Bundesliga-Saisonvorschau (5): Hamburger SV: Groß ist nur die Leidensfähigkeit
Beim Hamburger SV soll wieder mal alles besser werden als in der Vorsaison. Doch im Umfeld des Klubs hat sich nichts geändert.
Am 18. August startet die Fußball-Bundesliga in die neue Saison. In unserer Serie testen wir die Vereine.
Teil fünf: Hamburger SV.
Was hat sich verbessert?
Das ist eine Frage mit hohem Anspruch. Viel entscheidender ist erstmal, dass sich eins nicht geändert hat, nämlich das Umfeld, in dem der HSV seinen Fußball zur Vorführung bringt. Trotz einer größtenteils desaströsen Saison 2016/17 darf der HSV auch zum 55. Mal in Folge bei den Großen mitbolzen, obwohl er schon seit ein paar Jahren nur noch in der Eigenwahrnehmung zu den wahrhaft Großen zählt. Auch das Gehaltsvolumen kündet von längst vergangenen Höhenflügen, mit den Großverdienern Aaron Hunt, Pierre-Michel Lasogga und Lewis Holtby, die der HSV gern an die Konkurrenz abgestoßen hätte (aber dafür müsste es als Abnehmer schon einen HSV 2.0 geben).
Ansonsten ist es unter dem Trainer Markus Gisdol wie jedes Mal im Sommer, auch unter seinen Vorgängern Thorsten Fink, Mirko Slomka oder Bruno Labbadia: Alles soll besser werden als beim letzten Mal, was kein so hoher Anspruch ist, denn sehr viel schlechter kann es ja kaum werden.
Wer sind die Neuen?
Aus Mönchengladbach kommt André Hahn, der sich dort in seinen drei Jahren nicht unbedingt weiterentwickelt hat, aber immer noch zu den schnellsten Offensivspielern der Liga gehört. Der aus Kaiserslautern akquirierte Julian Pollersbeck hat mit der deutschen U 21 eine großartige Europameisterschaft gespielt und streitet mit Christian Mathenia um den Platz im Hamburger Tor – aber dort waren in jüngster Vergangenheit noch die geringsten Probleme zu verorten.
Was dem HSV fehlt, ist Kreativität im Mittelfeld und Verlässlichkeit in der Verteidigung. Sportdirektor Jens Todt ist sich mit Sparta Rotterdam einig über die Verpflichtung des Niederländers Rick van Drongelen, aber der ist mit seinen 18 Jahren nicht unbedingt auf Anhieb für eine Rolle als Führungsspieler prädestiniert.
Wer hat das Sagen?
Der starke Mann im Klub ist einer, der im offiziellen Organigramm gar nicht auftaucht. Aber ohne die Zuwendungen des milliardenschweren Fans Klaus-Michael Kühne würde es den HSV vielleicht schon gar nicht mehr geben, jedenfalls nicht in seiner lieb gewonnenen Rolle als Maskottchen „Dino der Bundesliga“. Es war Kühne, der seinem Herzensklub in der vergangenen Winterpause die Innenverteidiger Kyriakos Papadopoulos und Mergim Mavraj spendierte. Sonst hätte der HSV die Saison auf dieser spielentscheidenden Position mit den Koryphäen Johan Djourou, Emir Spahic oder Cleber zu Ende spielen müssen und wäre mit einiger Sicherheit abgestiegen.
So geht das beim HSV seit fünf Jahren, als Kühne seinem Herzensklub ein Darlehen über 8,5 Millionen Euro gab, zweckgebunden an den Einkauf seines persönlichen Lieblingsspielers Rafael van der Vaart. Seitdem ist Kühnes Kreditgeberlaune ein fest eingeplanter Posten im Etat. Auch in diesem Sommer verprassen die Hamburger wieder reichlich Geld, das ihnen nicht gehört. Natürlich und ungefragt betonen sie in Hamburg, dass der Finanzier keinen Einfluss darauf nimmt, was mit seinen Millionen angestellt wird. Aber wahrscheinlich rechnen sie selbst nicht damit, dass ihnen jemand diesen Blödsinn abnimmt.
Was erwarten die Fans?
Das Hamburger Publikum hat zuletzt zu viel erlebt, als dass es von seinem Klub noch mehr als Existenzsicherung erwarten würde. Insofern war die vergangene Saison schon eine gute, weil sie nicht bis in die Relegation hinein verlängert wurde. Die Leidensfähigkeit im Volkspark ist beispiellos und so ziemlich das einzige, was beim HSV wirklich erstklassig ist.
Was ist in dieser Saison möglich?
Zu mehr als einem Platz im defensiven Mittelfeld der Tabelle wird es wohl nicht reichen. Und sollte Stürmer Nikolai Müller auch noch seinen Wechsel zum VfL Wolfsburg durchsetzen, ist auch dieses bescheidene Ziel in höchster Gefahr. Das Hamburger Spiel leidet an einer Fantasielosigkeit, die durch zwei, drei Transfers nicht plötzlich in Esprit umschlägt. „Eine nachhaltige Entwicklung braucht Zeit“, sagt Trainer Markus Gisdol. Mal sehen, wie viel Zeit er selbst bekommt. Sein Vorgänger Bruno Labbadia wurde im Dezember 2015 zum „Hamburger des Jahres“ gewählt und bekam im September 2016 die Kündigung.
Und sonst?
Zieht der HSV auswärts nicht mehr? Tickets für die Hamburger Gastspiele bei Borussia Dortmund und Schalke 04 sind seit Donnerstag beim Discounter Aldi im Angebot, als Pauschalangebot mit Übernachtung im Vier-Sterne-Hotel.
Die Bundesliga-Saisonvorschau (5) zum FSV Mainz 05 lesen Sie hier.