Spieler: Die westlichen Werte zum EM-Start im Praxistest – wäre doch ein Treffer.
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Dieser Text erschien zunächst in der gedruckten Samstagsbeilage Mehr Berlin.
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