Rausschmiss aus Fraktion in Brüssel: Den Konservativen ist die AfD zu rechts
Beatrix von Storch und Marcus Pretzell (AfD) stehen vor dem Ausschluss aus der Fraktion der Konservativen im EU-Parlament – sie gelten als zu radikal und zu russlandfreundlich.
Beatrix von Storch und Marcus Pretzell sehen sich als Opfer eines großen politischen Komplotts. „Cameron kämpft um sein politisches Überleben“, ist eine Pressemitteilung der beiden AfD-Europaabgeordneten überschrieben. Darin machen die beiden Politiker den britischen Premierminister sowie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für ihren offenbar bevorstehenden Ausschluss aus der Brüsseler Fraktion der „Europäischen Konservativen und Reformer“ (EKR) verantwortlich.
Nach Informationen des Tagesspiegels hatte der EKR-Fraktionsvorstand Pretzell und von Storch am Dienstagabend aufgefordert, bis Ende März freiwillig zu gehen. Andernfalls soll die gesamte Fraktion formal über einen Ausschluss abstimmen. Mit zusammen 37 der insgesamt 75 Mitglieder stellen die britischen Tories und die polnische PiS-Partei knapp die Hälfte der Fraktion. Der PiS ist die Russlandfreundlichkeit der AfD schon länger ein Dorn im Auge, bei den Tories hatten unter anderem von Storchs Äußerungen zum Waffeneinsatz gegen Flüchtlinge für Entsetzen gesorgt. Rechnet man die fünf Abgeordneten der AfD-Abspaltung „Alfa“ von Ex-Parteichef Bernd Lucke dazu, dann dürfte eine Mehrheit für den Ausschluss der AfD sicher sein.
Ein Ausschluss würde von Storch und Pretzell hart treffen
Das sehen die beiden AfD-Parlamentarier ganz anders. Es habe keinen Beschluss der Fraktion gegeben, teilte Storch mit, die auch Berliner AfD-Landeschefin ist. Sie insinuiert damit, ein Ausschluss sei vom Tisch: „Der gestellte Antrag wurde in der Fraktionssitzung zurückgezogen, weil es keine Mehrheit für einen Ausschluss gab.“ Die Aufforderung des Vorstandes an sie erwähnt von Storch nicht. Stattdessen vermutet sie Absprachen auf allerhöchster Ebene: David Cameron brauche deutsche Steuergelder, um die britischen Wähler vor der Brexit-Abstimmung im Sommer „gefügig“ zu machen. Weil er dafür auf Merkel angewiesen sei, solle der AfD nun kurz vor den Landtagswahlen geschadet werden: „Das politische Amok-Paar Merkel-Cameron wittert seine letzte Chance.“
Den Anstoß für einen Ausschluss der AfD-Mitglieder hatte der Abgeordnete der deutschen Familienpartei, Arne Gericke, gegeben. „Ich rechne damit, dass beide nach dem Wahlsonntag freiwillig gehen“, sagte dieser dem Tagesspiegel.
Ein Fraktionsausschluss würde von Storch und Pretzell hart treffen. Verlören sie damit doch nicht nur den Zugriff auf Mitarbeiter und Finanzen der Fraktion. Die Aufnahme in die EKR-Fraktion war von Anfang an ein politisches Prestigeprojekt der AfD, das noch von Lucke eingefädelt worden war. In einer Fraktion mit den britischen Tories zu sitzen – das galt stets als Schutzschild gegen den Vorwurf, rechtsradikal zu sein.
Mit der FPÖ verbindet die AfD inzwischen viel
Allerdings hatte Pretzell vor kurzem zusammen mit AfD-Chefin Frauke Petry, seiner Lebenspartnerin, den Chef der österreichischen FPÖ, Heinz-Christian Strache, in Köln zu einer Kundgebung empfangen. Auch dies gilt als Grund für die Ausschlusspläne. Die FPÖ bildet zusammen mit dem französischen Front National (FN) eine Fraktion. Mit dem will die AfD angeblich nichts zu tun haben.
Unterdessen bereitet die Bundes-AfD ihr erstes Grundsatzprogramm vor, über das Ende April ein Parteitag in Stuttgart abstimmen soll. Rund 30 Prozent der Mitglieder beteiligten sich an einer parteiinternen Umfrage dazu, nach der 96 Prozent von ihnen wollen, dass das Asylrecht eingeschränkt und die Einwanderung nach Deutschland insgesamt begrenzt wird. In dem abgestimmten Vorschlag der Programmkommission heißt es: „Allein bei den Hoch- und Mittelqualifizierten kann Zuwanderung aus Drittstaaten ein zusätzliches Element sein, soweit die vorrangige Zuwanderung von EU-Bürgern nicht ausreicht“.
Viele Reformen sollen zurückgedreht werden, darunter die Abschaffung der Wehrpflicht und der „Doppelpass“. Auch in der Familienpolitik schaut die AfD in die Vergangenheit: Drei Viertel der Teilnehmer der internen Umfrage wollen, dass im Scheidungsverfahren künftig wieder die „Schuldfrage“ geklärt wird. Diffus blieb das Meinungsbild der Parteimitglieder dagegen bei den Themen Mindestlohn und Gentechnik.