Spanien: Ultimatum für Kataloniens Separatisten läuft ab
Kataloniens Regierungschef Puigdemont muss bis Montag um 10 Uhr erklären, ob sich die Region für unabhängig erklärt hat. Die Zentralregierung droht mit einer Machtübernahme.
Wenige Stunden vor Ablauf des Ultimatums der Madrider Zentralregierung an die Separatisten in Katalonien blickt Spanien gebannt und nervös nach Barcelona. Am Montag muss der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont bis 10.00 Uhr die Frage beantworten, ob er bei seiner verwirrenden Rede vor dem Regionalparlament in Barcelona am vorigen Dienstag tatsächlich die Unabhängigkeit der wirtschaftsstarken Region erklärt hat.
Sollte Puigdemont mit „Ja“ antworten, hat er nach dem zweiten Teil des Ultimatums bis Donnerstag - ebenfalls bis 10.00 Uhr - Zeit, die Unabhängigkeitsbestrebungen faktisch abzubrechen und zur Legalität zurückkehren. Der 54 Jahre alte liberale Politiker ließ bis zuletzt nicht durchblicken, welche Antwort er geben wird. Er sagte am Sonntag aber, er werde bei seiner Entscheidung die Verpflichtung seiner Regierung zu Frieden und Demokratie garantieren.
Im Fall einer Abspaltung droht die Zentralregierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy mit „harten Maßnahmen“.
Tagelange Beratungen
Oben, auf dem Dach des Palastes der katalanischen Regierung in der Altstadt Barcelonas, wehen zwei Fahnen im Wind: Die Flagge Kataloniens und die Spaniens. Ganz so, wie es laut spanischem Gesetz auf allen öffentlichen Gebäuden in der Region Katalonien sein muss. Doch wie lange wird dies noch der Fall sein?
Unten, in den Büros von Puigdemont, beraten seit Tagen führende Köpfe der Separatistenbewegung, wie es nun weitergeht. Sollen sie den Unabhängigkeitsprozess, der weder von Spanien noch von der Europäischen Union anerkannt wird, ohne Rücksicht auf Verluste durchpeitschen? Oder wäre es klüger, von einseitigen Schritten Abstand zu nehmen?
Sollte Kataloniens Separatistenchef das Ultimatum nicht erfüllen, könnten seine Tage als Regierungschef gezählt sein. Denn dann wird Rajoy, so steht es in seinem Brief, den Paragrafen 155 der spanischen Verfassung anwenden.
Dieser ermöglicht, dass die spanische Zentralregierung in einer Region die politische Kontrolle übernimmt, wenn deren politische Führung fortgesetzt gegen Recht und Gesetz verstößt. Puigdemont könnte also, wenn er sich weiter den Anordnungen Madrids entgegenstellt, abgesetzt werden. Auch die Auflösung des Regionalparlaments, in dem die Separatisten eine knappe Mehrheit halten, ist möglich.
Doch nach den Informationen, die bisher aus dem katalanischen Regierungspalast dringen, sieht es nicht danach aus, als ob sich Puigdemont dem Druck der spanischen Zentralregierung in Madrid beugen wollte. „Er wird nicht einknicken“, prophezeite ein Vertrauter Puigdemonts. Zumal der Druck aus seiner Unabhängigkeitsfront sehr groß sei.
Vor allem seine beiden linken Partner, die antikapitalistische Linkspartei CUP und die republikanische ERC, drängen darauf, vor dem spanischen Staat nicht in die Knie zu gehen und den Unabhängigkeitsplan jetzt erst recht durchzuziehen. Man könne nur über einziges Ziel sprechen, bekräftigte ERC-Chef Oriol Junqueras: „Den Aufbau einer katalanischen Republik.“
Unabhängig oder nicht?
Da wird es wohl wenig helfen, dass es in Puigdemonts bürgerlicher Partei PDeCat bremsende Stimmen gibt. Denn ohne den Segen seiner beiden linken Partner-Parteien kann Puigdemont keinen Schritt machen. Deshalb wird auch nicht ausgeschlossen, das Puigdemont in Kürze freiwillig Neuwahlen in Katalonien ansetzen könnte – in der Hoffnung, so vielleicht eine größere Mehrheit für seinen Unabhängigkeitskurs zu erhalten.
Zum Ultimatum aus Madrid kam es nach zwei Schachzügen Puigdemonts am vergangenen Dienstag. Da hatte der Separatistenführer einerseits im katalanischen Parlament zunächst seinen Willen bekräftigt, die spanische Region Katalonien „in einen unabhängigen Staat in Form einer Republik“ zu verwandeln. Was als indirekte Unabhängigkeitserklärung verstanden worden war. Aber andererseits hatte er vorgeschlagen, die konkrete Umsetzung der Abspaltung auszusetzen, um mit Spaniens Regierung über die Unabhängigkeit zu verhandeln.
Am gleichen Abend, einige Stunden nach der Parlamentsrede, unterzeichneten allerdings Puigdemont und alle anderen 71 Abgeordneten seiner Separatistenfront eine unmissverständliche Erklärung, in der es heißt: „Wir konstituieren die katalanische Republik, als unabhängigen und souveränen Staat.“
Außerdem wurde in dem Papier versichert, dass der „verfassungsgebende Prozess“ für eine katalanische Republik gestartet und ein Übergangsgesetz aktiviert werde, das die Übernahme aller staatlichen Kompetenzen in Katalonien regelt.
Kataloniens wichtigste Tageszeitung, das in Barcelona erscheinende Blatt „La Vanguardia“, warnte in einem Leitartikel davor, den einseitigen Unabhängigkeitskurs Kataloniens fortzusetzen. „Fast 600 Unternehmen haben in den vergangenen Tagen Katalonien verlassen. Europa und die Welt widersetzen sich der Abspaltung.“