zum Hauptinhalt
Schwarzes Klinikum: Die Covid-Station samt Intensivstation befindet sich in Gebäude E, bekommt einen eigenen Computertomographen (CT) sowie eine eigene Rettungsstelle.
© Darstellung: EvB

Nach dem Corona-Ausbruch: Bergmann-Klinikum wird dreigeteilt

In dem kommunalen Potsdamer Krankenhaus soll schrittweise wieder der Regelbetrieb aufgenommen werden - mit einem komplizierten und bundesweit einmaligen Prinzip.

Potsdam - Hygiene, Hygiene, Hygiene und größtmöglicher Schutz vor Corona-Infektionen für Patienten und Mitarbeiter: Unter dieser Maßgabe und mit einem bisher noch nirgendwo erprobten, einmaligen Konzept will die Interims-Geschäftsführung des kommunalen Potsdamer Klinikums „Ernst von Bergmann“ das Krankenhaus schrittweise zu einem Normalbetrieb Ende Juni führen. Am Freitag (01.05.2020) stellten die neuen Geschäftsführer Tim Steckel und Hans-Ulrich Schmidt die Pläne vor.

Tim Steckel (l.) und Hans-Ulrich Schmidt haben interimsmäßig die Geschäftsführung des Bergmann-Klinikums übernommen. 
Tim Steckel (l.) und Hans-Ulrich Schmidt haben interimsmäßig die Geschäftsführung des Bergmann-Klinikums übernommen. 
© Andreas Klaer

Wenn Rettungswagen das Bergmann-Klinikum Ende Mai wieder regulär anfahren dürfen, wird Brandenburgs zweitgrößtes Krankenhaus knapp zwei Monate abgeriegelt gewesen sein. Am 1. April hatte das Gesundheitsamt das Klinikum nach einem schweren Corona-Ausbruch vom Versorgungsnetz genommen. Neue Patienten dürfen seitdem nicht aufgenommen, bestehende nicht verlegt werden. Ausnahmen gibt es nur bei absoluten Notfällen und Geburten.

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Krise live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple-Geräte herunterladen können und hier für Android-Geräte.]

Drastische Reduzierung der Bettenanzahl

Zurückkommen will das Bergmann-Klinikum als sogenannter Schwerpunktversorger für die Region sowie als Covid-Versorger. Allerdings verlangt der Schutz vor Infektionen laut der neuen Geschäftsführung eine drastische Reduzierung der Kapazitäten: Statt bislang 900 Betten sollen am Hauptstandort nur noch 600 Betten vorgehalten werden. Ein Grund: Statt Drei- und Vier-Bett-Zimmer wird es im Normalbereich des Klinikums – genannt auch grauer Bereich – sowie im coronafreien Bereich als Standard nur noch Ein-Bett-Zimmer geben. Im grauen Bereich sollen die Patienten dort isoliert werden, bis klar ist, ob sie infiziert sind oder nicht.

Graues Klinikum: Der Normalbereich ist der größte Teil des Klinikums. Patienten liegen in Ein-Bett-Zimmern und werden alle vier Tage getestet. Personal trägt Schutzausrüstung.
Graues Klinikum: Der Normalbereich ist der größte Teil des Klinikums. Patienten liegen in Ein-Bett-Zimmern und werden alle vier Tage getestet. Personal trägt Schutzausrüstung.
© Darstellung: EvB

Zur Trennung der Patienten soll es auch zwei Rettungsstellen geben – eine im grauen, eine im schwarzen Bereich. Coronafreie Zone sind im Konzept die Pädiatrie (Kinderklinik), die Intensivstation und die Dialyse sowie der Operationsbereich. Am größten ist der graue Bereich, zu dem unter anderen die Ambulanzen der Poliklinik, die Notaufnahme, die Onkologische Tagesklinik, die Strahlentherapie und die Geburtenstation gehören. OB künftig Väter wieder bei Geburten dabei sein können, ist offen. Die Restriktionen könnten begrenzt gelockert werden.

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie in Potsdam und Brandenburg finden Sie hier in unserem Newsblog.]

Weißes Klinikum: Zur coronafreien Zone zählen Kinderklinik, Intensivstation, Dialyse und OP. Mitarbeiter hier werden alle zwei Tage auf Corona getestet.
Weißes Klinikum: Zur coronafreien Zone zählen Kinderklinik, Intensivstation, Dialyse und OP. Mitarbeiter hier werden alle zwei Tage auf Corona getestet.
© Darstellung: EvB

Die „schwarze Station“, also der Covid-Bereich, befindet sich im Gebäude E und umfasst eine Normal- und eine Intensivstation sowie eine Dialyse. Ein neuer Computertomograph für die schwarze Station wird in Containern untergebracht. Schwarze Bereiche werde es zudem in der Kinderklinik und im Operationsbereich geben, so die Geschäftsführer. Bei Bedarf könne die Covid-Station im Haus E vergrößert werden. Derzeit umfasse sie die unteren vier Stockwerke, es könnten nach oben weitere vier dazu kommen. Damit könne das Klinikum künftig auf Pandemie-Situationen flexibel reagieren, hieß es.

Unterstützung von einer Task Force

Nach Aussagen von Schmidt und Steckel gibt es bislang kein Krankenhaus bundesweit, das in einer derartigen Dreiteilung betrieben wird. Sie umzusetzen, ist auch deshalb kompliziert, weil das Klinikum aus sechs Gebäuden besteht, die teilweise aus DDR-Zeiten stammen. Unterstützt wird die Klinikum-Geschäftsführung bei dem Neuaufbau des Bergmann von einer Task Force der Unternehmensberatung Kienbaum. Zudem soll ab Montag Klaus-Dieter Zastrow als „externer leitender Krankenhaushygieniker“ des Klinikums tätig sein.

Zastrow leitet den Angaben nach derzeit das Hygiene-Institut des Klinikverbunds RegioMed; er war unter anderem Direktor und Professor am Bundesgesundheitsamt und am Robert- Koch-Institut (RKI). Das RKI, dessen Interventionsteam nach dem Corona-Ausbruch im Klinikum zur Hilfe gerufen worden war, hatte in seinem Bericht empfohlen, einen Betrieb des Bergmann als reines Covid-Krankenhaus zu überlegen. Dies lehnten die Stadt als Gesellschafter sowie das Gesundheitsministeriums des Landes rigoros ab.

Rückkehr zum Normalbetrieb wird teuer

Der neue Betrieb des Bergmann-Klinikums nach dem weiß-grau-schwarz Konzept ist nach Angaben der Geschäftsführung noch nicht genehmigt. Man arbeite hier schrittweise und sei derzeit bei der Bauvorbereitung, sagte Steckel.

Definitiv steht fest: Die Rückkehr des Klinikums zum Normalbetrieb wird teuer. Hygiene und Sicherheit gingen jetzt vor Wirtschaftlichkeit, betonten die Interimschefs. Die Umbauten, die Anschaffung neuer Technik zur Diagnostik sowie weniger Erlöse durch weniger Betten sorgen für hohe Kosten und Einbußen bei den Einnahmen. Dennoch wolle das Klinikum weder Personal abbauen noch Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken, sagte der bisherige kaufmännische Geschäftsführer Steckel. Am Standort Potsdam arbeiten rund 2300 Mitarbeiter, davon rund 450 Ärzte. Wirtschaftlich sei das Klinikum in einer guten Lage, alle Umbauten könnten selbst bezahlt werden. Bei der von einer Mehrheit der Stadtpolitik gewollten Rückkehr zur Tarifbindung ab dem 1. Juni ist Steckel zurückhaltend. Die Kosten von mindestens 13 Millionen Euro pro Jahr könne das Klinikum nicht allein schultern. Vielleicht sei eine stückweise Tarifrückkehr möglich.

Keine Auskunft gaben die beiden Interims-Chefs zu ihrer Vergütung. Die bisherigen Geschäftsführer Steffen Grebner und Dorothea Fischer sind vor einer Woche durch Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) als alleinigem Gesellschaftervertreter bei vollen Bezügen für sechs Monate beurlaubt worden. So zahlt das Klinikum derzeit möglicherweise vierfach Geschäftsführer-Gehälter. Von Grebner ist nach Beteiligungsberichten der Stadt bekannt, dass er mindestens rund 250.000 Euro im Jahr verdient.

Kaum Distanzierung von bisherigen Klinik-Chefs

Zu den Versäumnissen und Fehlern im Umgang mit dem Corona-Ausbruch, die die Grebner-Geschäftsführung eingeräumt hatte, äußerte sich die neue Geschäftsführung nicht. Steckel und Schmidt, die beide bereits jahrelang in der Bergmann-Gruppe in verantwortlichen Positionen tätig sind, distanzierten sich kaum von ihren Vorgängern. Gegen Grebner und Fischer sowie gegen drei leitende Ärzte laufen Ordnungswidrigkeitenverfahren des Gesundheitsamts wegen möglicher Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz sowie möglichem Organisationsverschulden, die an die Potsdamer Staatsanwaltschaft abgegeben wurden. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob Ermittlungen aufgenommen werden; dabei geht es auch um den Verdacht der fahrlässigen Tötung, eine entsprechende Strafanzeige hatte die Deutsche Stiftung Patientenschutz gestellt.

Angehörige von mit oder nach Covid-19-Erkrankungen verstorbenen Bergmann-Patienten fordern Aufklärung über mögliche Fehler und werfen der Klinikleitung vor, die Gefahr durch Corona unterschätzt zu haben. Interims-Chef Schmidt sagte am Freitag, man werde „Abläufe und Zuordnungen grundlegend überarbeiten und aus unseren Erfahrungen lernen“. Dies betreffe das Meldewesen und die Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt. Nach dem Ausbruch waren Daten gar nicht, unvollständig oder deutlich zu spät übermittelt worden.

Zur Startseite