Kritik nach Krisenreaktion der Stiftung Garnisonkirche: „Kein verlässlicher Partner“
Trotz verheimlichtem Bundesrechnungshof-Bericht: Kuratorium der Stiftung zieht keine sofortigen Konsequenzen. Linke- und CDU-Vertreter fordern Transparenz und Rücknahme des Beschlusses für das „Haus der Demokratie“.
Potsdam - Nach dem Krisentreffen ihres Kuratoriums am Freitagabend gerät die Stiftung Garnisonkirche weiter unter Druck. Als erste Fraktion in der rot-grün-roten Rathauskooperation kündigten die Linken am Samstag an, erst dann wieder mit der Stiftung „über Perspektiven“ zu sprechen, wenn diese „vollständige Transparenz hinsichtlich der Stiftungsfinanzen“ walten lasse. Die Organisation sei derzeit „kein verlässlicher Partner für die öffentliche Hand“, erklärte Linke-Fraktionschef Stefan Wollenberg in Bezug auf den Bundesrechnungshofbericht mit umfassender Kritik an der unklaren Finanzierung des Großprojekts. Ähnlich kritisch gegenüber der Stiftung hatte sich bisher vor allem die Fraktion Die Andere geäußert.
Auch die CDU zeigte sich am Sonntag empört und kritisierte das Vorgehen der Stiftung und ihres Kuratoriums als intransparent. CDU-Kreischef Oliver Nill fordert die Rücknahme des in der Stadtverordnetenversammlung gefallenen Beschlusses für das „Forum an der Plantage“ samt „Haus der Demokratie“ neben dem Garnisonkirch-Turm. Es müsse einen „aufrichtigen Neuanfang“ geben.
Die Mitteilungen waren Reaktionen auf das Ergebnis einer Sondersitzung des aufsichtsführenden Kuratoriums der Stiftung Garnisonkirche am Freitagabend. Das Kuratorium hatte trotz der Vorwürfe von Intransparenz und Heimlichtuerei jedwede direkten Konsequenzen vermieden und einzig eine Befassung mit dem Rechnungshofbericht angekündigt. Die PNN geben einen Überblick, welche Fragen nun offen sind.
Was hat das Krisentreffen gebracht?
Eine Absichtserklärung, aber keine tatsächlichen Konsequenzen. Man werde sich „mit den Stellen“, an denen der Bericht des Bunderechnungshofs (BRH) „Verbesserungspotenziale oder Korrekturbedarf“ aufzeige, „intensiv beschäftigen und die Ergebnisse auch öffentlich bekannt geben“. Die zentrale Frage, ob die Stiftung überhaupt noch finanziell leistungs- und damit arbeitsfähig ist, beantwortete die Organisation in ihrer Mitteilung unter der Überschrift „Vertrauensvolle Zusammenarbeit bestärkt“ allerdings nicht. Auch erklärte sie nicht, wessen „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ wie genau bestärkt wurde.
Dabei ist der Aufklärungsbedarf groß. Die am 3. Februar veröffentlichte sogenannte „Prüfungsmitteilung“ des Bundesrechnungshofs (BRH) erhebt nicht nur den Vorwurf, dass unter der ehemaligen Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) bei der öffentlichen Förderung in Höhe von insgesamt 20,25 Millionen Euro Zuwendungsrecht verletzt worden sei. Auch stellt der Bundesrechnungshof fest, dass Grütters als Beauftragte für Kultur und Medien (BKM) „zu keiner Zeit die Finanzkraft der Stiftung ausreichend geklärt“ habe. Die Stiftung selbst wiederum habe widersprüchliche Angaben zu ihrer finanziellen Situation gemacht, ihre monetäre Leistungsfähigkeit sei fraglich. Die Rechnung, wie sie künftig den wiederaufgebauten Turm betreiben will, gehe nicht auf, schlussfolgert der BRH.
Kritisch für die Wiederaufbau-Stiftung ist, dass die neue Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Grüne) angesichts des Bundesrechnungshof-Berichts nun prüft, ob die bereits zugesagten weiteren 4,5 Millionen Euro Bundesmittel ausgezahlt werden.
Warum wurde der Bericht verheimlicht?
Das ist unklar. Bekannt ist, dass der dreiköpfige Vorstand der Stiftung das brisante BRH-Dokument bereits seit Ende November kannte, aber die Mitglieder des Kuratoriums wie Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) nicht darüber informierte. Diese erfuhren von dem Bericht aus der Zeitung. Das ist auch insofern relevant, als die Stiftung noch im November den am 7. Dezember 2021 verkündeten Garnisonkirchen-Kompromiss mit Oberbürgermeister Schubert und dem Rechenzentrum ausgehandelt hatte.
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Der Kompromiss sieht vor, dass die Stadt auf dem Grundstück, das einst für das Kirchenschiff gedacht war, ein „Haus der Demokratie“ errichten kann. Die Verhandlungspartner der Stiftung kannten zum Zeitpunkt der Einigung die Rüge des Bundesrechnungshofs jedoch nicht, ebenso wenig die Stadtverordneten, die Ende Januar in einer turbulenten Sitzung gegen die Stimmen der Opposition eine 500 000-Euro-Machbarkeitsstudie für das Kompromiss-Projekt beschlossen.
Nach der Krisensitzung räumte die Stiftung ein, dass der Vorsitzende des Kuratoriums, der Ex-Landesbischof und ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands, Wolfgang Huber, den Bericht auch vor der Veröffentlichung Anfang Februar kannte. Dessen Entwurf „war dem Vorstand und dem Kuratoriumsvorsitzenden im Blick auf die Einwilligung zur Veröffentlichung vorab im Vertrauen zur Verfügung gestellt worden“, so die Stiftung. Huber hatte den Kompromiss mit der Stadt unter Oberbürgermeister Schubert federführend mitverhandelt.
Warum Huber die Ergebnisse des Berichts komplett für sich behielt, ließ er auf PNN-Anfrage bisher unbeantwortet. Ein Sprecher der BKM hatte den PNN erklärt, der Vorstand der Stiftung hätte den ihr Ende November 2021 zur Verfügung gestellten Bericht zwar nicht veröffentlichen dürfen, eine „stiftungsinterne Verwendung“ sei jedoch damit nicht ausgeschlossen gewesen. Schubert hatte bereits erklärt, ihn verärgere der Vorgang. Der auf Vertrauen basierende Prozess für eine Lösung des Konflikts um die Garnisonkirche sei damit erschwert. Gewusst habe das honorig besetzte Kuratorium einzig, dass der BRH das Projekt Garnisonkirche prüfe.
Was kritisiert der Rechnungshof im Kern?
In seiner 35-seitigen Prüfungsmitteilung zerpflückt der Bundesrechnungshof die Finanzierung für das Wiederaufbauprojekt. Der Bericht bezieht dabei bereits die Stellungnahmen der Kulturstaatsministerin dazu ein. So habe die Kulturstaatsministerin bei der Bewilligung der zweistelligen Millionenzuschüsse nicht beurteilen können, ob die gesamte Finanzierung für den Wiederaufbau einer „Grundvariante“ des Turms gesichert war. Die Bundesförderung für den vom Bund zum Projekt von „nationaler Bedeutung“ erklärten Wiederaufbau ist laut BRH somit eine rechtlich nicht gestattete Anschubfinanzierung. Der Bericht warnt auch vor einer Förderruine, sollte der Bund nicht Gelder nachschießen.
Die Vermögensverhältnisse der Stiftung müssten aufgeklärt werden, forderten die Prüfer: „Die Angaben der Stiftung zu ihrer finanziellen Situation sind widersprüchlich.“ Und: Wie die Stiftung den Turm fertigstellen wolle, „erläuterte sie nicht“. Auch über die Jahre unterschiedliche Angaben zum Spendenstand listete der Prüfbericht des Rechnungshofs auf.
Die Stiftung machte am Freitagabend dazu keine weiteren Angaben. Auch ein Fragenkatalog dieser Zeitung – etwa zur Frage, wie viel Geld für den Wiederaufbau noch vorhanden ist – blieb bisher unbeantwortet. In der Mitteilung der Stiftung heißt es lediglich, man werde unter anderem durch unabhängige Wirtschaftsprüfer geprüft. Im vergangenen Herbst – als die Stiftung noch fest von weiteren Bundesmillionen ausgehen durfte – hatte der derzeit gesundheitlich verhinderte Sprecher des Stiftungsvorstands, Wieland Eschenburg, im Interview mit der Bürgerinitiative „Mitteschön“ erklärt: „Wir müssen aus privaten Geldern noch rund 4 Mio. Euro sammeln, für Läuteglocken, Glockenspiel und bauliche Schmuckelemente.“ Man habe „riesigen Handlungs- und Spendenbedarf“.
Wann soll der Turm fertig sein?
Zuletzt hieß es: im Herbst 2023. Nach dem Baustart im Oktober 2017 wird inzwischen im fünften Jahr am neuen Garnisonkirchturm an der Breiten Straße gebaut. Von insgesamt knapp 90 Metern seien inzwischen 56 erreicht, sagte der theologische Vorstand der Garnisonkirchenstiftung, Martin Vogel, Anfang des Jahres. Damals waren gerade die Treppen im Turmschaft bis zur Höhe der geplanten Aussichtsplattform fertiggestellt. Noch nicht finanziert ist allerdings die Turmhaube, die extra beauftragt werden muss. Die Räume für die angedachte Bildungs- und Jugendarbeit der Stiftung sind im unteren Turmteil verortet.
Wer bezahlt künftig den Betrieb?
Auch das ist den Rechnungsprüfern zufolge fraglich. Laut dem Zuwendungsbescheid des Bundes von 2017 müsse die Stiftung den Betrieb des Turms nach der Errichtung „für mindestens 30 Jahre sicherstellen“. Der damalige Wirtschaftsplan sei von jährlichen Ausgaben in Höhe von 610 000 Euro für die Bewirtschaftung und Kredittilgung ausgegangen. Das wollte die Stiftung durch Eintrittsgelder, Merchandise und Spenden finanzieren.
Allerdings seien in dem Zuwendungsantrag keine Angaben enthalten gewesen zu den laufenden Ausgaben der Stiftung mit ihren zehn Mitarbeitenden, zum Betrieb der Ausstellung im Turm, zu Mitteln für die nötige Instandhaltungsrücklage und Finanzreserven für plötzliche Mehrausgaben, so der Rechnungshof.
Welche weiteren Unklarheiten sieht der BRH?
Viele. Noch im vergangenen Jahr sah der Bundesrechnungshof Intransparenz und widersprüchliche Angaben bei der Stiftung. Im März 2021 habe die Kulturstaatsministerin bestätigt, dass die Stiftung – mit den inzwischen zusätzlich im Bundeshaushalt veranschlagten Mitteln von 4,5 Millionen Euro – die Finanzlücke von noch 3,4 Millionen Euro schließen könne. Die Stiftung habe 3,6 Millionen Euro nachgewiesen.
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„Allerdings müsste mit diesem Betrag auch die laufende Stiftungsarbeit finanziert werden“, merkt der Rechnungshof an. Was das koste, habe die Stiftung aber nicht angegeben. „Die BKM fragte auch nicht nach“, heißt es dazu im Rechnungshof-Bericht. Auch sei die BKM später der Bitte des Rechnungshofs, sich die Spendeneinnahmen von der Stiftung belegen zu lassen, nicht vollständig nachgekommen.
Auf Nachfrage teilte die Stiftung laut dem Bericht dann mit, dass sie zwar über Stiftungsmittel von nunmehr 4,2 Millionen Euro verfüge. Diese stünden wegen anderer Zweckbindungen jedoch nicht für den Turmbau zur Verfügung. Allein für die Stiftungsarbeit benötige sie aus diesen Spenden insgesamt 2,4 Millionen Euro. Demnach stünden „zurzeit keine eigenen Mittel zur Verfügung“, um den Turm vollenden zu können. Was das für das Bauprojekt bedeute, sei unklar, monierte der Rechnungshof.
Problematisiert wird in dem Bericht auch der Umstand, dass die Stiftung keine Varianten zur Bauausführung untersucht habe. Angewandt wird bekanntlich eine durchgehend traditionelle Maurertechnik. Ein Vergleich mit anderen Ausführungsarten – etwa mit Stahlbeton – sei nicht dokumentiert, stellt der BRH fest. Dabei seien andere bedeutende Wiederaufbauprojekte, wie beispielsweise das Humboldt-Forum in Berlin, auch nicht in traditioneller Maurertechnik errichtet worden. Eine solche vergleichende Wirtschaftlichkeitsbetrachtung „hätte auch im Interesse der Stiftung gelegen, insbesondere weil erwartete Spenden ausblieben“, konstatiert der Rechnungshof.
Ist ein Kirchenschiff noch realistisch?
Nein. In der ersten Zeit hatte die Stiftung stets öffentlich erklärt, der Wiederaufbau der gesamten Garnisonkirche solle überwiegend aus Spenden finanziert werden. Die Bundesförderung sollte als Initialzündung dienen, heißt es im Bericht der Rechnungsprüfer. Allerdings: Spenden in erwarteter Höhe seien nicht eingegangen. Daher habe die Stiftung sich später nur noch auf den Turm konzentrieren wollen. Damals ging man von rund 40 Millionen Euro Kosten dafür aus. Für die komplette Kirche hatte die Stiftung rund 100 Millionen Euro veranschlagt.
Bemerkenswert an der Prüfmitteilung ist auch, wie dort die Genese der Förderung beschrieben wird. So hätten zuerst 2012 „hochrangige Kirchenvertreter“ bei der damals schwarz-gelben Bundesregierung um Geld geworben. Das Kulturstaatsministerium unter Bernd Neumann (CDU) habe das damals noch abgelehnt: „Fördermöglichkeiten für derartige Rekonstruktionen gebe es derzeit nicht.“ Auch hätte das BKM damals „das Bundesinteresse an einer Förderung für zweifelhaft und politisch angreifbar“ gehalten.
Auch später, als schon Geld floss, habe es intern kritische Stimmen im BKM gegeben: „Es stehe zu befürchten, dass der komplette Turm nur mit weiteren öffentlichen Mitteln gebaut werden könne.“ Insgesamt habe das BKM das „Ermessen nur einseitig an den Interessen der Stiftung ausgerichtet, möglichst viele Mittel für den Wiederaufbau nachbewilligt zu bekommen“, so die Rechnungsprüfer.
Wie geht es nun weiter?
Am Mittwoch (16.2.) steht das Thema Garnisonkirche auf Antrag der Fraktion Die Linke auf der Tagesordnung des Haushaltsausschusses des Bundestags, der nicht-öffentlich tagt. Der Bundesrechnungshof hat zudem einen zweiten Teil der Prüfungsmitteilung angekündigt, Inhalt und Veröffentlichungstermin sind noch unbekannt.
Die Gegner des Wiederaufbaus sehen sich nach der Rüge des Bundesrechnungshofs in ihrer seit Jahren vorgebrachten Kritik bestätigt, sie erwägen Strafanzeige.
Maßgeblich dürfte jetzt auch die Haltung des Ampel-Koalition werden. Im Bundestagswahlkampf hatte in Potsdam der SPD-Direktkandidat Olaf Scholz betont: "Die Bundesregierung hat sich sehr stark an der Finanzierung beteiligt und ich gehe davon aus, dass die restliche Finanzierung durch Spenden sichergestellt ist." Die Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock hatte sich gegen eine weitere Millionen-Förderung ausgesprochen: " Die Initiator*innen wollten ursprünglich nur mit Spenden auskommen. Jetzt übernimmt der Bund für diesen Neubau bereits den Löwenanteil. Ich habe dafür kein Verständnis angesichts zahlreicher historischer Kirchenbauten im Land, um deren Erhalt gerungen wird. " FDP-Kandidatin Linda Teuteberg hatte gesagt: "Mit der Frage von Fördergeldern für Projekte beschäftige ich mich, wenn sie tatsächlich anstehen und weitere öffentliche Mittel stehen nicht auf der Tagesordnung."