Hebammen in Brandenburg: Geburtshelferinnen in Not
Hebammen sind in Brandenburg ohnehin im Stress. Die Coronakrise erschwert ihre Arbeit derzeit zusätzlich - mit Mehrbelastung und fehlendem Umsatz.
Potsdam - Als wäre die Verunsicherung vor einer Geburt nicht ohnehin schon groß bei vielen werdenden Müttern: Wird mein Kind gesund zur Welt kommen? Halte ich die Schmerzen aus? Wie wird die erste Zeit mit dem Baby? Klappt das Stillen? Und nun auch noch Corona und die fehlende Möglichkeit, sich in Kursen zu treffen, mit anderen über die Sorgen auszutauschen. Vielen Schwangeren bleibt da nur das Internet. So wie „Celeste 77“, einer Frau, die im Einzelhandel arbeitet, und im Forum der Plattform „Mamikreisel“ schreibt: „Ich bin im 6. Monat schwanger und mache mir große Sorgen um mein Ungeborenes. Ich weiß, dass Schwangere nicht zur Risikogruppe gehören, aber wie viele Studien gibt es schon über dieses neue Virus? Dazu kommt der Stress durch die Mehrarbeit die wir leisten und die Ungewissheit, ob ich überhaupt Medikamente nehmen darf, sollte ich mich tatsächlich infizieren.“
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Eine Zeit, in der der Rat einer erfahrenen Hebamme helfen würde. Aber während der Pandemie geraten die in den vergangenen Jahren wegen Debatten über Versicherungsprämien und Nachwuchsmangel ohnehin schon unter Druck stehenden Geburtshelferinnen selbst in Nöte. Die Coronakrise bedeutet für die Hebammen in Brandenburg eine erhebliche Mehrbelastung – und gleichzeitig fällt ihnen Umsatz weg, wie das Gesundheitsministerium zum Internationalen Hebammentag am 5. Mai erklärt. „In der Öffentlichkeit werden jetzt besonders Pflegekräfte sowie Ärztinnen und Ärzte für ihren unermüdlichen Einsatz in einer äußerst schwierigen Zeit gewürdigt“, sagte Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) am Dienstag. „Die Hebammen sind ein genauso wichtiger Bestandteil unseres Gesundheitssystems und leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Versorgung und Begleitung von Frauen.“ Ihre Arbeitsbedingungen hätten sich durch die Coronakrise ebenfalls erschwert. „Wir sehen, dass besonders freiberuflich tätige Hebammen unter deutlichen Fallzahleinbußen leiden, da aufgrund der Angst vor einer möglichen Ansteckung Hebammenleistungen derzeit weniger nachgefragt werden.“
Einkommensverluste zwischen 30 und 50 Prozent
Die Landesregierung will sich laut Koalitionsvertrag für eine verlässliche und flächendeckende Geburtshilfe in ganz Brandenburg einsetzen, hat dort einen Aktionsplan „zur Sicherstellung und dauerhaften Stabilisierung der Versorgung mit Hebammenhilfe“ in Aussicht gestellt. Doch derzeit ist fraglich, ob überhaupt alle der rund 500 Hebammen in Brandenburg die Krise finanziell überstehen. Die Einkommensverluste bewegten sich derzeit bei mancher Hebamme zwischen 30 und 50 Prozent, sagt Beatrice Manke, Vorsitzende des Landeshebammenverbands . „Das sorgt bei den Kolleginnen für Existenzängste.“
Der Verband bemühe sich, unter einem Schutzschirm für medizinische Freiberufler aufgenommen zu werden. Zudem sei die nun benötigte Schutzkleidung rar und sehr kostenintensiv, sagt Manke. Weil die Hebammen in der Krisenplanung des Landes nicht auftauchten, stünden sie ganz unten in der Prioritätenliste bei der Versorgung mit Schutzkleidung. Der Hebammenverband verteilte allerdings gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium Anfang April 200 Filter-Masken an die freiberuflichen Hebammen. 200 weitere sollen bald folgen. Auch wurden die Hebammen laut Ministerium informiert, wie Schutzmasken wiederverwendbar gemacht und welche hygiene- und infektionsschutzkonformen Alternativen verwendet werden können. Zudem können Hebammen in Brandenburg die Notfallbetreuung in Kitas und Horten nutzen, das ist nicht in allen Bundesländern so.
Digitale Angebote der Hebammen
Um die Frauen trotz Corona begleiten zu können, haben laut Manke viele Hebammen auf digitale Angebote umgestellt. Werdende Mütter bräuchten auch in diesen Zeiten Informationen und Rat, sagt auch Ministerin Nonnemacher. Deshalb sei es gut, dass Hebammen Kurse und Beratungen jetzt stärker online und telefonisch anbieten. Diese Leistungen können über die gesetzliche Krankenversicherung abgerechnet werden.
Auch Marina Schmeißer, die in Eberswalde (Barnim) seit 2003 ein Geburtshaus betreibt, berät jetzt online. Da dort weder Geburtsvorbereitungskurse in der Gruppe noch Schwangerengymnastik noch die Beratungstreffen nach der Geburt stattfinden können, hat sie nun eine Video-Geburtsvorbereitung organisiert. Obwohl die Hygienevorschriften in dem Geburtshaus penibel eingehalten werden, bemerkte Schmeißer einen deutlichen Rückgang der Betreuungszahlen. „Da auch Frauen in der Wochenbettbetreuung von uns begleitet werden, fällt auf, dass im Vergleich zum März 2019 ein Drittel weniger Besuche stattfinden“, sagt die Hebamme.
„Bei der Geburt müssen Väter dabei sein dürfen.“
Auf der anderen Seite sind die Geburtshelferinnen nun an anderer Stelle mehr gefordert als sonst. „Wir haben es trotz notwendiger Kontakteinschränkungen und strenger Hygienevorschriften ermöglicht, dass Väter bei der Geburt weiter dabei sein können“, betont Ministerin Nonnemacher. Die Krankenhäuser entscheiden aber selbst, ob Verwandte zu Besuch kommen und ob Lebenspartner bei der Geburt dabei sein dürfen. Wo das nicht der Fall ist, liegt die Last dann verstärkt auf den Schultern der Hebammen, wie Manke erklärte. Die Einschränkungen für die Partner hätten sogar zu Folge, dass Hausgeburten noch stärker nachgefragt seien. „Der Nachfrage können wir aber kaum nachkommen“, sagte sie.
Grünen-Fraktionschefin Petra Budke appellierte am Dienstag an alle Krankenhäuser im Land, bei Geburten Begleitpersonen zuzulassen, was etwa in Potsdam derzeit nicht möglich ist. „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, sagte Budke. „Bei der Geburt müssen Väter dabei sein dürfen.“ Hinzu komme eins: „In vielen Kliniken ist nicht gewährleistet, dass Hebammen bei der Geburt 1:1 dabei sind.“ Man dürfe die Frauen in der Situation nicht allein lassen. (mit dpa)
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