7 Tage bis zur US-Wahl: Hillary Clinton und die Panik vor dem Endspurt
Binnen vier Tagen hat sich Clintons Vorsprung vor Trump halbiert. An der Rückkehr der E-Mail-Affäre allein kann das nicht liegen. Ein Kommentar.
Die USA begingen gestern ihre besondere Art der Geisterbeschwörung: Halloween. Auch im Weißen Haus empfingen die First Lady und der Präsident junge Gäste zum "Trick or treat".
Derweil wird die Demokratische Partei von allzu bekannten Dämonen befallen: der Schlussspurt-Panik. Auch wenn die Grunddaten eine Woche vor der Präsidentschaftswahl auf Sieg hindeuten, gibt sich ein Gutteil der Demokraten dem Albtraum hin, es könne doch noch schief gehen. Und dann machen - ähnlich wie bei den Trump-Anhängern - Verschwörungstheorien über den Einfluss finsterer Mächte die Runde.
Löst die E-Mail-Affäre eine späte Wende aus?
Binnen vier Tagen hat sich Hillary Clintons Vorsprung vor Donald Trump im Schnitt der Umfragen nahezu halbiert: von 5,6 auf 3,1 Prozentpunkte. In einer gemeinsamen Umfrage des Senders ABC und der "Washington Post" zieht Trump sogar an ihr vorbei. Und hat nicht FBI-Direktor James Comey vor drei Tagen die Wiederaufnahme der Ermittlungen in der E-Mail-Affäre bekannt gegeben? Der ist doch Republikaner, auch wenn Präsident Obama ihn ernannt hat. Daran muss es liegen!
Mit Verlaub: Daran kann es eigentlich nicht liegen - oder höchstens zu einem kleinen Anteil. Denn die Umfragen, deren Ergebnisse jetzt bekannt gegeben werden, sind ganz überwiegend erhoben worden, bevor Comeys Nachricht die Runde machte. Bei der "ABC/Washington Post"-Umfrage fällt einer von vier Umfragetagen in die Zeit danach, bei den Erhebungen der "Los Angeles Times" und des Senders NBC zwei von sieben Tagen. Wie viele normale Bürger hatten die News da überhaupt schon mitbekommen? Die übrigen Umfragen, die in den Durchschnitt einfließen, stammen komplett aus der Zeit vor der neuen Schlagzeile.
Wählerwanderungen sind nicht mehr zu erwarten
Zudem mag die E-Mail-Affäre Schlagzeilen machen, große Wählerwanderungen löst sie wohl kaum aus. Wer Clintons Umgang mit ihren Dienstemails als Außenministerin für einen Skandal hält, ist schon lange im Trump-Lager. Und die Clinton-Anhänger halten die Ermittlungen schon ähnlich lange für eine Zeitverschwendung und Vergeudung von Steuergelder. Da bewegt sich vermutlich wenig.
Was ist dann die Ursache? Auf den ersten Blick das ganz normale Auf und Ab, wie es die Demoskopen schon mehrfach gemessen haben. Im Übrigen: Clintons Werte sind keineswegs gefallen. Auch sie ist im Aufwind, nur steigt die Zustimmung zu Trump im Schnitt der jüngsten Erhebungen schneller als die zu ihm.
"Early Voting", Wahldisziplin und "Swing States" entscheiden
Entscheidend für den Ausgang ist die Wahldisziplin, darunter das "Early Voting". Und das Abschneiden in den "Swing States". In dieser Hinsicht ist das Bild für Clinton nach wie vor beruhigend. In den meisten liegt sie weiterhin vorne. Mit einer Ausnahme: Florida ist in den vergangenen Tagen wieder zu Trump gewechselt. Aber dort geben die Demokraten ja auch bewusst weniger Geld aus.
Trump müsste nahezu alle "Swing States" gewinnen, um die Wahl zu gewinnen. Clinton kann es sich leisten, Ohio und Florida zu verlieren, solange die Brandmauer in Pennsylvania, Michigan und Wisconsin hält. Und falls sie einen Südstaat wie North Carolina erobert, hat Trump schon gar keine Chance. Dort liegt ein Schwerpunkt der Wahlkampftermine von Clinton - und von Präsident Obama - in der verbleibenden Woche nach Halloween. Ein Sieg in North Carolina wäre die effektivste Geisteraustreibung.
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