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Die Inhaftierung zweier Anführer der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung hat die Spannungen zwischen der spanischen Zentralregierung in Madrid und den Separatisten in Barcelona weiter verschärft.
© dpa/ Emilio Morenatti

Streit um Kataloniens Unabhängigkeit: Die Kontrahenten sind kampfbereit

Der Streit um Kataloniens Streben nach Unabhängigkeit wird immer heftiger. Spaniens Regierung droht nun mit Zwangsmaßnahmen. Wie bedrohlich ist die Lage?

Es gibt Drohungen auf beiden Seiten, die Situation eskaliert – der Katalonien-Konflikt scheint weiter denn je von einer einvernehmlichen Lösung entfernt. Die Separatisten in der Regionalregierung, aber auch in Fabriken und Hochschulen wollen nicht aufgeben. Sie haben das letzte Ultimatum Madrids, sich zu Spaniens Einheit zu bekennen, verstreichen lassen.

Die Zentralregierung in Madrid leitet deshalb nun die Entmachtung der Regionalregierung in Barcelona ein. Womöglich erzwingt Madrid katalanische Neuwahlen. Die Befürworter einer Abspaltung haben ihrerseits angekündigt, bei Zwangsmaßnahmen die Unabhängigkeit auszurufen.

Warum verschärft sich der Konflikt um Katalonien so?

Spaniens Regierung und Kataloniens Separatisten treiben ihren Streit um die Abspaltung der Region offenkundig auf die Spitze. Die Verantwortlichen in Madrid warnen, man werde am Sonnabend die formelle Machtübernahme in der Provinz einleiten. Am 1. Oktober hatte es ein Referendum über die Abspaltung der Region von Spanien gegeben. Bei der Abstimmung votierte eine klare Mehrheit für Unabhängigkeit, allerdings lag die Wahlbeteiligung nur bei rund 42 Prozent.

Viele Katalanen sind gegen eine Abspaltung von Spanien, aber für mehr Autonomie. Kataloniens Regierungschef Carles Puigdemont unterzeichnete dann vergangene Woche eine Unabhängigkeitserklärung, setzte diese jedoch sofort wieder außer Vollzug. Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte Puigdemont daraufhin ultimativ aufgefordert, eindeutig mitzuteilen, ob die abgegebene Unabhängigkeitserklärung gelte. Puigdemont vermied eine eindeutige Antwort, er fordert vielmehr Madrid zum Dialog auf.

Welche konkreten Folgen könnte Madrids Vorgehen haben?

Zum ersten Mal seit Inkrafttreten der spanischen Verfassung 1978 wird Ministerpräsident Rajoy nun wohl Artikel 155 anwenden. Der Paragraf erlaubt der Zentralregierung alle „notwendigen Mittel“ zu ergreifen, um einer sogenannten Autonomen Gemeinschaft, also eine Region wie Katalonien, zur Erfüllung ihrer rechtlichen Pflichten zu zwingen. Das heißt: Wenn eine regionale Verwaltung gegen die „allgemeinen Interessen“ Spaniens verstößt, können Autonomierechte entzogen, die jeweilige Regierung aufgelöst und örtliche Neuwahlen angesetzt werden. Damit wären die gewählten Volksvertreter im Parlament in Barcelona de facto von der Zentralregierung abgesetzt.

Womöglich gibt es zunächst eine „kalte“ Entmachtung. Zum Beispiel, indem die spanische Regierung die Kontrolle in bestimmten Schaltstellen der katalanischen Verwaltung übernimmt. Zu diesen Schlüsselbereichen könnte die Polizei Kataloniens oder das Finanzressort gehören. Die „Mossos“ genannten Regionalpolizisten haben beim umstrittenen Referendum am 1. Oktober die Katalanen gewähren lassen, also letztlich den Befehl aus Madrid verweigert.

Selbst Regionalchef Puigdemont droht eine Festnahme wegen „Rebellion“. Der sorgt für diesen Ernstfall offenbar vor. Seine Leibwächtertruppe sei verstärkt worden, hört man. Ohnehin kann er sich auf zahlreiche Spitzenbeamte verlassen – die Separatisten sind eine regionale Massenbewegung. Dennoch soll sich Puigdemont hinter den bewachten Mauern des Regierungssitzes in der Altstadt Barcelonas eingerichtet haben.

Viele Katalanen wollen die vollständige Abspaltung von Spanien - aber längst nicht alle.
Viele Katalanen wollen die vollständige Abspaltung von Spanien - aber längst nicht alle.
© imago/Zuma Press

Um etwaige Zwangsmaßnahmen umzusetzen, braucht Spaniens Ministerpräsident Rajoy eine absolute Mehrheit im Senat. In dieser, nach regionalen Kriterien zusammengesetzten Kammer sind die 17 verschiedenen Regionen Spaniens vertreten, die ihrerseits aus einer oder mehreren Provinzen bestehen. Geht es nach Parteizugehörigkeit, dürfte Rajoy kein Problem haben, eine Mehrheit zu finden.

Die meisten Senatoren gehören Rajoys rechtskonservativer Partido Popular (PP) an. Zudem hat sich der Ministerpräsident schon vergangene Woche das Wohlwollen der PSOE gesichert, Spaniens Sozialdemokraten und größte Oppositionspartei. Aber selbst die kleinen Liberalen, die Ciudadanos-Partei, steht hinter der Regierung.

Spaniens Monarch, formal Staatsoberhaupt, steht ebenfalls zur Regierung in Madrid. König Felipe hatte schon vor zwei Wochen in einer TV-Ansprache den Anhängern einer Unabhängigkeit „unverantwortliches Verhalten“ vorgeworfen. Sie würden nicht nur die Stabilität Kataloniens in Gefahr bringen, sondern die ganz Spaniens.

Warum legen so viele Katalanen Wert auf Eigenständigkeit?

Unklar ist, ob tatsächlich eine Mehrheit der Katalanen einen eigenen Staat möchte. Kaum jemand aber zweifelt an, dass die meisten Katalanen mehr Autonomie wünschen. Sie wollen vor allem die in Katalonien erhobenen Steuern selbst verwalten können. Die Region zahlt Schätzungen zufolge prozentual deutlich mehr in den innerspanischen Finanzausgleich als Bayern in den innerdeutschen.

Zu diesen ökonomischen Erwägungen kommen historisch-kulturelle. Die Arbeiterbewegung war in Katalonien immer stärker als im Rest Spaniens, die dortigen Gewerkschaften sind bis heute sehr aktiv. Die Katalanen brachen als erste auf der Iberischen Halbinsel mit der traditionellen Dreifaltigkeit Madrids: Militär, Kirche, König. Im Bürgerkrieg leisteten sie den Faschisten am meisten Widerstand. Die Separatisten fordern auf ihren Plakaten deshalb auch eine katalanische „Republik“. Vor einigen Jahren verboten sie den in Spanien beliebten Stierkampf als barbarisch und bauten die öffentliche Verwaltung aus.

Könnten sich die katalanischen Separatisten radikalisieren?

Die Zeichen stehen auf Sturm. So rüstet sich die seit Jahren gut organisierte Unabhängigkeitsbewegung für „permanente Mobilisierungen“, wie es Jordi Sanchez und Jordi Cuixart formulieren. Die beiden gehören zu den führenden Köpfe der separatistischen Bürgerplattformen „Assemblea Nacional Catalana“ und „Omnium Cultural“ und sitzen nun in Untersuchungshaft. Der Vorwurf der zentralspanischen Justiz: Sie seien an einer „Rebellion“ gegen Spanien beteiligt.

Die beiden „Jordis“ machten bereits vor ihrer Festnahme vor einigen Tagen kein Geheimnis daraus, dass sie für den Fall einer spanischen Intervention allerlei Widerstandsaktionen planten. So könnten in den kommenden Wochen erneut Streiks und ziviler Ungehorsam nicht nur Katalonien in Atem halten.

Die Wirtschaft Spaniens braucht den Hafen Barcelonas, zudem ist die Region das Industrie- und Handelszentrum des Gesamtstaates. So wächst die Sorge, dass die ohnehin sehr angespannte Lage außer Kontrolle geraten könnte. Für massive Militanz wie noch vor einigen Jahren im Baskenland gibt es derzeit keine Anzeichen.

Was bedeuten die Spannungen für Spanien, Europa und letztlich Deutschland?

Die Regierung in Madrid kann sich der Unterstützung der EU sicher sein. Für die Mitglieder steht fest, dass es sich beim Katalonien-Konflikt um eine „innere Angelegenheit“ Spaniens handelt. So sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte am Rande des EU-Gipfels am Donnerstag in Brüssel: „Wir schauen da sehr genau hin und unterstützen die Position der spanischen Regierung.“ Unterstützung für eine Abspaltung der Region gibt es so gut wie keine. „Niemand in Europa könnte die Unabhängigkeit akzeptieren. Niemand wird der Regierung von Katalonien in dieser Sache beistehen“, sagt zum Beispiel EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani. Bisher weigert sich die EU denn auch, in dem Streit zu vermitteln. Dabei fordern die Katalanen genau dies, zumal sie im Falle einer Unabhängigkeit in die EU möchten.

Die Präsidentin des katalonischen Parlaments, Carme Forcadell, kritisierte die Untätigkeit der EU. In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ schrieb sie, ein großer Teil der katalanischen Gesellschaft frage sich, „wie lange noch die europäischen Institutionen die offenkundige Verletzung von Grundrechten in einem der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ignorieren“ würden.

Sie bezeichnete die Polizeigewalt gegen katalanische Bürger während des Unabhängigkeitsreferendums am 1. Oktober 2017 als „bisherigen Höhepunkt einer Spirale der Unterdrückung seitens des spanischen Staates“. In Spanien würden Grundrechte verletzt, die im EU-Vertrag festgehalten seien. Dabei seien die EU-Institutionen verpflichtet, diese Rechte zu garantieren.

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