zum Hauptinhalt
US-Präsident Donald Trump.
© imago/ Xinhua

Abkehr vom Iran-Abkommen: Donald Trump ist unbelehrbar

Bis zuletzt hatten Befürworter des Atomdeals gehofft, Donald Trump von der Aufkündigung des Abkommens abzuhalten. Vergeblich. Der löst damit ein Wahlkampfversprechen ein.

Nicht nur das politische Washington spekulierte bis zuletzt darüber, was Donald Trump wohl an diesem Dienstagnachmittag bekanntgeben werde. Auch an der New Yorker Börse zeigte sich die Unruhe vor der Entscheidung des US-Präsidenten. Dort wechselte der Ölpreis gleich mehrmals die Richtung. Die Investoren reagierten damit auf eilig wechselnde Schlagzeilen, in denen US-Medien mal den Ausstieg, mal den Verbleib Amerikas im Iran-Abkommen vorhersagten. Am frühen Nachmittag schließlich nahm der US-Präsident den Optimisten alle Hoffnung.

Nachdem Trump bereits im Wahlkampf das Ende des Atomabkommens – dem wohl wichtigsten außenpolitischen Erfolg seines Vorgängers Barack Obama – immer wieder angekündigt hatte, machte er nun Ernst. Es sei ein einseitiger, schrecklicher Vertrag, der "niemals hätte abgeschlossen werden dürfen", sagte Trump im Weißen Haus. Innerhalb der nächsten 120 Tage sollten die US-Sanktionen gegen Teheran, die als Teil des Abkommens aufgehoben worden waren, wieder eingeführt werden.

Es sei die weitreichendste Entscheidung seiner bisherigen Amtszeit, schrieb die Nahost-Expertin des Brookings Institutes, Suzanne Maloney.

Trump habe die Glaubwürdigkeit des Landes infrage gestellt und den Weg frei gemacht für eine erneute nukleare Aufrüstung im Iran. Nicht nur Europa, Israel und der Nahe Osten seien damit unsicherer geworden, sondern auch Amerika, kommentierten Beobachter. "Trump hat das Undenkbare erreicht: Er hat Amerika isoliert und die Welt hinter dem Iran versammelt", twitterte die ehemalige UN-Botschafterin der USA, Samantha Powell.

"Ich bin optimistisch, dass die Menschen im Iran sich eines Tages von der Republik befreien können", schrieb Philip Gordon vom Council on Foreign Relations. "Aber ich habe meine Zweifel, dass Amerika diesen Prozess ohne ungewollte Nebenwirkungen beschleunigen kann."

Trump isoliert die USA

Die Hoffnung vieler, der Präsident könnte sich für einen Mittelweg entscheiden, der die Türen für gemeinsame Nachverhandlungen mit den Partnern offen lasse, erfüllten sich nicht. Trump verzichtete auf beschwichtigende Worte in Richtung Europa und Asien. Alle Länder, die dem Regime in irgendeiner Form helfen, müssten künftig mit Sanktionen rechnen, hieß es knapp. 120 Tage bleiben ihnen, um Geschäfte und Öl-Importe herunterzufahren. Führende Demokraten wie Nancy Pelosi, die Parteisprecherin im Repräsentantenhaus, kritisierten die Entscheidung Trumps, der damit nicht den Iran, sondern die USA isoliere.

Auch stellte sich die Frage, welche Auswirkungen die Ankündigung auf die laufenden Verhandlungen mit Nordkorea haben könnten. Außenminister Mike Pompeo war am Dienstag zu ersten Gesprächen nach Pjöngjang geflogen. Der Präsident gefährde einen Kompromiss, wenn die dortige Führung das Gefühl habe, sich auf die Absprachen mit den USA nicht verlassen zu können, hieß es.

Zweimal hatten die eigenen Berater den Präsidenten im vergangenen Jahr überzeugen können, trotz dessen Vorbehalten nicht aus dem Abkommen auszusteigen. Doch seitdem hatte nicht nur die Ungeduld des Präsidenten zugenommen. Auch der enge Beraterkreis hat sich in den vergangenen Monaten verändert: Moderate Kabinettsmitglieder wie der ehemalige Außenminister Rex Tillerson wurden durch Hardliner wie Mike Pompeo und den Nationalen Sicherheitsberater John R. Bolton ersetzt. Der Widerstand, den Trump erhalten habe, sei so zumindest intern immer weiter gesunken, schrieben mehrere US-Medien.

Trumps wollte das Erbe Obamas beseitigen

Trump löste mit seiner Entscheidung ein Wahlkampfversprechen ein. Als Kandidat für die Republikaner hatte er das Atomabkommen wiederholt als den wohl "schlimmsten Deal der Geschichte" bezeichnet und seinem Amtsvorgänger Barack Obama Verhandlungsschwäche vorgeworfen. Damals wusste Trump die Mehrheit der Amerikaner noch hinter sich. Als Obama das Abkommen 2015 unterzeichnete, bewerteten mehr als 80 Prozent der Bevölkerung ihre Einschätzung des Irans als "unvorteilhaft".

Seitdem aber hat sich die Meinung im Land geändert. Nach einer Umfrage von Politico sprechen sich derzeit 56 Prozent der Amerikaner für das Abkommen aus, nur 26 sind dagegen. Unter den Republikanern sind 46 Prozent für einen Verbleib, 42 wünschen sich einen Ausstieg. Und selbst unter den eigenen Loyalisten – so meinen Experten – spiele die Iran-Frage nur eine untergeordnete Rolle. Dass der Präsident trotzdem an seinem Versprechen festhalte, zeige deshalb vor allem, wie groß das Bedürfnis sei, das Erbe seines Vorgängers an allen Fronten zunichtezumachen, schrieben Beobachter.

Der britische Guardian hatte erst am Wochenende berichtet, Helfer aus dem Umfeld von Trump hätten eine israelische Firma beauftragt, belastende Informationen über ehemalige Obama-Mitarbeiter zu sammeln, die am Zustandekommen des Iran-Deals beteiligt gewesen waren. Ziel sei es gewesen, mit ihnen auch die Glaubwürdigkeit des Dokuments zu unterwandern.

In den vergangenen Wochen hatten sich sowohl Befürworter als auch Gegner des Abkommens bemüht, den Präsidenten von ihren Argumenten zu überzeugen. Nach Besuchen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zuletzt der britische Außenminister Boris Johnson mit einem Auftritt im Sender Fox News versucht, Trump mit einem letzten Appell zu erreichen. Die Hoffnungen aber hätten sich in den vergangenen Tagen zerschlagen, berichtete die New York Times. Trump habe sich vor allem an einer Klausel gestört, nach der Sanktionen nach 15 Jahren automatisch auslaufen.

Netanjahu lobt Trump

Nach der Entscheidung appellierten die europäischen Staatschefs an den Iran, "besonnen" auf die Entscheidung der Amerikaner zu reagieren. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu dankte Trump in einer ersten Stellungnahme für seine "mutige" Entscheidung. In der vergangenen Woche hatte Netanjahu der Führung in Teheran vorgeworfen, über die Existenz eines Atomprogramms zu lügen. Beobachter hatten die Tatsache, dass Netanjahu seine Ansprache auf Englisch hielt, als Zeichen dafür gedeutet, dass er sich damit eigentlich vor allem an den US-Präsidenten richte.

Innerhalb der republikanischen Partei hatte im Vorfeld Uneinigkeit angesichts der Iran-Frage geherrscht. Selbst viele Gegner des Abkommens hatten zuletzt erklärt, anstatt auszutreten, sollten die USA lieber nachverhandeln. Die Kritiker aber hielten sich nach der Entscheidung zurück. Der Schritt sende ein starkes Signal, dass die Trump-Regierung keine löchrigen Verträge akzeptiere, schrieb Lindsey Graham, Republikaner aus South Carolina, als einer der wenigen Konservativen auf Twitter.

Auf dem Börsenparkett in New York hatten Händler nach der Rede des Präsidenten vereinzelt gejubelt. Sie freuten sich nach Wochen der Ungewissheit vor allem darüber, dass es überhaupt eine Entscheidung gibt. Davon allerdings würden vor allem Öl-Exporteure wie Russland profitieren, wenn die weltweiten Vorräte dank neuer Sanktionen gegen den Iran zurückgingen, schrieb der frühere US-Diplomat und Nahost-Kenner Hady Amr. "Es bleibt abzuwarten, ob sich die Amerikaner immer noch freuen, wenn die Preise für sie bald steigen."

Dieser Text erschien zuerst auf "Zeit Online".

Thorsten Schröder

Zur Startseite