Neue Fronten im Jemenkrieg: Die Kehrtwende der Emirate verwirrt die Saudis
Die Vereinigten Arabischen Emirate standen treu an der Seite des saudischen Kronprinzen bin Salman. Doch das ist nun Vergangenheit – mit Folgen für die Region.
Als aufständische Separatisten im Jemen vorige Woche den Präsidentenpalast in der geostrategisch bedeutenden Hafenstadt Aden eroberten, überraschte das die regionale Großmacht Saudi-Arabien. Denn die Rebellen unter Befehlshaber Aidarus al Zubaidi gehören nicht zu den Huthis, die im Jemen seit über vier Jahren gegen ein Bündnis unter saudischer Führung kämpfen.
Zubaidis „Übergangsrat des Südens“ wird vielmehr von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) unterstützt – einem bisher treuen Verbündeten der Saudis. Der Coup war Konsequenz eines außenpolitischen Kurswechsels der VAE, der Folgen für die Region haben könnte.
Schon vor Zubaidis Attacke hatte die Führung in Abu Dhabi den Rückzug ihrer Truppen aus dem Jemen verkündet. Dort haben die reichen Emirate in den vergangenen Jahren nach eigenen Angaben rund 90.000 Kämpfer ausgebildet und bewaffnet.
Die Wende der VAE verwirrt den Partner Saudi-Arabien und dessen Helfer im Jemen. Die von der Golfmonarchie gestützte offizielle Regierung des Landes warf Zubaidi und den Emiraten gar einen Putschversuch vor. Im Jemen tobt nun ein Bürgerkrieg im Bürgerkrieg.
In einem eilig anberaumten Spitzentreffen mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman versuchte Mohammed bin Zayed, Thronfolger von Abu Dhabi und starker Mann der VAE, die Wogen zu glätten. Die beiden riefen nach ihrem Gespräch in Mekka die Konfliktparteien im Jemen zum „Dialog“ auf.
Doch Mohammed bin Zayed vermied eine ausdrückliche Aufforderung an seinen Partner Zubaidi, sich aus Aden zurückzuziehen. Der Bruch zwischen den VAE und Saudi-Arabien ist unübersehbar. Und er zeigt sich nicht nur im Jemen. Auch in der Auseinandersetzung der sunnitischen Golfstaaten mit dem schiitischen Iran gehen die Emirate eigene Wege.
Unter Mohammed bin Salman steuert Saudi-Arabien einen strikt antiiranischen Kurs und liegt damit auf der Linie der Teheran-Gegner in der amerikanischen Regierung, die nach Ansicht von Kritikern einen Krieg mit dem Mullah-Regime provozieren wollen. Dagegen schickten die Emirate kürzlich erstmals seit sechs Jahren eine Delegation ihrer Küstenwache nach Teheran, um mit der iranischen Führung über bilaterale Sicherheitsfragen zu sprechen.
Schon nach den mutmaßlich iranischen Anschlägen auf Öltanker im Persischen Golf im Mai fiel auf, dass die VAE auf eine direkte Schuldzuweisung an Teheran verzichteten. Die Emirate sehen den Iran als Gefahr, wollen einen Krieg aber verhindern.
Hinter dem neuen Kurs der VAE stehen wirtschafts- wie außenpolitische Gründe. Das kleine Land hat sich den Ruf eines attraktiven, sicheren und liberalen Investitionsstandortes im Nahen Osten erarbeitet; 80 Prozent der dortigen Bevölkerung sind Ausländer – sollten sie wegen einer Eskalation mit dem Iran in Panik geraten und massenhaft das Land verlassen, stünde die Wirtschaft vor einer Katastrophe.
Der Truppenabzug aus dem Jemen ist ebenfalls handfesten Interessen geschuldet. Wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen im Jemenkrieg werden im US-Kongress Sanktionen gefordert, die auch die VAE treffen könnten. Auch angesichts der weltweiten Empörung über die Ermordung des Dissidenten Jamal Khashoggi durch ein saudisches Killerkommando mag es den VAE angeraten erscheinen, sich etwas von Riad zu distanzieren.
Die Korrekturen sind außerdem ein indirektes Eingeständnis, dass sich die kleinen Emirate mit außenpolitischen Interventionen übernommen haben. Vor sechs Jahren spielte das Land eine wichtige Rolle beim Putsch gegen den islamistischen ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi. Heute mischen die VAE im Streit mit Katar, im Libyenkonflikt sowie im Sudan und in Somalia mit.
Die strategische Kehrtwende der Emirate bedeutet vor allem für den ehrgeizigen saudischen Kronprinzen eine herbe Niederlage. Mohammed bin Salman ist die treibende Kraft hinter dem Feldzug im Nachbarland Jemen, der für das Königshaus zu einem Debakel geworden ist.
Denn längst steht fest: Die Huthi-Rebellen leisten erfolgreich Widerstand, der Krieg ist offenkundig nicht zu gewinnen. Darüber hinaus hat der Ruf der Monarchie durch verheerende Luftangriffe auf die schutzlose Zivilbevölkerung schwer gelitten.
Statt selbst gesteckte Ziele zu erreichen – vor allem, den Jemen als Saudi-Arabiens „Hinterhof“ unter Kontrolle zu bekommen –, wird das Land ins Elend gebombt. Dabei hatte der Thronfolger im Frühjahr 2015 seinem Volk einen raschen triumphalen Sieg versprochen.
„Mit dem Rückzug der VAE wird es für den Kronprinzen sehr viel schwieriger, zu erklären, warum man im Jemen aktiv ist“, sagt Sebastian Sons von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Das könnte dem Experten zufolge sogar einen positiven Effekt haben. „Vielleicht gibt es ja in Saudi-Arabien nun ein Umdenken und man zeigt sich bereit, über eine politische Lösung des Konflikts nachzudenken.“