Dauerstreit um Garnisonkirche: Doch noch eine Bürgerbefragung?
Im Dauerstreit um die Garnisonkirche hat Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) einen Plan B angedeutet, sollte seine Kompromisssuche scheitern. Derweil steht die Fördergesellschaft für das Projekt vor einem Richtungswechsel
Potsdam - Kann notfalls eine Bürgerbefragung den wieder festgefahrenen Streit zur Garnisonkirche lösen? Diesen Weg jedenfalls hat Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) angedeutet – bei einer Diskussionsveranstaltung, die am Donnerstagabend von Freunden des Rechenzentrums vor Ort organisiert worden war. Dort skizzierte er aus seiner Sicht die Folgen, sollte sein Ansatz für einen noch langwierig zu verhandelnden Kompromiss zum sogenannten „Forum an der Plantage“ – mit einem „Haus der Demokratie“ statt einem Kirchenschiff – scheitern. Dann gehe es in der Debatte in die Zeit vor dem Kompromiss zurück, sagte Schubert – also wieder um die Frage, ob das Kreativhaus Rechenzentrum erhalten oder abgerissen oder was sonst auf dem Grundstück des einstigen Kirchenschiffs gebaut werden soll. „Dann muss man die Frage stellen, was die Potsdamer wollen“, brachte Schubert dabei eine Bürgerbefragung ins Spiel.
Schubert sagte zu der möglichen Abstimmung, sowohl Gegner als auch Befürworter des Rechenzentrums und der Garnisonkirche würden für sich in Anspruch nehmen, zu wissen, was das Richtige für die Stadt sei. Hier stünde dann am Ende für eine Seite ein Sieg und für die andere eine Niederlage – und kein Kompromiss, bei dem alle Zugeständnisse machen müssten, machte er deutlich. Die derzeitige Beschlusslage sei aber noch, dass das Rechenzentrum laut Bebauungsplan weichen müsse, erinnerte Schubert. Der Abriss wäre auch die billigste Variante, sagte er: „Doch das will keiner von uns.“ Ziel seiner Kompromisssuche sei keine Versöhnung aller Positionen, sondern ein Ort des Dialogs und der Auseinandersetzung mit der Stadtgeschichte, was am Plantagenforum eben aus seiner Sicht möglich wäre.
Skepsis bei Wiederaufbau-Gegnern
In der Diskussion wurde aber deutlich, dass nicht nur Befürworter eines originalgetreuen Wiederaufbaus der einstigen Militärkirche den von Schubert mit der Stiftung Garnisonkirche und Vertretern des Rechenzentrums ausgehandelten Grundkompromiss skeptisch sehen – sondern auch Gegner des Wiederaufbaus. So sagte die aus Polen stammende Hochschullehrerin für Geschichte an der Universität Potsdam, Agnieszka Pufelska, statt Versöhnungszeichen zu setzen müsse man Brüche wagen – ein weiteres Gebäude an der Stelle, also das „Haus der Demokratie“, würde die Geschichte des Orts verfälschen. Lutz Boede von der Wählergruppe Die Andere argwöhnte, der dritte Ort sei ersonnen worden, um diesen Turm daneben zu Ende bauen zu können.
Rürup: Mehr Aushandlungsräume nötig
Hingegen sagte die Direktorin des Moses Mendelssohn Zentrums an der Universität Potsdam, Miriam Rürup, Potsdam könnte historisch noch nicht vorgeprägte, offene „Aushandlungsräume“ für Debatten brauchen. Insofern stehe sie einem dritten Gebäude durchaus aufgeschlossen gegenüber – das dann aber dem Turm und auch dem Rechenzentrum „architektonisch auf die Pelle rücken müsse, um historische Brüche sichtbar zu machen“. Beide Bauten müssten etwas abgeben: Beim Turm könne das der Verzicht auf den Weiterbau sein, so Rürup. Bekanntlich wird an dem Hochbauwerk bald die Aussichtsplattform angebracht – ob hingegen die Haube finanziert werden kann, ist noch unklar.
Kurswechsel bei der Fördergesellschaft
Derweil steht am Wochenende die nächste Debatte zum Thema an - bekanntlich will sich die Fördergesellschaft für die Garnisonkirche neu aufstellen und vor allem gegen den Schubert-Kompromiss positionieren. Als neue Vorsitzende soll die frühere CDU-Stadtverordnete Maike Dencker gewählt werden - der bisherige Chef Matthias Dombert, der den Kompromiss mit ausgehandelt hatte, hat seinen Rücktritt angekündigt. Dencker ihrerseits hat bereits angekündigt, sich für einen Abriss des Rechenzentrums einsetzen zu wollen - und für ein Kirchenschiff, "in welcher Form auch immer".
Eine Mahnung von Saskia Hüneke
Angesichts dieses geplanten Kurswechsels sprach die Grünen-Fraktionschefin Saskia Hüneke, zugleich von Beginn an Mitglied des Fördervereins, jetzt in einer Erklärung eine Mahnung aus. "Wenn die Fördergesellschaft im weiteren Diskursweg relevant bleiben will", sehe sie die Notwendigkeit, so Hüneke, auf dem auch von den Stadtverordneten beschlossenen Lösungsweg aufzubauen - der unter anderem den „weitgehenden“ Erhalt des Rechenzentrums vorsieht. Hüneke erklärte, es sei offen, wie genau sich die Inhalte und Formen auf den beiden Grundstücken von Rechenzentrum und ehemaligem Kirchenschiff entwickeln werden. "Das wird erst Gegenstand der Gespräche sein." Die Fördergesellschaft könne diesen breit angedachten Diskurs bereichern, allerdings würde das nicht „mit der einfachen Position 'das Rechenzentrum muss weg' funktionieren."
Hüneke: "Erwarte einen offenen Diskurs von allen Seiten"
Zum einen sei es in all den Jahren nicht gelungen, "eine realistische Option für eine wenn auch flexibel nutzbare Kirche als Ganzes zu entwickeln", so Hüneke. Das liege nicht nur im Protest gegen den Bau begründet, sondern habe faktische Gründe wie den fehlenden Bedarf als Kirche. Zum anderen habe sich der Blick auf das Rechenzentrum zuletzt verändert. "Das Engagement zum Erhalt folgte ähnlichen Mustern wie 1989 zur barocken Innenstadt, nämlich durch die Bergung von Fragmenten, durch wissenschaftliche Tagung, öffentlichen Diskurs, kulturelles Leben." So habe sie die dadurch provozierte kunstwissenschaftliche Beschäftigung zur Unterstützung der Forumsidee geführt.
Von allen Seiten erwarte sie einen offenen Diskurs, so Hüneke. "Letztlich kommt es auf Inhalte an, das heißt für den Turm auf den Beitrag von Ausstellung und Nagelkreuzkapelle." Hier habe die frühere Pfarrerin Cornelia Radecke-Engst im Gedenken an die Opfer von Krieg und Naziherrschaft sowie der Förderung von Toleranz und friedlichem Miteinander bereits Maßstäbe gesetzt, gerade bei der Zusammenführung von Menschen sehr unterschiedlicher Auffassungen. Dieser Prozess bedürfe einer Fortsetzung, auch unterstützt von der Fördergesellschaft, hofft Hüneke.
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