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Israel Premier Benjamin Netanjahu ist erklärter Gegner des Abkommens.
© Roven Zvulun/dpa

Trumps Entscheidung: Warum Israel und Saudi-Arabien den Atomdeal so heftig bekämpfen

Benjamin Netanjahu ist ein erklärter Gegner des Irans und des Atomabkommens. Das verbindet ihn mit einigen arabischen Staaten. Auch sie warnen vor Teheran.

Für Benjamin Netanjahu ist ein Traum in Erfüllung gegangen. Seit Jahren kämpft Israels Regierungschef unermüdlich und mit allen Mitteln gegen die Vereinbarung mit dem Iran. Wie sein Freund Donald Trump hält Netanjahu den Deal für einen grundfalschen.

Das Regime in Teheran trickse und täusche, davon ist der 68-Jährige fest überzeugt. Erst vor wenigen Tagen warf er den Mullahs während einer multimedialen Präsentation zur besten Sendezeit vor, trotz aller Auflagen den Bau von Atomwaffen voranzutreiben. Und jetzt steigt Amerika aus dem Deal aus.

Zwar bezweifeln insbesondere die Europäer Netanjahus Darstellung. Auch die Atomenergiebehörde bescheinigt dem Iran Vertragstreue. Doch das ficht Netanjahu nicht an. Er sieht sein Land existenziell bedroht – und viele Menschen im Staat der Juden sehen das ebenso. Schließlich haben die Mullahs mehrfach gedroht, das „zionistische Gebilde“ auslöschen zu wollen.

Gefahr an der Nordgrenze

Nuklearwaffen in ihren Händen sind daher für Netanjahu inakzeptabel. Er werde alles daran setzen, dies zu verhindern. Erst am Sonntag sagte der Premier, man müsse Irans Führung eher früher als später entgegentreten. Sein Land wolle keine Eskalation, sei aber auf jedes Szenario vorbereitet.

Der saudische Thronfolger Mohammed bin Salman sieht im Iran eine Bedrohung.
Der saudische Thronfolger Mohammed bin Salman sieht im Iran eine Bedrohung.
© Tolga Akmen/AFP

Dabei dürfte Netanjahu vor allem die Nordgrenze im Blick haben. Dort gilt für Israels Armee höchste Alarmbereitschaft. Denn da ist zum einen die hochgerüstete Hisbollah. Im Süden des Libanons soll die Schiitenmiliz weit mehr als 100.000 Raketen in Stellung gebracht haben. Darunter sind nach Einschätzung der Militärs hochmoderne Waffen, die mit ihrer Reichweite jeden Ort in Israel erreichen könnten.

Ähnlich brisant, wenn nicht gar noch heikler, ist aus Israels Sicht die Lage an der Grenze zu Syrien. Denn dort setzt sich der Erzfeind Iran mehr und mehr fest. Teheran und die mit ihr verbündete Hisbollah gehöre zu den treuesten Verbündeten von Machthaber Baschar al Assad, ja, sie haben gemeinsam mit Russland dessen politisches Überleben gesichert.

Auf Konfrontationskurs in Syrien

Der Iran will nun, dass sich das Engagement für ihn auszahlt. Dazu gehört an erster Stelle Einfluss, zum Beispiel in Form von Militärbasen und Waffenfabriken. Die von Israel besetzten Golanhöhen spielen dabei eine zentrale strategische Rolle. Von dort aus ließe sich Israel mithilfe der Hisbollah im Libanon quasi in die Zange nehmen. Das wiederum wollen die Regierenden in Jerusalem keinesfalls hinnehmen.

Um dies zu verhindern, fliegt Israels Luftwaffe immer wieder Angriffe gegen syrische und iranische Stellungen. In jüngster Zeit haben sich deshalb die Spannungen verschärft. Bei zwei Attacken sollen mehrere iranische Kämpfer ums Leben gekommen sein. Auch Teheran tut das Seinige, um Israel zu provozieren. Im Februar war zum Beispiel eine iranische Drohne von Syrien aus in den Luftraum des jüdischen Staats eingedrungen und abgeschossen worden.

Inzwischen wird der Konflikt zwischen beiden Kontrahenten mit großer Heftigkeit geführt. Neben Netanjahu ist es Israels Verteidigungsminister Avigdor Lieberman, der kaum einen Tag ohne Drohungen verstreichen lässt. Vor Kurzem warnte er, sollte Tel Aviv angegriffen werden, würde auch Teheran zu einem Ziel.

Es scheint: Aus dem kalten Krieg könnte sehr schnell ein heißer werden.

Trumps Entscheidung übers Schicksal des Abkommens kommt in einer Zeit, in der die Rivalität zwischen Teheran und diversen arabischen Hauptstädten einen neuen Höhepunkt erreicht hat. Das Streben der Iraner nach einem „schiitischen Bogen“ vom eigenen Staatsgebiet über den Irak und Syrien bis nach Libanon am Mittelmeer und das Engagement im Jemen-Krieg machen die Golf-Araber nervös.

Insbesondere die sunnitische Führungsmacht Saudi-Arabien – ein erklärter Feind Teherans – hat klar gemacht, dass sie eine mögliche nukleare Aufrüstung des Iran nicht hinnehmen will. In Nahost droht ein atomares Wettrüsten.

Misstrauen gegenüber Teheran

Eine iranische Bombe würde in der Region nicht nur als eine gegen Israel gerichtete Bedrohung aufgefasst. Deshalb könnten mehrere andere Akteure eigene Nuklearwaffen entwickeln. Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman kündigte vor einiger Zeit an, dass sein Land nach der Atombombe greifen wird, wenn der Iran zur militärischen Nuklearforschung zurückkehrt.

Auch Trump sieht die Gefahr eines atomaren Rüstungswettlaufes in Nahost. Er argumentiert allerdings, dass er diesen mit seinem scharfen Vorgehen gegen den Iran verhindern kann.

Da könnte sich der US-Präsident täuschen. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) planen den Bau von Atomkraftwerken, die den Ausgangspunkt für eine weitere Uran-Anreicherung für militärische Zwecke bilden könnten. Derzeitige Verträge, die eine militärische Nutzung der Atomkraft verbieten, sind möglicherweise nicht das letzte Wort.

Das Misstrauen der Araber gegenüber dem Iran ließ die Kritik der Saudis und anderer arabischen Akteure am Atomdeal vernichtend ausfallen. Die Golf-Araber fühlten sich von der amerikanischen Obama-Regierung im Stich gelassen. Das ist ein wichtiger Grund dafür, dass Trumps aggressivere Politik gegenüber Teheran etwa in Saudi-Arabien auf so viel Unterstützung trifft.

Die Regierung in Riad erklärte nach Trumps Erklärung vom Dienstag, der Iran habe Milliardengewinne, die durch den Abbau der Sanktionen möglich geworden seien, zur Destabilisierung der Region genutzt.

Wird der Nahe Osten nuklear aufgerüstet?

Auch andere Golfstaaten wie die VAE warnen vor einer Bedrohung durch das Mullah-Regime. Ali Abdulla al Ahmed, Botschafter der VAE in Deutschland, sagte: Wir sind nicht prinzipiell gegen das Atomabkommen. Aber es braucht dringend eine umfassendere Übereinkunft, die auch Irans Einfluss in der Region und dessen Raketenprogramm klare Grenzen setzt. Teherans Führung habe die Tendenz, den Nahen Osten zu destabilisieren. Irans großes Ziel sei es, wieder ein persisches Reich zu errichten.

Der Kollaps der Vereinbarung ist auch ein Rückschlag für die Diplomatie insgesamt. Schließlich bildete das Abkommen den Versuch, den Iran in einen internationalen Gesprächsprozess einzubinden und auf nicht-militärischem Wege eine Mäßigung in der Haltung der Teheraner Führung zu erreichen.

Wenn dieser Versuch nun aufgegeben wird, dürfte die Unterstützung für politische Bemühungen bei anderen Streitthemen wie Irans Raketenprogramm oder der Einmischung in regionale Krisen wie in Syrien sinken.

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