Homophobie im Fußball: Fußball unter kleinem Regenbogen
Thomas Hitzlsperger ist froh, dass er seine Homosexualität öffentlich gemacht hat. Bis ein aktiver schwuler Fußballer aber öffentlich darüber spricht, wird wohl noch eine Weile dauern. Viele haben immer noch Angst vor Anfeindungen.
Verbale Attacken, Schmähgesänge, eindeutige Gesten – offene Diskriminierung gegenüber Homosexuellen ist im Fußball immer noch Alltag. Auch prominente Fußballer und Fußballerinnen wie Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger oder Nationaltorhüterin Nadine Angerer, die öffentlich über ihre Homosexualität sprechen, haben daran bisher wenig geändert.
Deshalb fand kürzlich unter dem Motto "Worte statt Taten" zum Thema "Homophobie im Fußball" eine Podiumsdiskussion in der Berliner ver.di-Zentrale statt. Das internationale Netzwerk "Fare", "Fußballfans gegen Homophobie" und der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg hatten dazu zahlreiche Gäste eingeladen. Darunter: Thomas Hitzlsperger, die ehemalige Bundesligaspielerin Tanja Walther-Ahrens und Martin Endemann, Sprecher von "Fußballfans gegen Homophobie".
"Wir brauchen Vorbilder"
Thomas Hitzlsperger sprach im Januar 2014 in einem Interview, als erster prominenter Ex-Fußballer in Deutschland überhaupt, über seine Homosexualität. Seit dem habe er viel Zuspruch erfahren, sagte er. Immer wieder würden Menschen auf ihn zu kommen, die ihn beglückwünschen und denen er Mut gemacht habe, mit der Familie und Freunden über die eigene Homosexualität zu sprechen. "Und darüber freue ich mich jedes Mal."
Die Community wünsche sich aber noch mehr Vorbilder, so Hitzlsperger. Immer noch warte sie auf einen aktiven Spieler, der den Mut habe, an die Öffentlichkeit zu gehen. Er könne aber keine Ratschläge geben. "Ich habe es nach der Karriere gemacht und bin gut damit gefahren", sagte er. Die Entscheidung, die eigene Homosexualität öffentlich zu machen, sei eine sehr persönliche und individuelle und das müsse akzeptiert werden. Es seien aber sowohl Fans als auch Trainer, Mitspieler und Vereinsführungen in der Verantwortung, ein offenes Umfeld zu schaffen, in dem Menschen so sein könnten wie sie sind.
Auch die UEFA ist in der Verantwortung
Die Ex-Bundesligaspielerin Tanja Walter-Ahrens spielte in den 90er Jahren für Turbine Potsdam, sie war die erste Frau im Präsidium des Berliner Fußballverbands. Weil Frauen im Fußball von vielen aber immer noch belächelt würden und sich im Verband nichts verändere, trat sie im Frühjahr frustriert von ihrem Amt zurück. Seit Jahren engagiert sich die Sportwissenschaftlerin zudem gegen Homophobie, obwohl sie lieber von Diskriminierung sprechen möchte.
Um grundsätzlich an den Verhältnissen im Fußball etwas zu ändern, hänge es auch davon ab, welche Personen in Vereinen und Verbänden in Führungspositionen seien, betonte Walter-Ahrens. So habe sich der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger ganz bereitwillig für die Belange von Schwulen und Lesben im Fußball eingesetzt. "Herr Niersbach mache das eben nicht so."
An die Adresse der UEFA sagt sie, auch der Europäische Fußballverband sei für den Kampf gegen Homophobie verantwortlich. Damit bezog sie sich auf den Diskussionsteilnehmer Patrick Gasser, zuständig für soziale Themen bei der UEFA, der wiederum die einzelnen Verbände in den Ländern in der Verantwortung sieht.
Die Vergabe an Russland und Katar sind ein Skandal
Über die aktuelle Situation von homosexuellen Fußball-Fans sprach Fan-Vertreter Martin Endemann. Immer noch sei es sehr schwierig, überhaupt einen Ansprechpartner in den Vereinen für LGBT-Themen zu finden. Oft fühle sich niemand in den Vereinen dafür zuständig. Er haben die Erfahrung gemacht, dass Vereinsmitglieder manchmal selbst ein Problem mit dem Thema Homosexualität hätten und es auch deshalb gar nicht erst ansprechen würden.
Erst seit wenigen Jahren tue sich etwas in einigen Vereinen. Positive Beispiele seien der FSV Frankfurt, SV Babelsberg 03 oder auch SV Werder Bremen. So hätten gerade die Bremer erkannt, wie wichtig es sei, im und außerhalb des Vereins über alle Formen von Vielfalt zu sprechen und diese auch zu zeigen. So wurden am 4. April, als Werder im eigenen Stadion gegen den FSV Mainz 05 spielte, alle vier Eckfahnen mit der Regenbogenfahne beflaggt.
Einen Skandal nannte Endemann die Vergabe der Fußballweltmeisterschaften an Russland 2018 und an Katar 2022. Das seien Länder, wo nicht nur ein homophobes Klima herrsche, sondern wo homosexuelle Handlungen wie in Katar sogar unter Gefängnisstrafe stehen. Diese Entscheidungen von Seiten der Fifa könnten ja nur bedeuten, es interessiere den Weltverband nicht, ob schwule oder lesbische Fans dort hinfahren möchten, sagte Endemann. "Mann kann nur jeden Fußballfan dazu aufrufen, dagegen zu protestieren, dass die Turniere dort stattfinden."
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