9 Tage bis zur US-Wahl: Clinton will E-Mail-Affäre zur FBI-Affäre machen
Nun rückt FBI-Direktor Comey ins Visier: War die Information über neue Ermittlungen gegen Clinton geboten oder eine illegale Beeinflussung der Wahl? Eine Analyse.
Binnen 24 Stunden hat sich die Story gedreht: Am Freitagabend legten US-Medien den Schwerpunkt auf die Frage, inwieweit die neuen FBI-Ermittlungen gegen Hillary Clinton wegen des Umgang mit ihren E-Mails als Außenministerin ihren Wahlaussichten schaden. Am Sonnabend rückte der Bote der Nachricht ins Visier. Hat FBI-Direktor James Comey mit der Information an führende Mitglieder der zuständigen Parlamentsausschüsse nur seine Pflicht getan - oder ist dies als illegaler Versuch der Wahlbeeinflussung zu bewerten?
Clinton organisiert Gegenwehr
Dass diese Frage nun so viel Raum einnimmt, liegt zu einem Teil an der zwielichtigen Faktenlage. Zum anderen Teil ist es ein Erfolg des professionellen PR-Apparats der Clinton-Kampagne. Clinton und ihre wichtigsten Berater hatten die Entwicklung in einer Telefonkonferenz am Samstagmorgen als ernste Bedrohung eingestuft und sich zum energischen "Push back" entschlossen.
In den folgenden Stunden fragten führende Demokraten, was denn eigentlich die Intentionen des FBI-Chef seien, eine so brisante Nachricht elf Tage vor der Wahl publik zu machen - ohne parallel irgendwelche Informationen zu liefern, was an den neu aufgetauchten E-Mails denn so brisant sei? Oft war das mit dem Hinweis verbunden, dass James Comey ein Republikaner sei, auch wenn Präsident Barack Obama ihn für den Posten vorgeschlagen habe.
Auch Hillary Clinton ging Comey bei ihrem Wahlkampfauftritt in Daytona Beach, Florida, persönlich an. Es klang, als gehöre er zu ihren politischen Gegnern und als habe sie vergessen, dass seine Entscheidung im Juni, die Ermittlungen zu beenden, ihr geholfen hatte.
FBI missachtet Tradition der Zurückhaltung vor einer Wahl
Die Zweifel an Comeys Vorgehen fanden rasch Resonanz in den Medien. In der Tat ist seine Informationspolitik erklärungsbedürftig. Am Freitag lautete der Tenor, zum Beispiel bei "Newsweek", noch: Comey hatte keine andere Wahl. Er musste den Kongress darüber informieren, dass neue Fakten aufgetaucht seien, weshalb seine Entscheidung vom Juni, die Ermittlungen gegen Clinton zu beenden und keine Anklage zu empfehlen, revidiere.
Am Sonnabend klang es anders. Die "Washington Post" berichtet, Comeys Verhalten verstoße gegen die Tradition, kurz vor einer Wahl besonders zurückhaltend zu sein und nichts zu unternehmen, was als Beeinflussung verstanden werden könnte. Darüber habe das Justizministerium Comey unterrichtet, ehe er den Kongress informierte. Er habe jedoch bewusst gegen diesen Rat gehandelt. Ihm musste klar sein, dass die republikanischen Mitglieder der Parlamentsausschüsse die Information über die Wiederaufnahme der Ermittlungen nicht für sich behalten, sondern im Wahlkampf verwenden würden.
Noch immer weiß man nichts über den Inhalt der E-Mails
Comeys Vorgehen weckt zusätzlich Zweifel, weil er selbst sagt, dass er den Inhalt der neu aufgetauchten E-Mails nicht kenne und folglich auch nicht wisse, ob sie irgendeine brisante Information enthalten, die die entstandene Aufregung rechtfertigen. Sie müssen erst ausgewertet werden - und das dauert womöglich bis nach der Wahl.
So ist der unmittelbare Effekt dieser Entwicklung, dass mehr Amerikaner das Vertrauen in die Überparteilichkeit der Justiz verlieren. Trump-Anhänger glauben, dass das FBI im Juni falsch gehandelt habe, als es die Ermittlungen vorerst beendete, ob Clinton schweren Rechtsbruch beging, als sie ihre Dienst-Mails als Außenministerin über einen privaten Server leitete. Der Wahlkampf wäre in ihren Augen anders verlaufen, wenn der "Skandal" schon damals weiter verfolgt worden wäre.
Clinton-Anhänger sehen es umgekehrt. An den Vorwürfen sei nichts dran. Die Ermittlungen bedeuteten eine gigantische Verschwendung von Steuergeldern. Und jetzt komme auch noch der Versuch der Wahlbeeinflussung durch einen republikanischen FBI-Chef hinzu.
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