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Der Hafen von Piräus ist zu Chinas Brückenkopf in Europa geworden.
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EU-China-Gipfel: So will sich Brüssel gegen Peking wehren

Die Politik der Pekinger Führung zielt darauf ab, einen Keil in die EU zu treiben. Doch in Brüssel will man dies nicht länger hinnehmen.

Es war auf dem Höhepunkt der Griechenland-Krise, als der Hafen von Piräus endgültig in chinesische Hand geriet. Weil die Regierung in Athen damals, im Jahr 2016, durch Privatisierungen dringend an Geld kommen musste, übernahm die staatliche chinesische Reederei Cosco die Mehrheit der Anteile am Hafen der griechischen Hauptstadt.

Der damalige Ministerpräsident Alexis Tsipras sagte seinerzeit, dass Griechenland „in eine neue Phase“ eintrete. Für die EU hatte die Vereinbarung mit Peking derweil weit reichende Folgen – gilt der griechische Hafen den Chinesen inzwischen als entscheidende Handels-Drehscheibe.

Die Erinnerung an die Übernahme von Piräus dürfte mitschwingen, wenn die EU-Spitzen –  inklusive Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) –  an diesem Montag zu einer Videokonferenz mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping zusammenkommen. Zwar gelang es den Chinesen im vergangenen Jahrzehnt, den griechischen Handelshafen wirtschaftlich wieder flott zu machen. Doch auch schon damals gab es Warnungen.

Warnungen vor einer Politik des „Teile und herrsche“

So war etwa in einer Analyse der Denkfabrik „European Council on Foreign Relations“ zu lesen, dass Chinas Politik darauf ausgerichtet sei, Sonderbeziehungen zu einzelnen EU-Staaten aufzubauen und nach dem Motto „Teile und herrsche“ einen Keil in die Gemeinschaft zu treiben.

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Heute ist der Hafen von Piräus ein wichtiger Knotenpunkt der neuen Seidenstraße, mit der Peking den  Handel mit Europa und Afrika ausweiten will. Das geopolitische Großprojekt Xi Jinpings hatte allerdings auch bereits  ganz konkrete Auswirkungen  auf die gemeinsame europäische Außenpolitik. Auf diesem Feld tun sich die EU-Länder   ohnehin traditionell schwer, mit einer Stimme zu sprechen. Wegen  des massiven  Engagements aus Fernost hatte Griechenland daher leichtes Spiel, die Versuche der EU zu torpedieren, angesichts der Menschenrechtssituation in China klare Kante zu zeigen.

Erst 2019 bezeichnete die EU China als „systemischen Rivalen“

Obwohl schon Mitte des vergangenen Jahrzehnts in Europa  Einwände gegen die politische Einflussnahme Pekings laut wurden,  hat es nach dem Piräus-Deal noch einige Zeit gedauert, bis die EU eine härtere Gangart im  Verhältnis zu China entwickelte. Bis dahin war das Reich der Mitte in Brüssel in erster Linie als riesiger Absatzmarkt wahrgenommen worden. Doch im März 2019 legte die EU-Kommission unter ihrem damaligen Chef Jean-Claude Juncker eine neue Strategie zum Umgang mit Peking vor. Darin wurde China, das längst zum Technologie-Riesen aufgestiegen war, erstmals als „systemischer Rivale“ bezeichnet.

EU will Übernahmen schärfer kontrollieren

Wie sich das neue Wettbewerbsverhältnis zu China für die Brüsseler Gesetzgebungs-Maschinerie auswirken könnte, wurde im vergangenen Juni klar. Vor drei Monaten legte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager einen Vorschlag zum Schutz europäischer Firmen vor Übernahmen vor. Laut Vestagers Idee dürfen  massive Staatsbeihilfen in Ländern außerhalb der EU nicht dazu führen, dass europäische Firmen in die Hände von Konzernen aus Nicht-EU-Ländern fallen. Diese Gefahr besteht gerade in der Corona-Krise, die viele Unternehmen auf dem hiesigen Kontinent in eine gefährliche Schieflage gebracht hat.

Vestagers  Vorschlag zielt zwar nicht explizit auf China, sondern auch auf die beiden anderen großen Player, aus denen die meisten Investitionen in die EU kommen: Russland und die USA. Aber gerade für aggressiv expandierende chinesische Staatsbetriebe dürfte es eine schlechte Nachricht sein, wenn die EU demnächst Übernahmen blockieren kann, wie es der Plan der Wettbewerbskommissarin  vorsieht.

Ursprünglich sollte der Gipfel in Leipzig stattfinden

Der EU-China-Gipfel, der vor dem Beginn der Pandemie ursprünglich als physisches Treffen in Leipzig geplant war, soll aus Sicht der Europäischen Union zunächst einmal dokumentieren, dass sich die Gemeinschaft nicht spalten lässt. In wirtschaftlichen Fragen, so lautet die Sichtweise in Brüssel, solle sich die Pekinger Führung doch bitteschön in erster Linie an die EU wenden und nicht an die Hauptstädte in einzelnen Mitgliedstaaten.

Auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen wird an der Videokonferenz am Montag teilnehmen.
Auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen wird an der Videokonferenz am Montag teilnehmen.
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Dass mit Kanzlerin Merkel ausgerechnet die Regierungschefin jenes Mitgliedslandes an der Videokonferenz teilnimmt, das mit China besonders intensive Wirtschaftsbeziehungen pflegt, ist allerdings nicht ohne Ironie. Die Teilnahme Merkels neben EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratschef Charles Michel hängt allerdings mit dem Turnus in der Gemeinschaft zusammen: Gegenwärtig hat Deutschland den halbjährigen Vorsitz in der Gemeinschaft inne.

Hoffnung auf Investitionsabkommen bis Jahresende

Inhaltlich wird es bei dem virtuellen Treffen am Montag nicht zuletzt um den geplanten Abschluss eines Investitionsabkommens gehen,  das  europäischen Firmen den Marktzugang in China  erleichtern soll. Vor dem Beginn der Pandemie hatte auf EU-Seite noch die Hoffnung bestanden, beim inzwischen abgesagten Leipziger Gipfel das Abkommen feierlich zu unterzeichnen. Beim virtuellen Treffen wollen die EU-Spitzen nun darauf drängen, die Verhandlungen bis Jahresende abzuschließen. Allerdings gestalteten sich die Gespräche zuletzt schwierig: Die EU verlangte unter anderem, dass die Subventionen für chinesische Staatsbetriebe reduziert werden müssen – allerdings ohne Ergebnis. Auch beim Videogipfel am Montag wird nicht mit einem Durchbruch gerechnet.

Erschwert werden die Gespräche nicht nur durch das brachiale Vorgehen der Pekinger Führung in Hongkong, das in der EU zunehmend auf Kritik stößt. Auch das zurückliegende Frühjahr und die chinesische Propaganda zu Beginn der Corona-Krise in einzelnen EU-Staaten sind in der Gemeinschaft nicht vergessen. Denn die damalige Hilfe Pekings für die angeschlagenen Gesundheitssysteme in Italien und Spanien diente aus Brüsseler Sicht nicht zuletzt einem Zweck: die EU in der Öffentlichkeit schwach aussehen zu lassen.

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