Interview | Filmpark-Chef Friedhelm Schatz: „Plan C: Wir lassen es 2021 krachen“
Friedhelm Schatz spricht im Interview über Krisenpläne für den Filmpark Babelsberg, seine Bauprojekte und Kreativität in Coronazeiten. Seinen Optimismus möchte er trotz allem nicht verlieren.
Herr Schatz, in Potsdam und Brandenburg darf vieles wieder öffnen - Gaststätten, Geschäfte, Spielplätze. Freizeitparks wie Ihr Filmpark aber nicht. Haben Sie dafür Verständnis?
Lassen Sie mir, bevor ich darauf antworte, ein paar persönliche Worte: Ich habe festgestellt, dass ich im Moment sehr intensiv träume. Ganze Spielfilme. Früher hat man nachts versucht, mit der Denkmaschine etwas zu verarbeiten. Wenn man dann aufwachte, war klar: Ist ja alles Quatsch, ist gar nicht so schlimm. Heute Nacht habe ich geträumt, der Filmpark ist zu. Ganz realistisch. Vor der Türe stehen tausende Menschen, und ich kann sie nicht reinlassen. Dann bin ich wach geworden. Und im Gegensatz zu früher habe ich gedacht: Mist, es stimmt ja. Es ist eine ganz komische Situation.
Sie macht Ihnen zu schaffen?
Es ist ein Grad der Fremdbestimmung, der unglaublich weit über das hinausgeht, was wir alle bisher kannten. Völlig verrückt ist das. Der einzige Strohhalm, den man als Unternehmer hat, ist das, was Mutti da in ihrem Druidenkreis beschließt. Daran muss man sich entlanghangeln. Und nein, natürlich kann ich für meine Unternehmungen - den Filmpark, die Metropolishalle und das El Dorado in Templin – mit der jetzigen Lage nicht zufrieden sein. Ich hätte mir gewünscht, dass eine Perspektive aufgezeigt wird. Dass bei aller Vorsicht deutlich gemacht wird: Wir beschäftigen uns damit intensiv. Freizeit, Tourismus und Veranstaltungen gehören gerade in Potsdam zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen.
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Sie sind viele Jahre im Geschäft, Höhen und Tiefen gewohnt. Wird die Coronakrise existenzbedrohend für Ihr Lebenswerk?
Den Filmpark gibt es seit 27 Jahren. Wir haben jedes Jahr aufgemacht. Nur jetzt nicht. Das ist wirtschaftlich extrem belastend, auch für ein gut aufgestelltes Unternehmen wie uns. Man muss schon Reserven haben, um diese Geschichte zu überstehen. Die Bücher der Metropolishalle waren voll wie nie. Das ging von einem Tag auf den anderen auf null. Ja, das hat einen bedrohlichen Charakter.
Was bedeutet das konkret? Sind Mitarbeiter in Kurzarbeit? Haben viele ihre Saisonjobs gar nicht antreten können?
Wir haben das Angebot des Staats wahrgenommen, die Mitarbeiter des Filmparks überwiegend in Kurzarbeit geschickt und nur eine Rumpfmannschaft vor Ort gelassen. Wenn wir Volllast haben, im Sommer, in der Hauptsaison, tummeln sich um die 250 Mitarbeiter. Davon sind bis auf 30 alle in Kurzarbeit. Wir haben auf das Kurzarbeitergeld etwas draufgelegt.
Das gilt auch für das El Dorado in Templin?
Im Eldorado ist es eine Mischform, ein Teil der Mitarbeiter ist in Kurzarbeit, ein Teil nicht eingestellt worden.
Wie kann es jetzt weitergehen?
Wir haben für den Filmpark zwei Szenarien in der Schublade. Das eine ist der Worst Case, falls wir gar nicht mehr aufmachen dürfen. Das zweite ist, dass wir zum Beginn der Sommerferien zum 21. Juni aufmachen dürfen. Das sieht für den Sommer einen wesentlich kleineren Filmpark vor. Meine geliebten Horrornächte, bei denen dreitausend, viertausend Leute durch den Filmpark laufen, werden wohl nicht stattfinden können. Alles muss strikt genehmigungsfähig sein. Es gibt keinen hundertprozentigen Schutz vor dem Virus - aber es wäre ein Horrorszenario, wenn hier ein neuer Hotspot entstünde. Ich habe die Parole ausgegeben, dass ich bis Ende Mai, spätestens Anfang Juni entscheiden möchte, ob wir öffnen.
Gut möglich also, dass der Filmpark diese Saison dicht bleibt?
Ja. Es kann sein, dass wir sagen müssen, es macht wirtschaftlich keinen Sinn. Dann greift der Plan C. Dann werden wir es Ostern 2021 richtig krachen lassen und die Zeit nutzen, zu bauen und zu investieren.
Kann Ihr Unternehmen das durchhalten?
Ja, eindeutig. Wir haben Reserven, Gott sei Dank! Wir haben gute Jahre hinter uns. Wir haben solide gewirtschaftet. Der Filmpark ist in keiner Weise grundsätzlich bedroht. Wir kriegen das auf die Reihe. Es tut weh. Wir sind auf Unterstützung angewiesen. Wir nehmen das in Anspruch, wie andere auch. Aber wir werden das eindeutig überstehen, egal mit welchem Szenario. Ich lasse doch nicht mein Lebenswerk durch so ein blödes Virus kaputt gehen.
Wie sieht es für das El Dorado aus?
Vielleicht machen wir dort schon über Pfingsten unsere Hotellerie auf, wir haben eine gute Buchungslage. Programm gibt es dann zwar nicht, aber man kann ins Grüne und hat ein bisschen Urlaub. Auch dort ist unser Konzept, zum Beginn der Sommerferien richtig zu starten.
Veranstaltungen mit vielen Menschen unter einem Dach sind gegenwärtig schwer vorstellbar. Was heißt für die Metropolishalle?
Großveranstaltungen unter den jetzigen Umständen sehe ich nicht. Die Gefahr durch das Virus ist weiter da. Fest in unseren Auftragsbüchern haben wir zum Beispiel die grandiose Gala zum 30. Jahrestag der Deutschen Einheit. In Abstimmung mit der Staatskanzlei wurde jetzt durchgerechnet, wie viele Leute unter den neuen Parametern, mit Abstand, rein theoretisch teilnehmen könnten: Da kam man auf eine Zahl von 351 statt der geplanten 2500. Wie das wäre, auch von der Stimmung, mag ich mir nicht wirklich vorstellen. Und alle Gäste zu dokumentieren, nachvollziehbar zu machen, ist bei Großveranstaltungen fast gar nicht zu leisten, trotz aller technischen Möglichkeiten.
Was heißt das für die Zukunft?
Die Branche wird sich erholen. Vielleicht gibt es Modifikationen in der Form, weil der Schock so tief sitzt. Aber Kongresse, Veranstaltungen, Galas wird es wieder geben. Wann? Nächstes Jahr, denke ich, wenn sich alle finanziell wieder etwas gerüttelt haben, vielleicht auch erst 2022. Aber es wird funktionieren.
Können Sie trotz Krise die Pläne aufrechterhalten, die Medienstadt baulich weiterzuentwickeln?
Natürlich! Ohne Frage. Dieser legendäre Standort hat das Kaiserreich überstanden, hat die verfluchten Nazis überstanden, die Defa hat trotz kreativer Einflussnahme großartige Filme produziert. Jetzt haben alle ihre Probleme, aber Babelsberg wird diese Krise überstehen. Und wir bauen weiter, auch jetzt: Unser Depotgebäude ist voll im Plan, wir werden am 1. November umziehen, zur Berlinale eine fulminante Eröffnung des Kostümfundus haben - das planen wir zumindest. Wir sind in der finalen Baugenehmigungsphase für das Sammlungsgebäude für das Filmmuseum, und ich hoffe, dass wir im Juli mit den Erdarbeiten anfangen können. Im Sommer 2022 wird es fertig sein. Auch mit der Schule sind wir trotz hochkomplizierter Verhandlungen in der finalen Abstimmung, so dass auch der Bau wohl spätestens im Frühjahr nächsten Jahres beginnen kann. Und wir werden in diesem Jahr anfangen, das Parkhaus zu bauen. Das brauchen wir dringend, dort integriert ist die Sporthalle für die Schule. Und wir bauen für den Filmpark ein neues Werkstattgebäude, die alten Baracken kommen weg.
Und das geplante Hotel?
Das Hotel ist nicht einfach in der Finanzierung, jetzt, wo alles heruntergefahren ist, viele zu kämpfen haben, überhaupt zu überleben. Aber wir bringen auch das Konzept auf den Punkt. Wir legen das Hotel nicht auf die Seite. Wir wollen vorbereitet sein, alles parat haben, wenn die Zeit wieder vernünftig ist. Der Ausbau läuft konsequent weiter, das ist auch nicht aufzuhalten.
Wann können die ersten Schüler an der Filmpark-Grundschule lernen?
Baubeginn wird Frühjahr 2021, zwei Jahre Bauzeit. Mit dem Sommer 2023 könnte die Schule am Netz sein, endlich.
Woran hängt es noch?
Es ist ja das erste Mal, dass die Stadt Potsdam eine Schule in öffentlich-privater Partnerschaft bauen lassen will. Da gibt es viele Vorgaben, es reden viele mit. Mir erscheint das Verfahren ziemlich kompliziert, aber ich bleibe dabei: Die Schule, die hier entsteht, muss eine öffentliche Schule werden. Mit Privatschulbetreibern könnte ich morgen Verträge abschließen, der Bedarf ist da. Aber es hat für mich oberste Priorität, das mit der Stadt hinzubekommen. Ich hoffe, dass wir in drei Monaten sagen können: Die Verträge sind unterschrieben.
Worum wird gerungen?
Es wird sich darüber unterhalten, wie die Fensterknöpfe aussehen, wie die Fugenbreite der Kacheln ist – die Stadt legt sehr detailliert Wert darauf, dass der Bau des Filmparks mit dem vergleichbar ist, was der Kommunale Immobilienservice baut. Ich muss ehrlich sagen: Ich nehme an den Sitzungen schon nicht mehr teil, ich halte das nicht aus. Doch das Verfahren ist eben so, das haben wir zu akzeptieren.
Sie sagten vor geraumer Zeit, Investoren, Ansiedlungswillige, potenzielle Käufer und Mieter stünden Schlange für die Flächen und Büros in der Medienstadt. Ist die Nachfrage noch da?
Im Moment gibt es eine Delle. Im Moment haben alle etwas anderes zu tun. Aber das wird zurückkommen. Es wird vielleicht ein Jahr dauern, doch die Attraktivität des Standortes ist ungebrochen. Das neue Gebäude an der August-Bebel-Straße, fast fertig, ist auch schon voll.
Welche Unterstützung ist nötig?
Die Politik sollte sich im Moment voll auf ein zielgerichtetes Krisenmanagement konzentrieren und sie muss die Ziele sehr schnell identifizieren. Da gilt für Brandenburg, für Potsdam, endlich den Bereich Tourismus und Freizeit nach vorn zu schieben! Da hängen so viele Menschen dran, allein in Potsdam. Wir kennen doch unser Städtchen. Wir sind ein Dienstleistungs- und Tourismusort. Später, wenn wieder etwas funktioniert, ist die Frage: Wie können wir weitere Aktivitäten anschieben? Und es wird eine Bestandsaufnahme geben müssen: Was ist noch da? Wer hat überlebt? Wo macht es Sinn zu helfen? Dafür ist es jetzt noch viel zu früh. Im Moment hat die Unterstützung des Staates für die Unternehmen oberste Priorität, und sie wird sicher noch länger andauern müssen. Es wäre leichtfertig zu glauben, dass das in einem Jahr vorbei ist.
Teilen Sie die Sorge, dass Brandenburg in der wirtschaftlichen Entwicklung um zwanzig Jahre zurückgeworfen werden könnte?
Nein! Das sind Vermutungen, Spekulationen, finstere Gedanken. Ich glaube nicht, dass es so sein wird. Es ist wie mit einem dreißig Jahre gewachsenen Baum. Das Wurzelwerk ist da. Es ist etwas ausgetrieben. Jetzt werden sicherlich ein paar Äste sterben. Aber die Substanz insgesamt ist stark genug: Die Grundhaltung, auch die Entscheidung jedes Einzelnen, weiterzumachen. Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte war ja nur möglich, weil viele Leute gesagt haben, komm, lass uns etwas machen, etwas bewegen! Und diese Leute werden nach der Krise ja noch da sein, das kreative Potenzial wird nicht verfaulen. Im Gegenteil, man wird danach lechzen, das wieder einbringen zu können, wenn man analysiert hat, wie die Rahmenbedingungen dann sind. Und selbst wenn es bestimmte Firmen nicht überstehen werden - die Macher werden nicht aufhören zu arbeiten. Das ist das Fundament. Brandenburg wird nicht zwanzig Jahre brauchen, um wieder dahin zu kommen, wo es vor der Krise stand. Legitim ist die Frage: Ist dieser Dämon Wachstum, alles immer weiter, immer schneller, das, was uns auch in Zukunft antreiben soll? Das ist Teil der großen Maschinerie – aber ist da ein Innehalten, ein Sortieren, nicht sogar ganz hilfreich?
Wie schaffen Sie es, nicht den Mut zu verlieren, selbst bei schlechten Träumen?
Ich bin ein ungebrochener Optimist. Ich bin aber auch Realist. Das ist das unvermeidbare Resultat von Erfahrung. Ich habe ja vorhin von dieser unglaublichen Fremdbestimmung gesprochen. Aber selbst da gibt es noch kleine Bereiche, die man identifizieren kann, wo die Selbstbestimmung noch besteht, wo sie noch Wurzeln hat. Das kann ich verdammt gut. Ich kann erkennen, wo hast Du Deine Spielräume, mögen sie noch so klein sein, um Ideen noch einmal neu sortieren, um Dinge zu machen, die mir Spaß machen.
Sie kennen die Kreativ- und Filmbranche, sehr gut. Wird es für sie mit und nach Corona je wie vorher sein können?
Für die Kreativwelt ist besonders schwierig, dass man die Bedingungen, die man braucht, um arbeiten zu können, um atmen und denken zu können, gerade überhaupt nicht definieren kann. Alle tappen irgendwie herum. Ganz so, als würden wir bei Nebel durchs Moor laufen. Man hat keine klaren Orientierungspunkte. Die Plattform, um kreativ zu sein, jedenfalls über die eigenen vier Wände hinaus, ist weggebrochen. Sie wird wiederkommen. Das Moment muss man aushalten. Wie lange es dauert, wissen wir nicht, können wir nicht wissen. Aber wenn sich ein Spalt auftut in der Tür? Gegentreten und ganz aufmachen!