Kampf um Katalonien: Die EU muss endlich in Spanien vermitteln
Spaniens Krise spitzt sich massiv zu - wäre aber durch die EU lösbar. Auch wenn die Regierung in Madrid noch nicht will - Brüssel muss eingreifen! Ein Kommentar.
Vielleicht zeigt der Kampf um Katalonien noch klarer als der Streit um Flüchtlinge, Euro und Subventionen, dass die Europäische Union eines leider doch noch nicht geworden ist: eine Union. Wann, wenn nicht dieser Tage, wo, wenn nicht in Spanien, bräuchte es Brüsseler Führung? Wollten nicht viele Brüsseler Politiker sogar, dass die Mitglieder der EU – zu denen neben Staaten mittelbar immer auch Regionen gehörten – zusammenwachsen? Ja, dass aus „der EU“ die Vereinigten Staaten von Europa werden?
Die Katalanen rufen nach Brüssel - dort sollte man sie hören
Die Krise in Spanien wäre da ein brisantes, aber immer noch vergleichsweise harmloses Einsatzgebiet. Erstens, und das will mit Blick auf Spaniens Geschichte etwas bedeuten, ist keine Terrortruppe aktiv, die für Kataloniens Unabhängigkeit kämpft. Madrid schickte trotzdem 4000 paramilitärische Bundespolizisten in die Region, als wollte es die Lage partout eskalieren.
Zweitens hält sich die Irrationalität in Barcelona in engen Grenzen, denn die Separatisten, so muss man es wohl sagen, betteln förmlich darum, dass Madrid mit ihnen verhandelt. Sie wollen geradezu zu Kompromissen gezwungen werden. Drittens möchten nicht nur die Zentralspanier, sondern vor allem die - erstaunlich oft sozialliberal orientierten - Katalanen unbedingt in der EU bleiben. Es bestehen folglich kaum Zweifel daran, dass sich nach etwaiger Brüsseler Vermittlung beide Seiten einigen könnten.
In Spanien wird ohnehin nach Lage vor Ort entschieden
Viertens, Spanien bietet auch intern allerlei Spielraum. Es ist in 17 „Comunidades Autónomas“, also Provinzen aufgeteilt, die nicht mit deutschen Bundesländern vergleichbar sind. Die Regionalkompetenzen werden der Lage, dem politischen Druck vor Ort angepasst – ergo: Sie fallen höchst unterschiedlich aus, was bisher nicht dazu führte, dass Spanien zerfiel.
Das führt umgehend zu Fünftens, denn ausgerechnet Spanien gelang doch schon mindestens genauso Heikles – mit dem nordspanischen Baskenland, in dem jahrzehntelang blutig um Unabhängigkeit gekämpft wurde, hatte die Zentralregierung vereinbart: kulturelle Autonomie (für Madrid harmlos, für viele Basken jedoch bedeutsam) und weitgehende Steuerselbstverwaltung (für Madrid schwieriger, für viele Basken noch bedeutsamer). Und bislang klappt es. Dies könnte also als Blaupause für die Katalanen dienen.
Will Madrid in Barcelona etwa einmarschieren?
Die EU-Spitze muss den Konflikt und die Interessen der Katalanen ernst nehmen, wenn sie in einer Rückkehr zu einem Flickenteppich kleiner Nationalstaaten nicht die Zukunft Europas sieht. Erkennt Madrid, dass die EU die zwei bis drei Millionen spanienkritischen Katalanen nicht mehr als „Separatisten“ verunglimpft, wird es Gesprächen mit Barcelona zustimmen – auch dann, wenn die Anwendung des umstrittenen Verfassungsartikels 155 die Zwangsverwaltung Kataloniens eingeleitet hat. Denn die ist auf Dauer sowieso nur Symbol, im Zweifel reichen dafür die 4000 Bundesbeamten, ja auch die Armee nicht: Oder sollen streikende Polizisten, Staatsdiener und Hafenarbeiter mit Waffengewalt zur Arbeit gezwungen werden?
Wer eine Union – also Einheit – will, sollte das gerade dann beweisen können, wenn diese zu zerreißen droht. Weil die nötigen Instrumente da sind, ist selbst nach diesem Wochenende noch Zeit. Brüssel, übernehmen Sie endlich!