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Fußball unterm Regenbogen. Um ihre Solidarität mit Schwulen und Lesben zu zeigen und sich gegen Vorurteile starkzumachen, haben die Fans des Fußball-Bundesligisten Mainz 05 beim Einlauf der Spieler ins Stadion eine Choreografie präsentiert. Doch noch gibt es nicht bei allen Vereinen so viel Engagement für gleichgeschlechtliche Lebensweisen.
© Imago

Fußball und Homosexualität: Der schwierige Kampf gegen Homophobie

Im Fußball ist Homosexualität ein heikles Thema - auch nach dem Coming-Out von Thomas Hitzlsperger. Tatjana Eggeling ist dafür Expertin: Bei ihr rufen sogar schwule Fußballprofis an.

Der Typ hinterm Tresen war auf Zack, er zapfte schnell und gründlich. Die Bedienung lieferte den Bier-Nachschub schnell und zuverlässig. Für Tatjana Eggeling, eine schlanke Frau mit nackenlangen Haaren, die keinen Alkohol trank, waren das die besten Nachrichten.

"Dem Ball ist egal, ob ihn ein Homo oder Hetero tritt"

Es gab kein Genöle, weil Bier fehlte, jeder hörte zu, was Tatjana Eggeling zu sagen hatte. Sie saß vor den Zuhörern, auf einem kleinen Podium, unter einem überdimensionalen Flachbildschirm. Die 52-Jährige nannte Beispiele, welche Sprüche die Fans von Carl Zeiss Jena auf ihre Stadion-Transparente schreiben könnten. „Dem Ball ist es völlig egal, ob ihn eine Homo- oder ein Heterosexueller tritt“. Oder: „Ob homo- oder heterosexuell, Hauptsache, guter Fußball“. Ungewöhnliche Töne in einem Fußball-Vereinsheim. Die 40 Fans blickten weder verblüfft noch lachten sie verächtlich. Sie nickten und hakten nach: Was können wir noch auf die Transparente schreiben? Wie können wir gegen Homophobie angehen? Wie können wir homosexuelle Spieler und Fans unterstützen?

Tatjana Eggeling lieferte die Antworten. Deshalb hatte das Fanprojekt Carl Zeiss Jena sie eingeladen. Eggeling, promovierte Kulturwissenschaftlerin, ist Expertin für Homosexualität im Sport, sie informierte auch schon den Sportausschuss des Bundestags.

Das Coming-Out von Thomas Hitzlsperger

Als sie im Jenaer Vereinsheim saß, war das Coming-Out von Thomas Hitzlsperger mehr als ein Jahr her. Der Bundesliga-Star, 52-maliger Nationalspieler, Deutscher Meister mit dem VfB Stuttgart, 2008 Vize-Europameister mit der deutschen Mannschaft, hatte Anfang 2014 in einem Interview in der „Zeit“ gesagt, dass er schwul ist. Wenige Monate nach seinem Karriere-Ende. Der erste deutsche Top-Fußballer, der sich nicht mehr verstecken wollte. Sein Coming-Out brachte ihm die Rolle eines „Heilsbringers“ ein. Der „Corriere dello Sport“, die große Sportzeitung im Macho-Land Italien, jubelte: „Thomas Hitzlsperger hat den Schmerz des Vorurteils zerschmettert.“ So war die Tonlage.

Den großen Schub nach vorn gab es nicht

Und jetzt, im Winter 2015? Ist der Fußball geprägt von Toleranz, Offenheit, Verständnis, befreit von Homophobie? Ist das Fan-Treffen in Jena eine der Folgen von Hitzlspergers Schritt?

„Jena war ein Highlight, keine Frage“, sagt Tatjana Eggeling. Aber Revolution? Da muss sie lachen. „Das Klima insgesamt hat sich gebessert, das schon“, sagt sie. Vor zehn Jahren hatten Vereinsfunktionäre noch behauptet, bei ihnen gäbe es keine Homosexuellen im Klub und damit auch kein Problem. „Aber das war auch die unterste Stufe der Diskussion. Doch den großen Schub nach vorne gab es noch nicht. Im Kern sind wir noch nicht vorangekommen.“ Der Kern, das wäre ein aktiver Fußballprofi, der offen mit seiner Homosexualität umgeht, das wären auch Fans, die so einen Spieler nicht auspfeifen, das wären Sponsoren, die diesem Spieler Verträge gäben, das wäre eine Gesellschaft, die so selbstverständlich über homosexuelle Profis redet wie über die Viererkette.

Stattdessen herrschen weiterhin Angst, Unsicherheit, Machotum, Intoleranz. „Hitzlspergers Schritt war nicht mal ein Startschüsschen, das müssen wir rückblickend sagen“, erklärt Tanja Walter-Ahrens. Sie ist Sportwissenschaftlerin, Ex-Fußball-Nationalspielerin, vor allem aber engagiert im Kampf gegen Homophobie im Fußball. Die ARD-Recherche-Redaktion Sport hatte ihr das Ergebnis einer Umfrage vorgelegt. Die ARD befragte 36 Klubs der 1. und 2. Bundesliga während der Saison 2014/15 zu ihrem Umgang mit Homosexualität. Nur ein Viertel aller Vereine haben sich überhaupt geäußert, darunter der FC Augsburg, Werder Bremen, Borussia Dortmund, Hannover 96, der 1. FC Köln und der SC Paderborn. Bei Bremen ist das keine Überraschung, der Verein hat sich sehr frühzeitig um das Thema gekümmert. Aber sonst? „Das ist traurig und zeigt, dass sich eben doch relativ wenig bewegt“, sagte Walter-Ahrens der ARD.

Wenn das Telefon klingelt, könnte ein schwuler Profi dran sein

Tatjana Eggeling lebt in einer gemütlichen Wohnung in Kreuzberg. Wenn das Telefon im Flur klingelt, kann es sein, dass ein schwuler Fußball-Profi dran ist, seinen Leidensdruck schildert und fragt, wie er ein Coming-out anstellen könne. Die 52-Jährige hatte mehrere solcher Gespräche geführt, sie ist bekannt in der Szene. „Homosexuelle Spieler bemühen sich extrem, als heterosexuell zu gelten. Das bindet viel Energie“, sagt sie. „Und diese Energie fehlt in der Vorbereitung und im Spiel. Einige steigen betont sehr hart ein, um als ‚echter Mann’ zu gelten.“

Sie hat seit Hitzlspergers Coming-out keinen Anruf eines schwulen Profis bekommen. Eggeling wundert es nicht. Weshalb auch soll diese lähmende Angst verschwunden sein? Philipp Lahm, der Ex-Kapitän der Nationalmannschaft, fasst das Problem in einem Satz zusammen: „Fußball ist eben archaisch.“ Er hat das dem Schwulen-Magazin „Front“ vor der Hitzlsperger-Nachricht gesagt. Zwar werden schwule Fans nicht mehr so häufig angeekelt angestarrt, sie gelten nicht mehr als die Outlaws unter den Fans. Andererseits: In ostdeutschen Bundesländern existiert kein schwul-lesbischer Fanclub. Das Fanprojekt Jena ist in Thüringen eine Ausnahme.

Eine Ausnahme in Ostdeutschland: Carl Zeiss Jena

Carl Zeiss Jena engagiert sich seit vielen Jahren gegen Homophobie. Kurz vor Eggelings Auftritt hatte der Vereinsvorstand die Erklärung der Magnus-Hirschfeld-Stiftung unterschrieben. Und damit auch den Satz: „Wir wenden uns gegen Homophobie.“

- Dieser Text erschien im gedruckten Tagesspiegel auf dem Sonderthema "Homosexualität und Gesellschaft". Lesen Sie hier, wo Vereine Unterstützung beim Thema Sexuelle Vielfalt finden.

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