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Maike Dencker, die neue Chefin der Fördergesellschaft der Garnisonkirche.
© Ottmar Winter

Neue Chefin der Fördergesellschaft der Garnisonkirche: „Es sind nicht alle Messen gesungen“

Maike Dencker wurde Ende April zur Vorsitzenden gewählt. Im Interview spricht sie über den Kompromiss zur Garnisonkirche - und den Aufbau des Kirchenschiffs.

Frau Dencker, Sie sind die neue Chefin der Fördergesellschaft für den durchaus umstrittenen Wiederaufbau der Garnisonkirche. Warum tun Sie sich das an?
Diese Art der Fragestellung kann ich so nicht teilen.

Sie müssen von Anfang an mit Anwürfen umgehen, weil Sie wieder für ein Kirchenschiff streiten wollen. Der Vorwurf lautet, die Fördergesellschaft würde sich und die Debatte wieder in die Vergangenheit katapultieren.
Nein. Wir arbeiten wieder konform zu unserer Satzung. Interessant finde ich auch, dass jene, die sich so äußern, das neue Team gar nicht kennen. Vielleicht sollten wir erst einmal in einen Dialog kommen – statt mit Vorurteilen behaftet zu sagen, dass jemand in der Vergangenheit lebt.

Aber noch einmal: Warum wollen Sie sich so sehr für das Projekt engagieren?
Ich bin seit 2008 Mitglied in der Fördergesellschaft und sehe den Wiederaufbau als spannendes Projekt und als tolles Thema, für das ich mich gerne einsetze – und nun in einer führenden Funktion. Dabei gibt es viele Themen, die bisher nicht so gut gelaufen sind. Zum Beispiel die Kommunikation mit den Mitgliedern, die eigentlich nur ihre Beiträge gezahlt haben und ansonsten nicht gefordert wurden. Das würde ich gerne ändern.

Sollen denn Ihre mehr als 800 Mitglieder künftig auch den Turm mitbetreiben?
Das ist bereits Realität. In der Fördergesellschaft sind circa 300 Mitglieder, die hier in Potsdam leben. Und die brennen weiter darauf, mitzumachen und ihre positive Einstellung zum Projekt weiterzugeben. Schon jetzt bieten unsere ehrenamtlichen Mitglieder Führungen über die Baustelle an oder kümmern sich um die Kapelle.

2024 soll der Turm offiziell öffnen. Was erwarten Sie sich davon?
Ostern war ich auf dem Belvedere auf dem Klausberg und habe von dort den noch verhüllten Turm gesehen. Wenn diese Hüllen aber fallen und man dann diesen imposanten schönen Bau sieht, wird dies einen positiven Effekt auf die Stadtgesellschaft haben, da bin ich mir ganz sicher. Mit dem Rechenzentrum daneben wird man dann auch feststellen, dass das nicht wirklich ins Stadtbild passt.

Der Rohbau des Turms ist mittlerweile fertig.
Der Rohbau des Turms ist mittlerweile fertig.
© Ottmar Winter PNN

Darum wollen Sie diesen Abriss gegen den erklärten Widerstand von vielen?
Es gibt natürlich nach wie vor eine klare Beschlusslage der Stadtverordnetenversammlung, die die Nutzung des Rechenzentrums bis Ende 2023 vorsieht. Insofern ist das keine überraschende Forderung. Und: Es gibt ja bald auch einen Steinwurf entfernt das geplante Kreativzentrum für die Nutzer.

Das wird wohl erst im Herbst 2024 fertig, hieß es zuletzt vom Investor. Daher soll die Nutzungsdauer für das Rechenzentrum zunächst verlängert werden. Darüber müssten Sie dann mit im Kuratorium der Stiftung Garnisonkirche entscheiden.
Wenn sich das bestätigt, werden wir sicherlich noch einmal sprechen müssen. Aber solche Spekulationen sind schwierig. Zunächst halten wir an der Beschlusslage bis Ende 2023 fest.

Zu Ihren Zielen gehört, dass Sie Hand in Hand mit der Stiftung Garnisonkirche arbeiten wollen – die jedoch einem Kompromiss von Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) zugestimmt hat, wonach das Rechenzentrum stehen bleibt und die Stadt auch das Grundstück für das von Ihnen erhoffte Kirchenschiff bebauen kann. Wie soll das künftig gehen, wenn Fördergesellschaft und Stiftung nicht mehr an einem Strang ziehen?
Wir müssen jetzt miteinander ins Gespräch kommen. Und dann wird man sich damit auseinandersetzen, wo wir uns treffen können und ob man an dem Kompromiss festhalten will. Eines steht für uns aber außer Frage: Dass das Grundstück im Stiftungseigentum bleibt.

Der Turm der Garnisonkirche wird neben dem Rechenzentrum gebaut. 
Der Turm der Garnisonkirche wird neben dem Rechenzentrum gebaut. 
© Ottmar Winter

Aber wie wollen Sie denn das Kirchenschiff wieder aufbauen – es gilt als nicht finanzierbar?
Wir wollen das in kleinen Etappen erreichen. Und ich bin davon zutiefst überzeugt, dass wir nicht nur in Potsdam, sondern im ganzen Land und auch weltweit Sympathisanten und Spender für das Projekt finden werden. Dafür kommt es darauf an, dass man eine vernünftige Spendenkampagne macht, die systematisch einzelne Details bewirbt – zum Beispiel ein Schmuckelement am Bau. Diese Kampagne werden wir in Abstimmung mit der Stiftung sehr genau planen. Damit gibt es eine mehr als eine realistische Chance für eine Finanzierung des Kirchenschiffs.

Dieser Anspruch, mit Spenden zu finanzieren, hat beim Turmaufbau bekanntermaßen nur wenig geklappt. Woran lag das aus Ihrer Sicht?
Dafür gibt es viele Gründe. Für uns als Fördergesellschaft gilt, wir müssen uns noch mehr auf die Aufgabe konzentrieren, dass man für das Projekt wirbt und dadurch Mitglieder gewinnt und Sponsoren findet. Das kann man noch besser machen. Deswegen sind wir angetreten.

Wollen Sie einen Zeithorizont nennen?
Nicht wirklich. Wir müssen uns jetzt erst zusammenfinden, wir wollen dafür in Projektgruppen arbeiten. Das oberste Ziel ist zunächst, den Turm fertigzustellen und das Grundstück in der Stiftung zu halten. Wenn der Turm fertig ist, wird er eine große Strahlkraft für viele Menschen haben – auch wenn das Kritiker noch nicht glauben.

Aber selbst die Evangelische Kirche im Land Brandenburg sagt, dass an einem Kirchenschiff ein deutlicher Bruch mit der Vergangenheit erkennbar sein muss. Welche Kompromisse wären Sie hier bereit einzugehen, wie original müsste das Kirchenschiff sein?
Es sollte natürlich schon in größtmöglicher Annäherung an das Original wieder aufgebaut werden. Dazu gehören Grundriss und Kubatur. Dazu muss auch ein Nutzungs- und Finanzierungskonzept entwickelt werden. Das wollen wir tun.

Die Breite Straße mit Blick auf die Garnisonkirche in den 1930er-Jahren. 
Die Breite Straße mit Blick auf die Garnisonkirche in den 1930er-Jahren. 
© Bundesarchiv

Das Wiederaufbauprojekt war zuletzt in den Negativschlagzeilen, es gab einen verheerenden Bericht des Bundesrechnungshofs und an der Finanzkraft der Stiftung bestehen ernste Zweifel. Wie sind Ihre Erkenntnisse?
Das ist eine spannende Frage – aber dazu müssten Sie die Stiftung fragen. Ich bitte da um Nachsicht. Wir sind ja gerade erst neu im Amt und müssen uns erst einen Überblick verschaffen, was das konkret bedeutet.

Als Sie zur Vorsitzenden gewählt wurden, waren auch diverse neue Mitglieder der Stiftung zu sehen – auffällig viele aus der CDU...
Da müssen Sie den alten Vorstand fragen. Insofern sehe ich keine direkte Korrelation zur CDU, ich mache das auch nicht für eine Partei. Und bei der Wahl hätte sich auch jeder andere aufstellen lassen können.

Es soll auch Mitglieder geben, die mit dem neuen Kurs der Fördergesellschaft nicht einverstanden sind. Gibt es viele Austritte?
Es gibt keinen neuen Kurs, wir richten uns nach der Satzung. Und es gibt immer einzelne Austritte, weil Menschen leider auch versterben oder sich vielleicht einem anderen Projekt widmen. Aber, dass es plötzlich einen enormen Abbruch gibt, sehe ich nicht – ich erlebe eher das Gegenteil und Zuspruch auch von Menschen, die bisher noch nicht Mitglied waren.

Häufiger werden Sie jetzt mit Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) zu tun haben, der den so genannten Garnisonkirchen-Kompromiss ausgehandelt hat. Haben Sie schon mit ihm sprechen können?
Offiziell nicht. Das hat sich noch nicht ergeben. Aber wir werden sicherlich miteinander reden.

Was erwarten Sie von ihm?
Dass er vorurteilsfrei mit uns ins Gespräch geht. Und dann werden wir mal hören, wie er die Lage bewertet und wo wir uns treffen können.

Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD).
Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD).
© Ottmar Winter

Den von ihm ausgehandelten Kompromiss zum Forum an der Plantage mit einem Haus der Demokratie neben dem Kirchturm lehnen Sie erklärtermaßen ab. Warum eigentlich?
Einmal ist dieser Kompromiss im Hinterzimmer ausgehandelt worden, die Mitglieder in der Fördergesellschaft und wie man hört auch die Stadtgesellschaft wurden dabei nicht mitgenommen – diese Enttäuschung war auch bei unserer Neuwahl zu merken. Der Kompromiss ist auch nicht konform mit den Satzungen, weil das Kirchenschiffgrundstück der Stiftung weggegeben werden soll.

Glauben Sie, dass Sie mit solchen Maximalforderungen tatsächlich den Kompromiss noch kippen können?
Maximalforderungen? Ich sehe uns mitten in der Diskussion. Es ist ja auch nicht so, dass der Kompromissvorschlag in der Stadtverordnetenversammlung locker durchgegangen wäre. Auch insofern sind nicht alle Messen gesungen.

Wenn der Kompromiss scheitern sollte, hat der Oberbürgermeister eine Bürgerbefragung ins Spiel gebracht, um den Streit zu entscheiden. Würden Sie so ein Vorgehen befürworten?
Das kommt auf die Fragestellung an, die wird man sich genau ansehen müssen. Aber per se fände ich es gut, wenn man die Stadtgesellschaft fragt.

Was könnten Sie sich denn vorstellen?
Da würde ich auf den Vorschlag des Oberbürgermeisters warten wollen. Ich bin ja nicht seine Ghostwriterin.

Das Interview führte Henri Kramer

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