zum Hauptinhalt
Fast 90 Prozent stimmten bei der Volksabstimmung für die Verfassungsänderung. Allerdings lag die Wahlbeteiligung der Ägypter bei nur 44 Prozent.
© Mohamed el Shahed/AFP

Ein Pharao namens Sisi: Ägyptens Staatschef herrscht gnadenloser als seine Vorgänger

Präsident al Sisi bleibt nach einem Referendum Ägyptens starker Mann, vielleicht auf Lebenszeit. Doch seine Herrschaft könnte auch abrupt enden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Dr. Christian Böhme

Im Juni 1953 wurde die Arabische Republik Ägypten gegründet. Und seither, seit nun bald 66 Jahren, lenken fast ausschließlich frühere Militärs die Geschicke des Landes. Gamal Abdel Nasser, Anwar al Sadat und Hosni Mubarak – sie alle herrschten autoritär bis diktatorisch. Und an diesem Führungsstil, der für echte Freiheits- und Bürgerrechte keinen Platz lässt, wird sich auf absehbare Zeit nichts ändern.

Abdel Fatah al Sisi heißt der Mann, der sich per Volksentscheid und daraus resultierender Verfassungsänderung eine pharaonenhafte Amtszeit und Zugriff auf die Justiz gesichert hat. Wenn der heute 64-Jährige es will, kann er wenigstens bis 2030 Präsident bleiben. Und kaum einer zweifelt daran, dass Sisi diese Chance nutzen wird - womöglich auf Lebenszeit.

Repressiver als unter Mubarak

Als damaliger Armeechef putschte er 2013 den frei gewählten islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi weg, fand Geschmack an der Machtfülle und hat ein Regime installiert, dass als sogar im Vergleich zu seinen Vorgängern besonders repressiv gilt.

Jede Form von Opposition wird als Angriff auf die Stabilität des Landes gewertet und mit gnadenloser Härte bestraft. Die Gefängnisse sind voll mit Menschen, die das System als politische Feinde erachtet.

Doch so unangreifbar Sisis Herrschaft und die seines Sicherheitsapparats auch scheinen mag: Sie kann auch abrupt enden. Denn Sisi muss liefern. Weil die Probleme des Landes enorm sind.

Terrorismus bedroht die Menschen. Die Wirtschaft lahmt, auch wenn offizielle Zahlen anderes belegen sollen. Die Staatsverschuldung ist hoch, die Infrastruktur marode, das Bildungssystem nicht der Rede wert. Reformen sind überfällig, vor allem mit Blick auf die junge, rasch wachsende Bevölkerung, die sich nach einem würdigen Leben sehnt.

Milliarden für Waffen statt für Reformen

Doch dringend erforderliche Reformen enden dort, wo die Streitkräfte um ihren Einfluss und ihre Pfründe fürchten. Kein Wunder, dass Milliarden für Waffen ausgegeben werden statt für Schulen und Kliniken. Wenn allerdings die Grundbedürfnisse der Bürger nicht erfüllt werden, wächst der Unmut.

Und wozu Proteste und Missstände wie Armut und Korruption führen können, haben jüngst die Langzeit-Despoten im Sudan und Algerien erlebt. Omar al Baschir und Abdelaziz Bouteflika wurden vom erzürnten Volk aus ihrem Amt vertrieben. Gut vorstellbar, dass Sisi dieser Gefahr für seine Macht mit mehr Staatsgewalt und noch weniger Freiheit begegnen wird.

Menschenrechte? Für Europa zweitrangig

Den Europäern ist das, was in Ägypten vor sich geht, mit wenigen Ausnahmen herzlich egal. Für sie zählt allein vermeintliche Stabilität und die Abwehr von Flüchtlingen. Dafür gilt ihnen Sisi als Garant. Dafür wird er hofiert. Fehlende Menschenrechte und alltägliche Unterdrückung rangieren bei solchen Überlegungen bestenfalls an zweiter Stelle. Wenn überhaupt.

Zur Startseite