Atomabkommen: Merkel muss erklären, wie sie den Iran stoppen will
Kriegstreiber Donald Trump? Die deutsche Debatte um das Atomabkommen mit dem Iran ist einseitig. Auch die Kanzlerin hat nämlich Zweifel. Ein Kommentar.
Disruption, der Bruch mit dem Gewohnten, ist nicht an und für sich schlecht. Es hängt davon ab, was daraus entsteht. Das gilt auch für Donald Trumps Umgang mit dem Iran und dem Atomabkommen. Er fordert Nachbesserungen und bricht, um diese zu erzwingen, die Absprachen, dass die USA die Sanktionen lockern müssen, sofern der Iran das Atomwaffenprogramm unter internationaler Aufsicht stoppt.
Die Lage ist also ambivalent. Falls der Druck zu einem besseren Vertragspaket führt, wäre die Welt besser dran. Zerfällt der Deal, weil der Iran Trumps Provokation damit beantwortet, dass auch er Zusagen nicht mehr einhält, wäre die Lage schlechter als zuvor. Da beginnen die Probleme der Debatte in Deutschland. Von Ambivalenz war bisher wenig zu hören. Schwarz-Weiß-Denken hat Konjunktur, in der Darstellung des Geschehens wie in der Bewertung. Trump beende angeblich den Atomdeal. Er habe den Rat der europäischen Verbündeten Großbritannien, Frankreich und Deutschland ignoriert. Und er sei ein Kriegstreiber.
Es fällt nicht mal auf, dass sich der Mainstream der Medien damit auf frontalem Gegenkurs zur Kanzlerin bewegt. Da zeigt sich der andere Grundfehler deutscher Diskussionen über Außen- und Sicherheitspolitik neben der fehlenden Ambivalenz-Kompetenz: Die Regierung erklärt ihre Position nicht, jedenfalls nicht daheim für die Ohren der deutschen Bürger.
Merkel stimmt Trump in vielem zu - aber wer merkt das?
In Washington sagt Angela Merkel, sie stimme Trump in vielem zu. Der Deal sei nicht ideal, sondern nur ein Anfang. Auch sie wünscht vier Nachbesserungen. Die Verpflichtung Irans, keine Atomwaffen zu bauen, muss unbefristet gelten und darf nicht 2030 auslaufen.
Iran soll sein Raketenprogramm einstellen, damit es nicht eines Tages Atomsprengköpfe auf Israel, Saudi-Arabien oder Europa richten kann. Irans Praxis, die Bürgerkriege in der Region mit Kämpfern anzuheizen und Terrorgruppen zu unterstützen, muss enden.
Nicht bei den Zielen sind Trump und Merkel über Kreuz, nur bei der Wahl der Mittel. Trump baut mit Disruption Druck auf. Merkel wäre es lieber, er würde nur drohen und die Europäer nachverhandeln lassen. Nur: Warum erklärt sie oder ihr Außenminister diese Lage nicht?
Trump beendet die Diplomatie nicht, er macht Druck
Trump hat die Diplomatie am Dienstag nicht beendet. Er führt mehr Sanktionen ein, statt sie abzubauen. Welche das genau sein werden und wann sie greifen, sagt er nicht. Für Europa ist entscheidend, ob Staaten und Firmen, die Geschäfte mit dem Iran machen, riskieren, dafür von den USA mit Strafen überzogen zu werden.
Die Wiedereingliederung in den Wirtschaftsaustausch war das Lockmittel, das den Iran zum Verzicht auf die Atombombe brachte. Es wird dauern, Klarheit über die neuen Sanktionen und ihre Folgen zu gewinnen. Die Zeit kann man nutzen, um nachzuverhandeln. Europa spricht bereits mit dem Iran.
Das Muster ist typisch Trump. Mit Disruption setzt er andere unter Zeitdruck, sich zu bewegen. Im Fall Iran kann das gut, es kann aber auch schlecht enden. Deutschland ist dabei nicht Zuschauer, sondern ein zentraler Akteur. Von der Regierung darf man erwarten, dass sie sich erklärt. Und von Medien, dass sie sich der Ambivalenz stellen.
Christoph von Marschall ist erster Helmut-Schmidt-Fellow der ZEIT-Stiftung und des German Marshall Fund of the United States (GMFUS) und arbeitet derzeit in Washington an einer Studie über die Zukunft der Transatlantischen Beziehungen.