Wo Willkür herrscht: Zehn Länder, in denen die Menschenrechtslage besonders schlimm ist
Unterdrückung, Zwangsarbeit, Folter – in vielen Ländern werden Menschenrechte aufs Gröbste verletzt. Ein Überblick zum Tag der Menschenrechte.
Es ist ein besonderer Tag. Einer, der deutlich machen soll, dass bürgerliche Freiheiten, Rechtstaatlichkeit und Schutz vor politischer, rassistischer oder religiöser Verfolgung überhaupt keine Selbstverständlichkeit sind.
Deshalb wurde der 10. Dezember zum Tag der Menschenrechte erklärt, der auf Verstöße gegen elementare Grundrechte aufmerksam machen und Missstände anprangern soll.
Zwar hat sich die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verständigt. Aber mehr als 70 Jahre später werden diese Vorgaben in vielen Ländern der Welt infrage gestellt und verletzt. Das reicht von der Festnahme Oppositioneller über Zwangsarbeit und Diskriminierung bis hin zu Folter und Hinrichtungen. In diesen Ländern steht es um die Menschenrechte besonders schlecht.
China
Viele Uiguren zeigten sich am Montag empört nach der Pressekonferenz des chinesischen Vize-Parteichefs der Kommunistischen Partei von Xinjiang. Alle Menschen, die sich in den „Berufsbildungszentren“ der westchinesischen Provinz befunden hätten, hätten ihre Ausbildung „abgeschlossen“ und lebten nun ein glückliches Leben, behauptete Shorat Zakir.
„Wo ist dann mein Vater?“, twitterte die Uigurin Fatima Abdulghafur aus Sydney. „Wo sind meine Mutter, Bruder und Schwester? Wo ist mein Cousin? Warum kann ich sie nicht anrufen? Wenn die Behauptung wahr ist, dann zeigt sie mir und schickt sie nach Australien!“
Chinas Regierung hat in Xinjiang unter dem Vorwand der „Terrorismusbekämpfung“ über eine Million Uiguren und andere muslimische Minderheiten in Umerziehungslager verbannt. Die Willkürlichkeit, Systematik und Menschenrechtsverletzungen in den Lagern ist unlängst durch geleakte Regierungsdokumente noch bekannter geworden.
Doch China steht nicht nur wegen der massiven staatlichen Unterdrückung der Uiguren in der Kritik. Polizeigewalt in Hongkong, Unterdrückung der Tibeter, Verhaftung von Menschenrechtsaktivsten und Anwälten, Folter in Gefängnissen, Organraub in Krankenhäusern, fehlende Meinungs-, Presse- und Religionsfreiheit sind weitere Verstöße, die Menschenrechtsorganisationen China vorwerfen.
Nordkorea
Der abgeschottete Staat gilt als eines der repressivsten Länder der Welt. Während Machthaber Kim Jong Un nach außen hin mit Atomwaffen- und Raketentests Stärke zeigt, wird die Bevölkerung im eigenen Land brutal unterdrückt. Bis zu 120.000 Menschen sind Amnesty International zufolge aus politischen Gründen in Straflagern inhaftiert, wo sie Folter und Misshandlungen ausgesetzt sind.
Zwangsarbeit ist in Nordkorea weit verbreitet. Die Regierung nutzt sie, um die Wirtschaft zu stützen und die Bevölkerung unter Kontrolle zu halten, berichtet die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. „Eine signifikante Mehrheit der Nordkoreaner muss zu irgendeinem Zeitpunkt in ihrem Leben unbezahlte Arbeit leisten.“
Auch im Ausland, vor allem in Russland müssen Nordkoreaner Devisen für das Regime erwirtschaften. Sie müssen hart arbeiten, erhalten Lohn nur von der Regierung und können sich nur eingeschränkt bewegen. Menschenrechtsorganisationen bezeichnen sie als „Arbeitssklaven“.
Russland
Fast zwei Jahrzehnte nach seinem Einzug in den Kreml hat der russische Präsident Wladimir Putin seine Macht immer weiter ausgebaut. Oppositionelle und kritische Journalisten sehen sich Repressionen ausgesetzt, die Versammlungsfreiheit wurde so stark eingeschränkt, dass sie faktisch abgeschafft ist.
Wer sich in Russland für Menschenrechte einsetze, müsse um seine Freiheit, seine Gesundheit und sein Leben fürchten, erklärt Amnesty International. Der Mord an der Menschenrechtlerin Natalia Estemirowa ist auch nach zehn Jahren ebenso wenig aufgeklärt wie die Morde an bekannten Politikern und Journalisten.
Besorgniserregend ist die Menschenrechtslage insbesondere in der russischen Teilrepublik Tschetschenien, wo seit Jahren Willkür und Rechtslosigkeit herrschen. Immer wieder gibt es Berichte über willkürliche Festnahmen, Folter und das „Verschwindenlassen“ von Menschen in Tschetschenien. Zudem werden Homosexuelle brutal verfolgt.
Venezuela
Der frühere UN-Botschafter Venezuelas, Diego E. Arria, nennt es eine „Schande“, dass Venezuela am 17. Oktober in den UN-Menschenrechtsrat gewählt worden ist. Die Mitgliedschaft sei ein „Feigenblatt“ für den sozialistischen Machthaber Nicolás Maduro.
In keinem Land Südamerikas sind die Menschenrechte derart in Bedrängnis. Nach Angaben der Organisation „Foro Penal“ gibt es in Venezuela rund 400 politische Gefangene. 17 der 112 Oppositionsabgeordneten des entmachteten Parlaments leben inzwischen im Exil. Zwar ist Maduros Gegenspieler Juan Guiadó noch frei, aber der Geheimdienst und ständige Schikanen sollen ihn und seine Anhänger mürbe machen.
Auch Journalisten können nicht frei arbeiten, immer wieder attackieren sozialistische Schlägertrupps, Colectivos, Demonstranten oder sie lauern Regimegegnern auf. Hinzu kommt eine nicht mehr unabhängig agierende Justiz. Mehr als 4,3 Millionen Menschen haben das Land mittlerweile verlassen. Der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten, Luis Almagro, sagte jüngst, Venezuela sei heute eine Diktatur.
Syrien
Für Baschar al Assad ist die Sache klar – wer die Herrschaft des Präsidenten nicht ohne Wenn und Aber akzeptiert, wird zum Terroristen erklärt und als Staatsfeind gnadenlos verfolgt. Willkürliche Festnahmen, Folter und Hinrichtungen ohne rechtsstaatliche Verfahren gehören zu den gezielt eingesetzten Machtmitteln.
In einem vertraulichen Lagebericht des Auswärtigen Amtes heißt es, 17.000 Menschen seien durch Misshandlungen in Kerkern ums Leben gekommen. Andere starben, weil sie verhungerten oder ihnen dringende medizinische Versorgung vorenthalten wurde.
Mehrere Millionen Syrer stehen nach Informationen von Aktivisten auf den Fahndungslisten der staatlichen Behörden. Zig Tausende sind spurlos verschwunden. Menschenrechtler nennen dieses Vorgehen des Regimes eine „Politik der Vernichtung“.
Ägypten
Befehl und Gehorsam, wer dieser Herrschaftsmaxime nicht Folge leistet, muss im Ägypten von Staatschef Abdel Fattah al Sisi die Repressioninstrumente eines Polizei- und Militärstaats fürchten. Ein Klima der Einschüchterung und Angst ist die Folge.
Wagt man es, die Regierenden zu kritisieren, kann das exzessive Gewalt und Gefängnis zur Folge haben. Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit sind stark eingeschränkt. Nach Angaben von Menschenrechtlern gibt es schätzungsweise 60.000 politische Häftlinge.
Ohne rechtsstaatliche Verfahren werden lange Haftstrafen gegen Oppositionelle und Demokratie-Aktivisten verhängt. Gerichte verurteilten Hunderte Angeklagte zum Tode. Das Ägypten von heute, da sind sich Beobachter weitgehend einig, ist deutlich repressiver als unter Langzeit-Diktator Hosni Mubarak.
Saudi-Arabien
Das Land am Golf ist ein Verbündeter des Westens, aber von westlichen Standards ist es weit entfernt. Wie grausam der Staat selbst im Ausland gegen seine Kritiker vorgeht, erfuhr die Welt nach der Ermordung des saudischen Regimekritikers Jamal Kashoggi in Istanbul vor einem Jahr.
In Saudi-Arabien selbst sind zentrale Menschenrechte empfindlich eingeschränkt oder außer Kraft. Regierungskritiker oder Menschenrechtsaktivisten werden für viele Jahre eingesperrt. So sitzt der Blogger Raif Badawi wegen angeblicher Beleidigung des Islam seit sieben Jahren im Gefängnis. Vertreter der schiitischen Minderheit wurden auf grausame Weise hingerichtet. Enthauptungen finden in aller Öffentlichkeit statt.
Frauen dürfen zwar inzwischen Auto fahren und arbeiten, werden aber gesetzlich weiter diskriminiert. Zudem verübte die von Saudi-Arabien geführte Internationale Militärallianz im Jemen schwer Verstöße gegen das Völkerrecht.
Iran
Im Iran gibt es krasse Verstöße gegen Menschenrechte. Zentrale Rechte wie Meinungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit sowie das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung sind stark eingeschränkt oder ausgesetzt.
Die Revolutionsgarden setzen ihre radikalislamischen Regeln gegen Frauen durch. Menschen werden eingesperrt, die ohne Gewaltanwendung Kritik äußern. Prozesse verstoßen gegen rechtsstaatliche Regeln, Gefangene werden misshandelt und gefoltert. Grausame Körperstrafen werden vollstreckt, darunter Auspeitschungen und Amputationen.
Hunderte Menschen werden jedes Jahr hingerichtet, manche in aller Öffentlichkeit. Bei der Niederschlagung von Protesten wurden nach Oppositionsangaben jüngst rund 200 Menschen getötet, die USA sprechen sogar von 1000.
Demokratische Republik Kongo
Die Dimension der Gewalt in dem afrikanischen Land, das so groß ist wie Mittel- und Westeuropa zusammen, findet in Europa nur wenig Aufmerksamkeit. Dabei schätzen die Vereinten Nationen die Zahl der Toten im Kongo seit 1996 auf vier bis fünf Millionen Menschen. Täglich sterben rund 100 Menschen.
Die Demokratische Republik Kongo gilt in weiten Teilen als „failed state“, der nicht einmal die elementare Sicherheit der Menschen in allen Teilen seines Territoriums garantieren und ihre Grundbedürfnisse befriedigen kann. Weder die Armee noch die UN-Friedensmission für den Kongo (Monusco) können die 120 Milizen im Schach halten, die sich bekämpfen und an den wertvollen Rohstoffen bereichern.
Vor allem im Osten des Landes sind ethnische Auseinandersetzungen und Massenvergewaltigungen schrecklicher Alltag. Aber auch dort, wo die Regierung das Sagen hat, gibt es Probleme: Gegen oppositionelle Kundgebungen gehen Sicherheitskräfte brutal vor.
Türkei
„Schwerwiegende Rückschritte“ bei den Menschenrechten beklagte die EU in diesem Frühjahr in ihrem neuesten Bericht zur Türkei. Besonders seit dem Putschversuch von 2016 rutscht das Land in autokratische Zustände ab, bei denen Einschränkungen der Freiheitsrechte mit dem notwendigen Kampf gegen angebliche Staatsfeinde begründet werden.
Zehntausende Menschen sind in dieser Zeit ins Gefängnis gekommen, weil sie Verbindungen zu den Putschisten gehabt haben sollen, Hunderttausende verloren ihre Arbeit. Einige hundert Zeitungen, Fernsehsender und Radiostationen wurden verboten – nach einer Zählung der türkischen Journalistengewerkschaft TGC sitzen derzeit 110 Journalisten hinter Gittern.
Die Regierung von Präsident Erdogan verspricht Verbesserungen durch eine Justizreform. Bisher sind jedoch keine nachhaltigen Veränderungen erkennbar.