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Ältere Menschen sind heute öfter einsam als früher - egal ob homo- oder heterosexuell.
© Rolf Vennenbernd/dpa

Queer weiß das (7): Keine Kinder, die sie pflegen: Haben Homosexuelle Angst vorm Alter?

Die Kolumne im Queerspiegel: Heteros fragen, Homos antworten. Dieses Mal geht es um das Thema Einsamkeit von homosexuellen Seniorinnen und Senioren.

Wie kommen Schwule und Lesben damit klar, im Alter möglicherweise auf sich allein gestellt zu sein, da sie keinen Nachwuchs haben, der sich um sie kümmert? - Dominic, Friedrichshain

Es ist nett, dass Sie sich Sorgen um das Wohlergehen Ihrer queeren Mitbürgerinnen und Mitbürger machen. In der Tat haben ja trotz steigender Zahl der Regenbogenfamilien immer noch weniger homosexuelle als heterosexuelle Paare Kinder. Andererseits bedeutet Nachwuchs für die Eltern heutzutage ja keineswegs mehr eine Garantie, dass sie im Alter auch von ihren Kindern umsorgt werden.

In unserer globalisierten, individualisierten Gesellschaft leben die Generationen häufig weit voneinander entfernt, vielfach fehlen seitens der Jüngeren Zeit und Bereitschaft, für die Alten da zu sein. Davon zeugen allein schon die vielen professionellen Pflegedienste. Sie übernehmen Aufgaben, für die einst quasi automatisch die Kinder zuständig waren.

So ist auch für heterosexuelle Senioren mit Kindern das Risiko von Alterseinsamkeit heute weit höher als noch vor 30, 40 Jahren. Kinderlose Homosexuelle haben ihnen gegenüber vielleicht sogar einen Vorteil: Ihnen ist diese Problematik bereits früher bewusst, und sie können sich beizeiten darauf einstellen. Das Verhältnis zur Familie ist für viele queere Menschen – zumal aus der Generation 70 plus – ohnehin häufig ein ambivalentes.

Es gibt zu wenige professionelle Pflegeangebote für queere Menschen

Denn wer in den fünfziger oder sechziger Jahren sein Coming Out hatte, konnte nicht unbedingt auf das Verständnis von Eltern, Tanten und Geschwistern zählen. Zudem galt der Paragraf 175, Schwulsein war quasi illegal.

Aufgrund von familiärer und gesellschaftlicher Ausgrenzung ist für Trans- und Homosexuelle die Bedeutung von Freundinnen und Freunden traditionell besonders hoch. Wie wichtig Ersatzfamilien und Netzwerke sind, haben vor allem Schwule zu Hochzeiten der Aids-Krise schmerzhaft erfahren. Die Herkunftsfamilien wendeten sich vielfach von den stigmatisierten Kranken ab. Ohne ihre queeren Freunde wären viele allein gestorben.

Aber selbst ein langlebiger, engagierter Freundeskreis kann nicht alle Bedürfnisse abdecken. Schätzungen gehen deutschlandweit von über 100 000 pflegebedürftigen Homosexuellen aus. Es existieren jedoch kaum professionelle Angebote für sie. In Berlin gibt es immerhin seit 2012 die Wohngemeinschaft „Lebensort Vielfalt“, ein Mehrgenerationenhaus für schwule Männer mit Pflegebedarf und Demenz. Der Bedarf für ähnliche Einrichtungen dürfte gerade in der Homo-Hochburg Berlin groß sein. Denn es ist niemandem zu wünschen, an seinem/ihrem Lebensabend in einem Altersheim plötzlich noch einmal über ein Outing grübeln zu müssen oder alte Ablehnungsrunden ein weiteres Mal zu durchlaufen.

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Dieser Text erschien zunächst in der gedruckten Samstagsbeilage Mehr Berlin.

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