Landesparteitag der AfD in Berlin: Hoffnung auf Rückenwind für den Wahlkampf
Der Erfolg der AfD bei den drei Landtagswahlen könnte der rechtspopulistischen Partei auch in Berlin Auftrieb geben. Bislang steht sie bei sieben Prozent und zeigte wenig innere Einigkeit.
- Sigrid Kneist
- Ronja Ringelstein
Auch in Berlin blicken viele mit Spannung auf die drei Landtagswahlen am heutigen Sonntag. Denn dieses Jahr wird auch hier über das Landesparlament und die Bezirksverordnetenversammlungen abgestimmt, und die Ergebnisse, die ab 18 Uhr in ersten Hochrechnungen kommen, gelten vielen als Vorzeichen. Vor allem die bislang noch nicht im Abgeordnetenhaus vertretene „Alternative für Deutschland“ (AfD) misst den Wahlen in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz große Bedeutung bei. Es ist kein Zufall, dass am heutigen Sonntag der Landesparteitag der Berliner AfD im A&O Kolumbus-Hotel in Lichtenberg stattfindet, um das Wahlprogramm zu verabschieden. Im Anschluss steigt eine Wahlparty – die AfD gibt sich bereits siegesgewiss. Am Nachmittag wird Bundeschefin Frauke Petry dort erwartet.
In Berlin liegt die AfD bei sieben Prozent
„Die Landtagswahlen haben eine große Bedeutung für uns, denn sie werden eine Signalwirkung für Berlin haben“, sagte im Vorfeld Georg Pazderski. Neben Beatrix von Storch ist er seit Januar Vorsitzender des Berliner Landesverbandes. „Ich erwarte und hoffe, dass die AfD in den Ländern mit zweistelligen Ergebnissen einziehen wird.“ Damit könnte er den aktuellen Umfragen zufolge durchaus richtig liegen. In der Hauptstadt ist die Partei mit sieben Prozent noch weniger stark, doch für einen Einzug ins Abgeordnetenhaus würde das allemal reichen. „Die AfD in Berlin hat bisher nicht viel von sich reden gemacht. Sie war weder groß in den Medien, noch hat man von ihren politischen Inhalten viel gehört“, bilanziert Oskar Niedermayer, Parteienforscher an der Freien Universität Berlin. Gute Wahlergebnisse in den anderen Bundesländern werden ihr aber beim Berliner Wahlkampf bis September nutzen, meint er.
Allerdings fiel die Berliner AfD durchaus auf – durch Negativschlagzeilen wie nach den Betrugsvorwürfen bei der Vorstandswahl im Januar oder nach der Aussage Beatrix von Storchs, Frauen und Kinder sollten mit Waffengewalt vom illegalen Grenzübertritt nach Deutschland abgehalten werden. Nachdem von Storch, die auch Europaabgeordnete ist, wegen dieser Aussage nun aus der europaskeptischen ECR-Fraktion der Konservativen im Europaparlament ausgeschlossen werden soll, behauptete sie, dass es sich bei dem Ausschluss um eine von der Kanzlerin erdachte Verschwörung handele, um die AfD vor den Wahlen zu schwächen.
Richtungsstreit nach der Gründung
Nach ihrer Gründung 2013 hatte die Bundes-AfD innerparteiliche Richtungsstreitigkeiten zwischen nationalkonservativem und liberalkonservativem Flügel auszukämpfen, die mit der Bundesvorsitzenden Frauke Petry vom rechten Flügel 2014 gewonnen wurden. Diese Querelen wirkten sich auch auf den Berliner Landesverband aus. Der Rechtsruck vollzog sich hier aber erst vergleichsweise spät. Der frühere Landesvorsitzende Günter Brinker zählte eher zum gemäßigten Flügel und hatte sich aus den parteiinternen Kämpfen des vergangenen Sommers herausgehalten. Die Parteibasis in Berlin dankte es ihm nicht – Brinker war ihr zu ruhig und zu unauffällig. Auch die Berliner Partei wollte endlich die aggressiven Töne, für die Beatrix von Storch und Georg Pazderski bekannt sind. Die Umfragewerte in der Hauptstadt lagen bis dahin weit unter denen in anderen Bundesländern wie Sachsen-Anhalt.
Mitte Januar, als die Mitglieder auf dem Parteitag den Landesvorstand neu wählten, lag die Stimmung des Umschwungs im Saal des Hotels Maritim pro Arte an der Friedrichstraße richtig in der Luft. Nur verhaltener Beifall für den alten Vorsitzenden, starker Applaus für die neuen Kandidaten von Storch und Pazderski. Damit diese eine Doppelspitze bilden konnten, wurde die Satzung geändert. Das Ergebnis war entsprechend. Brinker chancenlos, und der nationalkonservative Flügel der Partei setzte sich auch in Berlin durch. Die Anhänger des nicht wieder gewählten ehemaligen Landesvorsitzenden wollten allerdings nicht ohne Weiteres klein beigeben. Sie sprachen von einem versuchten Wahlbetrug durch zwei Parteimitglieder, die doppelt abstimmen wollten. Es folgte eine Strafanzeige. Und dem neuen Parteivorstand blieb nichts anderes übrig, als ein Parteiausschlussverfahren gegen die beiden anzustrengen. Dieses wird sich aber so lange hinziehen, dass es vor der Abgeordnetenhauswahl nicht entschieden sein wird. Trotz des Zwischenfalls schlug die AfD Berlin also ein neues Kapitel auf.
Beatrix von Storch macht Schlagzeilen
Von Storch macht Schlagzeilen. Und auch die Umfragewerte steigen. Von nun an wolle man als Einheit auftreten und Stärke nach außen zeigen, hatte der neue Landesvorsitzende Pazderski für den Wahlkampf angekündigt. Jeder Anflug von Zerrissenheit würde der Partei beim Wahlkampf schaden. „Dass es innerhalb des Landesverbands Meinungsverschiedenheiten gibt, ist deutlich geworden. Es spricht viel dafür, dass sie sich so lange am Riemen reißen, bis die Wahlen vorbei sind“, sagt Parteienforscher Niedermayer. Er erwartet, dass die AfD strategisch zweigleisig fährt, einerseits mit dem lauten rechtspopulistischen Flügel und dem etwas gemäßigteren: „Die AfD kann nur gute Wahlergebnisse erreichen, wenn sie eine Bandbreite bedient zwischen nationalkonservativen Leuten bis hin zum äußersten rechten Rand.“ Die Wahl der Landesliste und Benennung des Spitzenkandidaten wird voraussichtlich in den ersten beiden Wochen des Aprils stattfinden. Es ist anzunehmen, dass Georg Pazderski Spitzenkandidat wird; seine Kovorsitzende wird ihr Mandat im Europaparlament trotz Rauswurfs aus der Fraktion wohl nicht aufgeben. Das müsste sie aber, wenn sie ins Landesparlament wollte. Bei der Benennung der Spitzenkandidaten gibt sich die AfD bislang geheimnisvoll. Da sie noch nicht im Abgeordnetenhaus und in der Bezirksverordnetenversammlung vertreten ist, braucht sie noch 2200 Unterstützungsunterschriften für die Landesliste. Für die Mobilisierung in der Breite kann sie nach Angaben eines Parteisprechers auf knapp 1000 Mitglieder setzen.
Parteienforscher: Noch keine Wahlkampfstrategie erkennbar
Welche Wahlkampfstrategie die Partei für Berlin hat, kann Niedermayer noch nicht erkennen, denn „die ist der Berliner AfD offenbar selbst noch nicht so richtig klar“. Pazderski selbst bleibt bei der Beantwortung dieser Frage im Vagen und sagt, man wolle „präsent sein“. Allerdings werde es für die AfD in Berlin wohl schwieriger als in anderen Bundesländern, meint Niedermayer. Dies liege an der in Berlin stärker vertretenen politischen Linken. Es sei aber auch klar, dass Gewalt und Drohungen, wie sie etwa gegen das zunächst als Veranstaltungsort für den Landesparteitag eingeplante A&O-Hotel angekündigt waren, der AfD mehr nutzen als schaden. Es ist zu erwarten, dass auch der heutige Parteitag durch Linksextremisten gestört wird. Doch das wird die Stimmung der Parteimitglieder kaum beeinträchtigen, sollte die AfD heute tatsächlich in drei Landtage einziehen.