China versus USA: Das Gespenst des Kalten Krieges geht um
China ist keine militärische Bedrohung wie einst die UdSSR, doch eine große Gefahr für die freie Welt. Europa muss ihr entschlossen begegnen. Ein Kommentar.
Ein Gespenst geht um in Europa: das Gespenst des Kalten Krieges. Kehrt er zurück wie ein Wiedergänger, der nicht tot zu kriegen ist?
Europa hoffte, den bösen Geist besiegt zu haben mit den Freiheitsbewegungen gegen den Kommunismus. Russland fehlt heute die Kraft zu einer existenziellen Bedrohung, wie sie einst von der Sowjetunion ausging.
Die Konflikte nehmen zu - selbst Datenschutz in Europa steht in Frage
Doch die Konflikte mit China nehmen beängstigend zu und haben sich auf so viele Gebiete ausgeweitet, dass das Wort vom globalen Systemgegensatz nicht übertrieben ist.
Es geht um die durch internationale Verträge garantierte Demokratie in Hongkong, um Menschenrechte in Chinas Mehrheitsbevölkerung, wie um die der Minderheiten von den muslimischen Uiguren bis zu den Tibetern, um freie Schifffahrtswege und Lufträume in Asien, um geistiges Eigentum, Marktzugang und faire Handelsregeln, um eine verantwortliche Nutzung von Ressourcen in der Dritten Welt, etwa in Afrika, um Klimaschutz – und um verlässlichen Datenschutz hier in Europa, wenn man staatsnahe Giganten wie Huawei an 5G-Netzen beteiligt.
Das Wort vom neuen Kalten Krieg hat seine Tücken, weil es eine Wiederholung der Geschichte andeutet, die es so nicht gibt. Zugleich hat es seine Berechtigung wegen der Dimension der Herausforderung.
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China bedroht Europa nicht militärisch wie früher der hoch gerüstete Warschauer Pakt. Es herrscht auch keine riskante Gesprächslosigkeit zwischen West und Ost, die zu Fehlkalkulationen verleiten könnte, wie in den 1950er Jahren. China ist Teil der internationalen Institutionen und Dialogforen, spielt eine wichtige Rolle in den G 20, treibt regen Warenaustausch mit Amerika und Europa.
China hat den Westen eingeholt. Und teilweise überholt
Zugleich hat China jedoch ein ökonomisches Entwicklungspotenzial, das der Sowjetunion fehlte. Als klar wurde, dass der Ostblock auf Dauer weder wirtschaftlich noch technisch mit dem Westen mithalten konnte, tröstete man sich dort mit der Losung „Überholen ohne einzuholen“. Das hat nicht funktioniert.
China hat Amerika und Europa in vielen Bereichen eingeholt und in manchen Zukunftstechniken wie 5G und Künstliche Intelligenz überholt. Seine Wirtschaftskraft ist heute ähnlich groß wie die der EU oder die der USA.
Die Effizienz seines Systems – vom Entwicklungsland zur Supermacht in wenigen Jahrzehnten – und vielfältige Kooperationsangebote an ärmere Länder zum Ausbau der Infrastruktur oder die „Neue Seidenstraße“ machen China zu einem attraktiven Partner. Und einer Alternative zur EU und den USA.
Die geostrategische Weltkarte ordnet sich neu. Länder wie Iran, die im Konflikt mit dem Westen stehen, orientieren sich an Peking, verkaufen ihre Ressourcen dorthin wie Iran sein Öl und erhalten dafür Devisen und andere knappe Güter.
Auch einige EU-Staaten wie Griechenland oder Ungarn haben sich riskant abhängig von Peking gemacht. Insgesamt freilich haben Europa und Amerika mehr „Soft Power“. Chinas Umgang mit Corona schadet seinem Image. Und Schwergewichte wie Indien, die man früher als „blockfrei“ umwarb, haben mit China wenig am Hut.
Der erste Anlauf zur Einbindung ist gescheitert
Was sind Deutschlands und Europas Interessen in dieser Lage? China auf die Einhaltung der freien Weltordnung zu verpflichten. Der erste Anlauf – Wandel durch Handel, Annäherung und Einbindung – hat das nicht erreicht.
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China redet von Multilateralismus und vom Wert internationaler Abkommen, um sich positiv von Trumps Unilateralismus und dessen Rückzug aus Verträgen abzusetzen. Doch in Hongkong bricht China den Vertrag über dessen Autonomie.
Peking bekennt sich zu Klimaschutz, ist aber selbst der größte Verschmutzer, baut tausende Kohlekraftwerke und möchte seine Emissionen nicht so bald reduzieren. Es nutzt den Zugang zu westlichen Märkten, gewährt ihn westlichen Firmen aber nicht.
Auf ihre Weise ist die Volksrepublik eine größere Bedrohung für die freie Weltordnung, als die Sowjetunion es war.
Deshalb muss Europa ihr mit derselben Entschlossenheit entgegentreten wie der UdSSR. Mit einem Unterschied: nicht als militärischer Feind, sondern als systemischer Rivale, der Vertragstreue einfordert und seine Werte nicht preisgibt.