China, Deutschland und Europa: Die netten Jahre sind endgültig vorbei
Deutschland und China waren Partner und sind nun Rivalen. Der Druck der EU-Partner auf Berlin wächst, einen härteren Kurs einzuschlagen. Ein Kommentar.
Es wird ungemütlich für China, Deutschland und Europa. Der brüske Ton bei der Europareise des Außenministers Wang Yi war ein Vorgeschmack. Er wollte gut Wetter für den EU-China-Gipfel am Montag machen. Doch sein herrisches Auftreten löste Konsternation aus.
Wie man offen mit Konflikten umgeht, müssen alle erst lernen. Sie haben ihr Verhältnis über Jahrzehnte als Sonnenschein-Beziehung behandelt. Alle profitierten vom wachsenden Handel. Wenn es Probleme gab – mit den Menschenrechten oder mit Chinas Staatswirtschaft, die ausländische Firmen benachteiligt –, gelobte man Besserung.
Wir sind noch ein Entwicklungsland, bat Peking um Verständnis. Die Europäer versprachen mehr Geduld, voran die Deutschen. Sie setzten auf „Wandel durch Annäherung“. Wenn man kooperiere, werde China sich öffnen. So wurde China zu Deutschlands größtem Handelspartner, vor den USA und Frankreich. Und die EU zu Chinas größtem Handelspartner.
China ist stärker geworden und will sich nicht mehr unterordnen
„Partner“ ist längst nicht mehr das treffende Wort für das Verhältnis. China ist zum Rivalen geworden, politisch und wirtschaftlich. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) nennt das Land einen „systemischen Wettbewerber“. Der europäische Dachverband Business Europe klagt über „Marktverzerrungen“. Die EU müsse fairen Wettbewerb in einem Vertrag fixieren und durchsetzen.
Wie ist es dahin gekommen? Erstens ist China stärker geworden. Es ist jetzt die größte Volkswirtschaft der Erde, ökonomisch auf Augenhöhe mit der EU oder den USA. Peking sieht keinen Grund mehr, sich anzupassen. Es lebt seine Andersartigkeit selbstbewusst aus. Zweitens ist in Peking die Entscheidung gefallen, sich nicht weiter zu öffnen, sondern das Machtmonopol zu festigen, nach innen wie nach außen. Manche nennen als Wendepunkt den Parteikongress 2017, andere bereits die Entscheidung für Xi Jinping als Präsidenten 2013.
Xi Jinping verfolgt eine offensive "China First"-Politik
Unter Präsident Xi gilt „China First“. Das Land beansprucht Dominanz, ökonomisch wie politisch. Peking bedroht Nachbarn militärisch, unterdrückt Uiguren und Tibeter, schlägt die Demokratiebewegung in Hongkong nieder. Es verweigert Transparenz über den Ursprung des Coronavirus und übt Druck auf Demokratien aus, die Aufklärung verlangen. Es bricht internationale Verträge, die Hongkongs Autonomie schützen.
Da wird Europa hellhörig, auch aus Eigeninteresse. Es wollte den staatsnahen Konzern Huawei an den europäischen 5G-Digitalnetzen beteiligen. Aber kann man Huawei die Daten von Millionen Europäern anvertrauen, wenn China Verträge bricht?
Für die deutsche Wirtschaft ist China kein einfacher Partner mehr. Viele deutsche Firmen machen gute Geschäfte. Aber ihre Zahl sinkt und die Beschwerden über Benachteiligung nehmen zu.
Überall in Europa wächst der Druck, die Chinapolitik zu überdenken. Und damit der Druck auf Deutschland, Pekings wichtigsten Partner. Eine wirksame Chinapolitik der EU gelingt nur, wenn alle EU-Staaten an einem Strang ziehen.
Der Kurswechsel kommt, spätestens mit Schwarz-Grün
Die EU tritt jedoch nicht geschlossen auf. Manche wie Frankreich, Großbritannien, Tschechien, Slowenien tendieren zu mehr Härte. Nicht gleich „Decoupling“, den Abbau der Verflechtung, wie Donald Trump fordert. Aber robustes Eintreten für westliche Interessen, am besten gemeinsam mit den USA und den Demokratien in Asien: Japan, Südkorea, Indien, Australien, Neuseeland.
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Andere wie Griechenland und Ungarn sind auf dem Weg, zu Pekings Vetomächten in der EU zu werden. Sie nehmen Rücksicht auf Chinas Investitionen in ihren Ländern.
Deutschland muss seinen Kurs korrigieren: kein Vorrang mehr für Wirtschaftsinteressen auf Kosten von Freiheit und Multilateralismus, Menschenrechte offen ansprechen, Huaweis Rolle in 5G überprüfen, mehr Hilfe von China, dem größten Verschmutzer, beim globalen Klimaschutz und denselben freien Marktzugang einfordern, den chinesische Firmen hier genießen. Eine neue Balance kommt spätestens, wenn Schwarz-Grün regiert.