Iran-Experte Bahman Nirumand: "Es wird eine Kettenreaktion geben"
Was folgt aus Trumps Entscheidung? Iran-Experte Bahman Nirumand über die Schwäche von Präsident Ruhani, Druck auf Europa und das Problem neuer Verhandlungen. Ein Interview.
Iran-Experte Bahman Nirumand, geboren 1936 in Teheran, studierte in München, Tübingen und Berlin Germanistik, Philosophie und Iranistik. Er floh vor nach der Islamischen Revolution zunächst nach Paris und zog später nach Berlin. Nirumand ist Autor zahlreicher Bücher, über den Iran und den Nahen Osten sowie Verfasser des monatlich erscheinenden Iran-Reports der Heinrich-Böll-Stiftung.
US-Präsident Donald Trump entscheiden, die USA steigen aus dem Atomabkommen aus. Wie wird der Iran darauf reagieren?
Die erste Reaktion der Regierung in Teheran war moderat: Präsident Hassan Ruhani hat vorgeschlagen, mit den anderen Unterzeichnern des Abkommens Verhandlungen aufzunehmen und zu versuchen, den Vertrag beizubehalten. So lange die Interessen Irans gewahrt bleiben, will die Regierung an dem Abkommen festhalten. Ist das nicht der Fall und die Gespräche scheitern, will der Iran sein Atomprogramm wieder aufnehmen. Am Montag soll es die ersten Gespräche geben zwischen Irans Außenminister und Vertretern aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien.
Diese werden höchstens wenige Wochen dauern können, denn Ruhani braucht eine schnelle Lösung. Seine Position im Land ist durch den Ausstieg der USA geschwächt. In Anbetracht dieser Tatsache war Ruhanis Reaktion besonnen.
Teilen andere Ruhanis Position?
Parlamentspräsident Ali Laridschani ist deutlich skeptischer: Er ist nicht sicher, ob die Europäer bei dem bleiben, was sie vereinbart haben. Er fordert, sich auf alle Eventualitäten vorzubereiten. In der Parlamentssitzung am Mittwoch verbrannten die Konservativen die amerikanische Flagge und riefen: Tod den Amerikanern! Ich denke, dass die Konservativen sich dazu aufgerufen fühlen, zu handeln.
Was droht dem Präsidenten innenpolitisch?
Ruhani hat alle Karten auf das Abkommen gesetzt: Der Präsident hat seinem Volk einen Aufschwung versprochen, der bislang jedoch nicht eingetreten ist. Das Land erhält zwar mehr Einnahmen durch seine Ölexporte, aber die Menschen spüren davon noch nichts. Die Unzufriedenheit im Iran ist ohnehin sehr groß, das haben die Proteste zu Jahresbeginn gezeigt. Als Demonstranten forderten: Nieder mit dem Regime! Die Revolutionsgarde ist politisch, militärisch und ökonomisch stark. Ich kann mir vorstellen, dass sie jetzt ihre Stunde gekommen sieht und versuchen wird, die Macht an sich zu reißen.
Das ist kaum, was sich die USA wünschen.
Den USA geht es nicht so sehr um das Atomprogramm, es geht ihnen um einen Regimewechsel. John Bolton, Trumps Sicherheitsberater, hat das im vergangenen Jahr bei einem Auftritt vor Exil-Iranern verkündet: Nächstes Jahr würde man gemeinsam in Teheran feiern. Die USA glauben, dass die Menschen gegen das Regime protestieren, wenn der wirtschaftliche Druck stärker wird. Eine solche Revolte halte ich aber für so gut wie ausgeschlossen. Mit seiner Entscheidung schneidet sich Trump ins eigene Fleisch. Seine Entscheidung ist eindeutig zugunsten der Radikalen und Fundamentalisten. Das hätte fatale Folgen für die gesamte Region.
Womit rechnen Sie?
Es wird eine Kettenreaktion geben. Der Iran würde stärker auf Konfrontation gegenüber Israel, Saudi-Arabien und den USA setzen. Diese würden darauf reagieren. Es wächst die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung im Nahen Osten.
Werden die verbleibenden Parteien - Europa, China und Russland - es schaffen, sich mit Iran auf ein neues Abkommen zu einigen?
Ruhani setzt auf Europa – das ist seine letzte Hoffnung. Die Europäer stellen sich gegen die Entscheidung der USA, aber ich glaube nicht, dass sie diese Position lange durchhalten können. Der wirtschaftliche Druck der USA auf Europa ist zu hoch. Der neue US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, fordert bereits von der deutschen Wirtschaft, keine Geschäfte in Iran zu machen. Das finde ich unerhört.
Trump will über ein neues Abkommen verhandeln. Gibt es eine Chance dafür?
Trump will das Abkommen erweitern, auch die Europäer werden das versuchen: Irans ballistisches Raketenprogramm und die Rolle des Landes in der Region sollen in Gespräche mit einbezogen werden. Dafür sind die Iraner aber nicht bereit. Die Regierung würde seine Legitimation im Volk und in der Region verlieren. Verhandlungen über das Raketenprogramm und Irans Rolle in der Region würden das Aus für das Regime bedeuten. Deshalb wird ein Verhandlungsversuch der Europäer keinen Erfolg haben.
Auch für die Amerikaner hat der Ausstieg verheerende Folgen: Kein Land wird mit ihnen mehr langfristige Verträge schließen. Denn die USA können jederzeit sagen: Wir lehnen das ab. Das Atomabkommen ist international, es einfach zu kündigen bedeutet die Missachtung aller internationaler Rechte und Umgangsformen. Neue Verhandlungen sind aussichtslos.