Investieren gegen die Krise: Brandenburg will so viel Geld ausgeben wie seit 1990 nicht mehr
Brandenburg will 1,9 Milliarden Euro Schulden aufnehmen – auch um alle Koalitionsprojekte trotz Corona umsetzen zu können.
Brandenburgs Landesregierung unter Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) plant im nächsten Jahr Rekordausgaben und 1,9 Milliarden Euro neue Schulden.
Das Kabinett verabschiedete am Dienstag einstimmig den Etatentwurf für 2021, der wie im aktuellen Coronakrisen-Jahr ein Volumen von 15 Milliarden Euro hat. Das ist ein Niveau wie nie zuvor seit 1990.
In regulären Zeiten kann Brandenburg pro Jahr maximal etwa dreizehn Milliarden Euro ausgeben. „Wir dürfen nicht gegen die Krise ansparen“, erklärte Woidke. Damit das Land trotz Schuldenbremse den 1,9-Milliarden-Kredit aufnehmen kann, ist vorgesehen, dass Brandenburgs Parlament – wie 2020 – auch im nächsten Jahr die „außergewöhnliche Notsituation“ ausruft.
Was Brandenburgs Regierung für das kommende Jahr plant und wie es um die Landesfinanzen in Corona-Zeiten bestellt ist – ein Überblick.
Mehr Geld für alle Ministerien, keine Abstriche bei Kenia-Projekten
Anders als in üblichen Zeiten gibt es de facto keine Verlierer im Haushaltspoker. Das Bündnis aus SPD, CDU und Grünen, das erst seit Herbst 2019 regiert, hält trotz massiver Einnahmeeinbrüche und Steuerausfälle wegen der Pandemie quasi an allen zentralen Projekten des Koalitionsvertrags fest.
„Es gibt kein Vorhaben, was nicht realisiert wird“, sagte Vize-Regierungschef und Innenminister Michael Stübgen (CDU). Allerdings wird manches später realisiert. So wird die ursprünglich für 2021 geplante nächste Reduzierung der Gruppenstärke in den Kinderkrippen Brandenburgs nun auf das Jahr 2022 verschoben. Und weitere Schritte bei der Kita-Beitragsfreiheit, die im Gegensatz zu den Berliner Verhältnissen erst teilweise eingeführt wurde, sind nun 2022 und 2024 vorgesehen.
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Alle Ressorts – mit Ausnahme der Regierungszentrale Woidkes – können nächstes Jahr mehr ausgeben. Die Staatskanzlei wiederum verzichtet zunächst auf die geplanten wie umstrittenen Regionalbeauftragten, die nach dem Vorbild der Lausitz für die anderen Regionen vorgesehen war. Dabei handelte es sich um ein zentrales SPD-Wahlversprechen vor der Landtagswahl im Herbst 2019.
Die Regionalbeauftragten seien zurückgestellt, erklärte Finanzministerin Katrin Lange (SPD). Stattdessen soll in der Regierungszentrale eine neue Strategieabteilung aufgebaut werden.
Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) nannte den Etatentwurf „ein Gesamtkunstwerk“. So sei es gelungen, für die Krankenhäuser im Land wieder 110 Millionen Euro für Investitionen bereitzustellen und das Hebammenprogramm fortzusetzen. Die Zahl der Landesbediensteten soll von derzeit 48.163 Stellen auf 48.968 Stellen steigen, vor allem für Lehrer (+269) und Personal im Landesstraßenwesen (+229), der Justiz (+93) und der Polizei (+61).
„Anti-Krisen-Haushalt“
Finanzministerin Katrin Lange betonte, der Haushalt sei so strukturiert worden, dass Brandenburg gut aus der Coronakrise komme. Die wird das Land nach Einschätzung der Regierung auch nächstes Jahr noch belasten. „Es ist ein Anti-Krisen-Haushalt“, sagte Lange.
„Wir müssen dafür sorgen, dass es zu keinen Strukturbrüchen kommt“, sagte Ministerpräsident Woidke. Das sei eine Erfahrung aus den 90er Jahren nach dem Fall der Mauer. Im Vergleich zu 2020 werde mit 1,87 Milliarden Euro daher die Investitionsquote von 11,1 Prozent auf 13,3 Prozent erhöht.
Brandenburg rechnet im nächsten Jahr mit Steuereinnahmen von 8,9 Milliarden Euro, plant aber Ausgaben von 15,03 Milliarden Euro. In diesem Jahr, bei dem der aufgelegte Zwei-Milliarden-Rettungsschirm die Landesfinanzen sprengte, waren es nur 185 Millionen Euro mehr. Mit dem Haushalt werde gewährleistet, dass Brandenburg die vom Bund zur Bewältigung der Coronakrise aufgelegten Programme mit dem nötigen Landesanteil kofinanzieren kann.
Brandenburg ist finanziell am Limit
Mit dem neuen Haushalt für 2021 geht das Land Brandenburg, das vor einigen Jahren noch mit Zehn-Milliarden-Euro-Haushalten auskam, an seine finanziellen Belastungsgrenzen. „Der Preis ist sehr hoch“, sagte Finanzministerin Katrin Lange.
Die rot-rote Vorgängerregierung hatte von 2009 bis 2019 keine neuen Schulden gemacht. Lange erklärte nun, dass das Land seit ihrem Amtsantritt im Herbst 2019 mit dem nun geplanten 1,9-Milliarden-Kredit „4,9 Milliarden Euro Schulden aufgenommen hat“.
Eine Milliarde Euro floss in einen Zukunftsinvestitionsfonds, aus dem etwa die Infrastrukturprojekte im Umfeld der Tesla-Gigafactory in Grünheide bezahlt werden. Mit einem Zwei-Milliarden-Kredit, 2020 aufgenommen, wurde der brandenburgische Corona-Rettungsschirm bezahlt.
Obwohl Brandenburg in nur zwei Jahren fast fünf Milliarden Euro Schulden machte, reicht das Geld nicht, um den Haushalt zu decken. So räumt die die Kenia-Regierung darüber hinaus Brandenburgs Sparbüchse leer, nimmt aus der Landesrücklage, die 2019 noch mit zwei Milliarden Euro gut gefüllt war, weitere 660 Millionen Euro heraus.
Nun bleibt dort noch ein kleiner Restbestand von 190 Millionen Euro, wovon 150 Millionen Euro ebenfalls bereits verplant sind.
Es war nicht ganz klar, ob es ironisch gemeint war: Lange dankte in der Pressekonferenz Linke-Amtsvorgänger Christian Görke „sehr für den vorausschauenden zehnjährigen Aufbau der Rücklage, die der Kenia-Koalition nun in der Krise so ausgezeichnete wenn auch bedauerlicherweise nur kurzfristige Dienste leistet“.
Mit den Krediten, es ist die maximal zulässige Summe, und dem Griff in die Rücklage hat Brandenburg nach 2021 faktisch kenne finanziellen Reserven mehr. Die Verschuldung Brandenburgs steigt damit auf 22,17 Milliarden Euro, 2019 waren es noch 18,8 Milliarden Euro. Mit diesen Werten fällt Brandenburg im Ländervergleich des Stabilitätsrates, der die Haushaltslage von Bund und Ländern nach Kern-Kennziffern beurteilt, nach Angaben des Potsdamer Finanzministeriums auf den schlechtesten Wert zurück. Allerdings haben andere Länder ihre Haushalte für 2021 noch nicht aufgestellt, heißt es einschränkend.
Trotz Eröffnung noch mehr Steuergeld für den BER im nächsten Jahr
Von politischer Brisanz über Brandenburgs Grenzen hinaus ist der im Haushalt vorgesehene Zuschuss für den hochdefizitären neuen Flughafen BER, den Berlin, Brandenburg und der Bund vor der Insolvenz bewahren wollen. Mit dieser Planungsziffer wird nun erstmals offiziell bestätigt, was diese Zeitung bereits publik machte: Dass die Flughafengesellschaft FBB von den drei Eignern im nächsten Jahr eine halbe Milliarde Euro erwartet. Und zwar zusätzlich zu 108 Millionen Euro, die Berlin, Brandenburg und der Bund bereits für das Jahr 2021 bewilligt haben, so dass aus öffentlichen Mitteln demnach mehr als 600 Millionen Euro in den neuen Flughafen fließen würden.
Zum Vergleich: Im Jahr 2019, als an den Flughäfen Tegel und Schönefeld normaler Betrieb herrschte und mit 35,6 Millionen abgefertigten Passagieren ein neuer Rekord aufgestellt wurde, hat das Unternehmen einen Umsatz von 419 Millionen Euro erwirtschaftet.
Brandenburgs Koalition aus SPD, CDU und Grünen plant für das erste Jahr nach der Eröffnung des BER am 31. Oktober 2020 nun Überweisungen an den Flughafen von 189 Millionen Euro. Es ist davon auszugehen, dass Berlin in der gleichen Höhe folgen soll.
Brandenburg und Berlin halten an dem Unternehmen je 38 Prozent, den Rest der Bund. Grundlage sind Szenarien, die von der Flughafengesellschaft Berlins, Brandenburgs und des Bundes angefordert worden waren. Deklariert sind die Ausgaben als Ausgleich „pandemiebedingter Verluste“ der FBB.
Finanzministerin Lange verteidigte die Pläne. „Wir haben so lange auf den Flughafen gewartet. Wir sind Teilhaber. Wir werden dem Flughafen geben, was er tatsächlich benötigt“, sagte sie. Und niemand wisse, wie sich der Luftverkehr im nächsten Jahr entwickle. Eine Teilprivatisierung oder gar ein Verkauf der Flughafengesellschaft kommt für Ministerpräsident Dietmar Woidke derzeit allerdings nicht in Frage. „Ich halten von solchen Überlegungen zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt nichts.“ Und zwar, weil man „in der Krise zu billig verkaufen müsste“, sagte Woidke. Darüber könne man sich vielleicht in „ein, zwei, drei oder fünf Jahren Gedanken machen“.
Keine guten Aussichten
Der Haushalt geht jetzt ins parlamentarische Verfahren des Landtages und soll erstmals im September beraten und voraussichtlich im Dezember beschlossen werden. Es ist zu erwarten, dass die Opposition im Landtag – also die AfD, die Linken und die Freien Wähler – den Etatentwurf in den nächsten Monaten zerpflücken wird.
Die CDU hatte in der Vergangenheit als Opposition immer eine seriösere Finanzpolitik angemahnt. Nun sprach Fraktionschef Jan Redmann von einem „Stabilisierungshaushalt“ und verteidigte die hohen Schulden. Der Kenia-Koalition sei bewusst, dass man in den Folgejahren wieder „deutlich sparsamere Haushalte aufstellen“ müsse. Mit dem Etat 2021 wird nämlich die innere Schieflage verschärft, dass Brandenburg mit den Ausgaben zur Bewältigung der Coronakrise über seine Verhältnisse lebt.
Lange gestand dies unter Verweis auf die bisherigen Finanzplanungen für die Folgejahre auch ein, die bis 2024 ein bisher nicht gedecktes Defizit von rund 1,8 Milliarden Euro aufweisen. Es gebe eine „strukturelle Unterdeckung“, sagte die Ministerin.
Für den Herbst dieses Jahres plant die Landesregierung nach ihren Worten eine Sparklausur. So oder so: Ministerpräsident Dietmar Woidke bekräftigte erneut das Ziel der Kenia-Regierung, „Brandenburg zur Gewinnerregion der 20er Jahre“ zu machen – trotz der schwersten Krise in der jüngeren Geschichte des Landes.
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