Bundesliga-Saisonvorschau (15): TSG Hoffenheim: Mit viel Zug in Sinsheim
Die TSG Hoffenheim spielt nach einer guten Saison heute um die Teilnahme an der Champions League gegen den FC Liverpool.
Am 18. August startet die Fußball-Bundesliga in die neue Saison. In unserer Serie testen wir die Vereine. Heute Teil 15: TSG Hoffenheim.
Was hat sich verbessert?
Vor allem die Reputation. Neun Jahre nach dem Bundesliga-Aufstieg hat Hoffenheim endlich den Sprung ins internationale Geschäft geschafft, und das mit einer vergleichsweise bescheiden besetzten Mannschaft (die ein Jahr zuvor beinahe noch abgestiegen wäre). Das Gastspiel des FC Liverpool heute Abend in der Qualifikation zur Champions League segnet die Arena in Sinsheim mit jenen höheren Weihen, von denen Klubpatron Dietmar Hopp immer geträumt hat, seitdem er selbst das Hoffenheimer Trikot trug und dieses schöne Tor schoss. In seiner Erinnerung ging es so: „Flanke von rechts, ich stehe am Strafraum, ziehe ab und der Ball saust unter die Latte.“ Damals allerdings nicht in der Champions League, sondern in der Kreisliga, und das Fernsehen war auch noch nicht dabei.
Wer sind die Neuen?
Manager Alexander Rosen präsentiert zwei große Namen, mit denen nicht unbedingt zu rechnen war. Havard Nordtveit zählte im vergangenen Sommer zu den begehrtesten zentralen Mittelfeldspielern, die die Bundesliga zu bieten hatte. Borussia Mönchengladbach hätte ihn gern behalten, war aber chancenlos gegen die Strahlkraft der Premier League und das große Geld, mit dem West Ham United lockte. England schien für das physisch geprägte Spiel des Norwegers ein perfektes Umfeld zu sein, aber Nordtveit kam nie richtig an. Es reichte nur zu 21 Spielen, davon ganze acht über 90 Minuten. Dann löste er seinen noch bis 2021 datierten Vertrag auf und sucht jetzt einen Neuanfang in Hoffenheim. Nicht weniger überraschend kam die Verpflichtung von Serge Gnabry, dem Senkrechtstarter des vergangenen Jahres. Der Stürmer empfahl sich nach einer guten ersten Bundesligasaison in Bremen gleich für einen Vertrag beim FC Bayern, der ihn weiter nach Hoffenheim verlieh, interessanterweise auf Gnabrys ausdrücklichen Wunsch und eigene Initiative. Spricht daraus realistisches Einschätzungsvermögen oder mangelnder Kampfgeist? Die Experten streiten noch.
Wer hat das Sagen?
Nach außen hin Julian Nagelsmann, Deutschlands größte Trainerbegabung seit Thomas Tuchel (was macht der eigentlich?). Wer in eineinhalb Jahren einen Abstiegskandidaten auf Platz vier führt, kann der Vereinsführung seine Bedingungen diktieren. Dass Nagelsmann von dieser Möglichkeit keinen demonstrativen Gebrauch macht und klaglos den Verlust wichtiger Spieler akzeptiert, spricht für seine Integrität (und gegen den Vergleich mit Tuchel). Außerdem arbeitet er offenbar perfekt mit Alexander Rosen zusammen, dem Baumeister des Kaders und zweiten starken Mann der TSG.
Was erwarten die Fans?
Dafür, dass die TSG mit ihren neun Jahren in der Erstklassigkeit zu den Küken der Liga gehört und die traditionelle lokale Konkurrenz in Mannheim und Karlsruhe weitgehend in der Bedeutungslosigkeit versunken ist, ist das Hoffenheimer Publikum ganz schön wählerisch. Die Arena ist trotz bemerkenswerter sportlicher Erfolge eher selten ausverkauft, was Trainer Julian Nagelsmann mit der viel zitierten Bemerkung kommentierte: „Das ist grenzwertig“, denn mehr als so ziemlich alle Heimspiele zu gewinnen sei nun mal nicht drin. Das Spiel gegen Liverpool war zwar in Rekordzeit ausverkauft, aber da war die Prominenz des Gegners wohl nicht ganz schuldlos.
Was ist in dieser Saison möglich?
Mal sehen, wie Hoffenheim den Verlust von Abwehrchef Niklas Süle und Mittelfeld-Organisator Sebastian Rudy verkraftet. Beide werden den FC Bayern vielleicht nicht entscheidend verstärken, aber ihr Wechsel wird die TSG allemal schwächen. Dazu kommt die Mehrfachbelastung durch das europäische Engagement. Die Hoffenheimer müssen zeigen, ob sie auch unter diesen Voraussetzungen ganz oben mitspielen können. So furchtbar viel spricht nicht dafür.
Und sonst?
Wo liegt eigentlich dieses Hoffenheim? Und wie kommt man da hin? Fragen, denen sich das „Liverpool Echo“ vor dem heutigen Spiel in der Champions-League-Qualifikation widmete und so beantwortete: „Unglücklicherweise können Sie nicht direkt nach Hoffenheim fliegen, weil es sich dabei um ein winziges Dorf handelt.“ Als günstigste Route preist das Blatt einen Flug von Manchester via Hamburg nach Stuttgart an. Für die weitere Reise empfehle sich eine direkte Zugverbindung nach Sinsheim, von der die Deutsche Bahn allerdings noch nichts weiß. Im Zweifelsfall sollten die englischen Fans heute Nachmittag besser in Heidelberg oder Heilbronn umsteigen.
Morgen Folge 16: Borussia Dortmund. Bisher erschienen: 1. FC Köln, Hannover 96, VfB Stuttgart, VfL Wolfsburg, 1. FSV Mainz 05, Hamburger SV, FC Augsburg, Bayer Leverkusen, Eintracht Frankfurt, FC Schalke 04, Borussia Mönchengladbach, Werder Bremen, SC Freiburg, Hertha BSC und 1. FC Köln.
Sven Goldmann